Streit um Indianerland am Paradiesstrand in Ceará: Indio oder Nicht-Indio?

Mehr als 200 Familien der Tremembé-Indianer bangen um ihr Land im Nordosten Brasiliens. Die spanische Investorengruppe Afirma Housing Group will dort - nach eigenen Angaben – den in der Welt größten Tourismuskomplex an die Küste klotzen.

Auf dem 3100 Hektar großen Stammesgebiet der Tremembé im Bezirk Itapipoca sollen unter anderem nicht weniger als 27 Luxushotels und sieben Golfplätze entstehen. Die Leiter des mit rund 15 Milliarden US-Dollar veranschlagten Projekts namens Nova Atlântida, zu deutsch Neu Atlantis, behaupten, das Land mit seinen Dünen, blauen Lagunen, Mangrovenwald und Kilometer langen Traumstränden bereits in den 1970er Jahren während der brasilianischen Militärdiktatur rechtmäßig erworben zu haben. Nicht die spanische Investorengruppe sei der Aggressor, sondern die auf dem Land unrechtmäßig lebenden Brasilianer, die in Wirklichkeit gar keine Indios seien, sondern lediglich illegale Landbesetzer.

Am 23. März 2009 startete Rettet den Regenwald eine Briefaktion an die brasilianische Regierung zugunsten der Tremembé von Sao Jose und Buriti. Die brasilianische Soziologin Márcia Gomes de Oliveira sprach mit der Repräsentantin der Tremembé von Sao Jose und Buriti, Adriana Carneiro de Castro.

Márcia: Schon im 16. Jahrhundert, als die ersten Portugiesen die Küste von Ceará betraten, trafen sie auf die Tremembé. Nun behauptet der Direktor von Nova Atlântida, Frank Roman, die Tremembé von Sao Jose und Buriti seien „Pseudoindios“. Doch wie lautet ihre Geschichte wirklich?
Adriana: Unsere Geschichte ist die, dass wir hier geboren sind und hier unsere Kinder aufwachsen. Wir sind hier mit dem Boden verwurzelt. Ein Baum, der immer hier war.

Márcia: Wie viele Tremembé leben in dem von Afirma beanspruchten Gebiet heute?
Adriana: Die FUNASA (staatliche Gesundheitsbehörde) hat 107 Familien registriert, rund 520 Personen. Doch wir sind hier insgesamt 205 Familien in den zwei Indianerdörfern Sao Jose und Buriti.

Márcia: Von was leben sie in Sao Jose und Buriti. Betreiben sie eine Form von traditioneller Landwirtschaft?
Adriana: Wir leben bis heute von Fischfang, der Jagd und vom Anbau von Maniok. Außerdem bekommen einige die Bolsa Familia (eine Art Sozialhilfe der Regierung).

Márcia: Wie sieht die Landschaft, die Natur ihres Stammesgebiet aus?
Adriana: Wir haben einen Fluss, Bäche, Mangroven. Wir haben oben in den Hügeln fischreiche Lagunen. Wir haben ein „Urwaldgebiet“ und einen Murici-Wald, der von großer Wichtigkeit für uns ist. Jeweils im November feiern wir das Murici-Fest.

Márcia: Seit wann wissen Sie, dass Investoren ihr Land für ein Tourismusprojekt beanspruchen.
Adriana: Seit 1981. Die Firma hatte angefangen mit Posseiros (Landbesitzern) in dem Gebiet zu verhandeln.

Márcia: Wer sind diese Posseiros?
Adriana: Schon seit vielen Jahren versuchen immer wieder Leute unser Land zu rauben. Diese Posseiros haben sich einfach ein Stück davon genommen. Unser Territorium ist leider noch nicht demarkiert.

Márcia: Das heißt Ihr Stammesgebiet wurde von der Brasilianischen Regierung immer noch nicht offiziell als Indianerreservat anerkannt?
Adriana: Seit 2006 hat die FUNAI (staatliche Indianerschutzbehörde) eine Arbeitsgruppe zur Anerkennung und physischen Demarkierung unseres Gebietes angekündigt. Aber bis heute wurde sie noch nicht eingesetzt. Die FUNAI hier in Ceará ist auf unserer Seite, aber alles hängt von der FUNAI in Brasilia ab. Es ist sehr wichtig, dass in Brasilia endlich die versprochene Arbeitsgruppe eingesetzt und unser Land demarkiert wird. Nur so können wir das Land und uns vor dem Nova Atlântida-Projekt schützen.

MÁRCIA: Wie sieht die Situation aktuell aus. Hat Afirma bereits mit Bauarbeiten für Nova Atlântida begonnen.
Adriana: Derzeit wird nichts gebaut, weil der Fall noch vor Gericht ist. Aber wir haben Angst, dass die Firma jeden Moment mit den Bauarbeiten beginnt. Sie hat auch bereits Zäune gezogen und unseren Zugang zu den Mangroven blockiert.

Márcia: Außer dem psychischen Druck, werden Sie auch physisch bedroht, damit Sie den Weg für das Tourismus-Megaprojekt frei machen?
Adriana: Wir leiden unter den verschiedensten Drohungen. Meine Schwester und Ich, wir wurden schon vor dem Bezirksgericht verklagt. Wir wurden denunziert, dass wir gar keine Indios seien und uns unrechtmäßig als Indios ausgäben. Ein anderer Konflikt geschah 2005. Unser Territorium hat einen großen Kokospalmenhain. Kokosnüsse sind wichtiger Teil unserer Ernährung, weshalb wir die Palmen schützen. Doch die Firma wollte die Palmen abholzen lassen und beauftragte die Militärpolizei uns zu vertreiben und zu verhindern, dass wir uns schützend vor den Wald stellen. Der Konflikt dauerte zwei Monate. Die Polizei schlug auch Frauen und Kinder in unserem Territorium. Einige von uns kamen ins Gefängnis. Doch die FUNAI (Indianerschutzbehörde) von Ceará half uns schließlich und verbot der Militärpolizei den Zutritt zu unserem Land.

Márcia: Was denken Sie, die Tremembé, über das spanische Unternehmen und das Projekt Nova Atlântida. Was konkret ist Ihr Anliegen?
Adriana: Wir möchten, dass die Firma von unserem Land weg geht, weit weg und für immer. Die Firma vergiftet unser Land. Wir wollen, dass sie aus unserer Mitte verschwindet, dass sie hier nichts baut, nichts pflanzt und keine Wurzeln fasst.

Márcia: Danke für das Gespräch.

Übersetzung. Norbert Suchanek

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