Bau des Stahlindustriekomplexes von Thyssen-Krupp in Brasilien
Tag der Arbeit: Rechte für die Arbeiterinnen und Arbeiter und nicht für die Konzerne! Anläßlich des Tags der Arbeit wird der brasilianische Präsident Lula am 30. April 2009 die Baustelle der Firma Companhia Siderúrgica do Atlântico (TKCSA) besuchen. Offizieller Anlass ist die Unterzeichnung des dreißigtausendsten Arbeitsvertrags. Am Tag der Arbeit, wenn gewerkschaftliche und soziale Organisationen in aller Welt auf die Straße gehen, werden soziale Bewegungen und Organisationen in Rio de Janeiro vor den Toren der Baustelle eine große gemeinsame Kundgebung gegen die Firma TKCSA abhalten. Seit Beginn der Bauarbeiten durch TKCSA - einem gemeinsamen Unternehmen der brasilianischen VALE und der deutschen THYSSEN-KRUPP - missachtet das Unternehmen brasilianische Gesetze, stürzt Arbeiterinnen und Arbeiter ins Elend und zerstört die Umwelt.
Wir werfen der Firma TKCSA vor, folgende schwerwiegende Unregelmäßigkeiten zu verantworten:
UMWELT: Die Baustelle befindet sich in einem durch brasilianische Bundesgesetze ausgewiesenem Naturschutzgebiet. Trotz fehlender Umweltgenehmigung durch die Umweltbehörde IBAMA, trotz mehrfach gesetzlich angeordneten Baustopps gehen die Bauarbeiten weiter - und die unzähligen Unregelmäßigkeiten ebenso wie die Zerstörung von Flora und Fauna werden fortgesetzt.
MILIZEN: Die Region, in der das Unternehmen baut, ist bekannt als Gebiet, in dem eine der gefährlichsten Milizen Rio de Janeiros agiert. Am 19. März dieses Jahres beraumte deshalb die Menschenrechtskommission des Parlaments von Rio de Janeiro, ALERJ, eine öffentliche Anhörung an, um den Vorwürfen einer Verbindung zwischen den Sicherheitskräften des Unternehmens und den Milizen nachzugehen. Diese Sicherheitskräfte bedrohten und verfolgten Arbeiter und Fischer, die gegen das Bauvorhaben protestierten. Im Rahmen der Anhörung wurde aufgezeigt, dass der Chef der Sicherheitsfirma des Unternehmens selbst Drohungen gegen die Fischer ausgesprochen hat und der Miliz der Region angehört.
ARBEIT: Um Kosten zu senken, hat TKCSA (Im-)migranten beschäftigt, vor allem aus China und Nordostbrasilien. Das Versprechen, viele Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung zu schaffen, wurde nie eingehalten. Die Medien feiern propagandistisch den dreißigtausendsten unterschriebenen Arbeitsvertrag, vergessen dabei gleichwohl die 'Qualität' der geschaffenen Arbeitsplätze zu erwähnen. Ebenso findet die Tatsache keine Erwähnung, dass die Arbeiter systematisch in kurzen Zyklen ausgetauscht werden, um die aus der brasilianischen Arbeitsgesetzgebung erwachsende Pflicht zur Festanstellung zu umgehen. Im letzten Jahr wurden auf der Baustelle 120 chinesische Arbeiter ohne irgendeinen Arbeitsvertrag angetroffen. Diese Arbeiter sind schlimmsten Lebens- und Arbeitsverhältnissen ausgesetzt, zudem werden sie von Milizen bedroht.
LOKALE BEVÖLKERUNG: Das Unternehmen TKCSA bringt den 8.075 Familien der Fischer der Region Arbeitslosigkeit und soziales Elend. Durch die Bauarbeiten und die beim Ausbaggern enstandene Verschmutzung der Meeresbucht wurden die Fischgründe zerstört. Der Hafenausbau führt zu einer massiven Ausdehnung der Gebiete, in denen der Fischfang verboten ist, und trifft somit die ärmsten der Fischer äußerst hart. Des Weiteren bringt der Stahlwerkkomplex schwerwiegende Gesundheitsrisiken mit sich: steigende Verschmutzung sowie giftige Chemikalien bewirken Atemwegserkrankungen und erhöhen das Risiko von verschiedenen Krebsformen.
In Anbetracht all dieser Vorwürfe, die bereits mehreren nationalen wie internationalen Instanzen vorgelegt wurden, fordern die unterzeichnenden Organisationen aus Brasilien und Deutschland, dass die brasilianische Regierung alle notwendigen Mittel ergreift, um nationales Gesetz einzuhalten, die Arbeits- und Menschenrechte der lokalen Bevölkerung respektiert werden und die Umwelt, die Grundlage für Leben und Arbeit ist, geschützt wird. Wir fordern die Bundesregierung Deutschlands, Sitz und Herkunftsland von THYSSEN KRUPP, auf, alle notwendigen Mittel zu ergreifen, um diese Auslandsinvestition zu überprüfen und zu überwachen und sicherzustellen, dass die in Deutschland gültigen Umwelt-, Menschenrechts- und Arbeitsrechtsstandards auch im Ausland eingehalten werden.
Der Tag der Arbeit ist ein historischer Tag der Arbeiterinnen und Arbeiter! Wir lehnen die Anwesenheit von Präsident Lula auf dem Gelände der TKCSA aus all den hier dargelegten Gründen ab. Wir verlangen und fordern die Respektierung der Menschenrechte, der Arbeitsrechte, der sozialen und Umweltrechte der arbeitenden Bevölkerung im westlichen Rio de Janeiro, Brasilien! Unterzeichnende: PACS - Políticas Alternativas para o Cone Sul, Rio de Janeiro, Brasilien FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika, Berlin, Deutschland KoBra - Kooperation Brasilien, Freiburg, Deutschlands