Urwaldkauf in Paraguay: Interview mit zwei Ayoreo-Führern in Paraguay

19.11.2009


Matthew Sobode Chiquenoi (M.) ist der derzeitige Präsident der Union der eingeborenen Ayoreo von Paraguay (UNAP), die die Rechte und Interessen der Ayoreo vertritt. Er wurde im Ayoreo-Gebiet am Cerro León im Norden Chaco Paraguay geboren. Er und seine Familie wurden von Missionaren kontaktiert und im Jahr 1961 aus dem Gebiet deportiert, als er erst 8 Jahre alt war.

Aquino Aquiraoi Picanerai (A.) war Präsident der UNAP von 2003 bis 2007. Auch er wurde im Chaco-Wald in der Nähe von Chovoreca geboren, von Weißen kontaktiert, als er drei Jahre alt war, und in eine Mission gebracht. Nach Angaben seiner Mutter dürfte er 43 Jahre alt sein.

Beide leben heute in der Siedlung von Campo Loro im paraguayischen Chaco.

RdR: Wie ist der aktuelle Situation des Ayoreo-Volks, und vor allem der "unkontaktierten" Ayoreo-Gruppen?

(A.) Das Leben ist sehr schwer für uns, die wir mit der Zivilisation in Kontakt kamen. Auf der anderen Seite dürften die "isolierten" oder "unkontaktierten" Ayoreo, die immer noch im Urwald leben, sehr besorgt über die Zerstörung der Wälder in der Umgebung sein. Aber abgesehen davon müssen sie glücklich sein, weil sie ihr angestammtes Leben haben, das es ihnen ermöglicht, Ayoreo zu sein. In ihrem Leben im Urwald fehlt es an nichts, sie haben alles, was sie brauchen.

Uns, die wir mit den Weißen leben, mangelt es an vielen Dingen. Die Weißen haben all unsere Kräfte zerstört, einschließlich unserer Religion. Mit ihren Verboten haben die Missionare auch das Gleichgewicht zerbrochen, das wir in der Beziehung zwischen Männern und Frauen hatten.

(M.) Erst haben sie unser Land und dann haben sie alles weggenommen, was uns Ayoreo ausmacht.

Die unkontaktierten Menschen im Urwald haben noch viel Macht. Aber wir glauben, dass die vorrückende Abholzung sie am meisten sorgt.

RdR: Wie hilft der Urwaldkauf den Ayoreo?

(A.) Der Kauf von Grundstücken ist von zweifachem Nutzen: Es ist ein Vorteil für die isolierten Indianer, weil der Kauf eines Teils ihres Urwald hilft sicherzustellen, dass sie weiter leben und sich versorgen können. Natürlich ist das, was man kaufen kann, nicht so groß, aber es ist ein ruhiges Rückzugsgebiet, in das niemand eindringen kann.

Für den Rest der Ayoreo, die wir außerhalb unseres Territoriums leben, wird es erst in der Zukunft Vorteile bringen, wenn es aufgrund der Entwaldung und der Privatisierung von unserem Territorium keine übrigbleibenden Acker-und Urwaldflächen mehr gibt.

(M.) Ein weiterer Vorteil ist, dass der Urwaldkauf uns viel Mut und Kraft gibt, wenn wir an unser Territorium denken ....

(A.) Wenn wir über den Klimawandel und all die falschen Strategien nachdenken, die uns jetzt die Weißen präsentieren – dann können wir doch zu einer Lösung im Kampf gegen den Klimawandel beitragen: Die Regierung gibt uns einen Teil unseres großen, mit Urwald bedeckten Territoriums zurück. Wenn die Wälder wieder uns gehören, können wir sie schützen, während sie in den Händen der weißen Besitzer bis zum letzten Baum gerodet werden.

RdR: Schwächt der Kauf von Urwald nicht Ihre Rechte und Forderungen für die legale Anerkennung Ihres angestammten Lands durch den paraguayischen Staat?

(M.) Für uns ist das keine Schwächung. Der Hauptgrund für den Kauf von Grundstücken ist der unmittelbare Schutz der isolierten Indianer. Dies ist ein Notfall. Da viele nichts von der Existenz der isolierten Gruppen wissen oder sie nicht anerkennen, ist es sehr schwierig, sie zu schützen. Der Erwerb von Grundstücken dient vor allem auch als Schutzmaßnahme. Gleichzeitig fordern wir auch vom Staat die Rückgabe unseres Gebietes. Davon werden sowohl die unkontaktierten Menschen im Urwald als auch der Rest der Ayoreo profitieren. Aber von dem aktuellen Kauf von Grundstücken und Wäldern profitieren die isolierten Indianer. Wir denken, dass eine Forderung nicht die andere ausschließt und beide Maßnahmen gefördert werden müssen.

RdR: Wie wird "garantiert", dass die gekauften Wälder in Zukunft nicht verkauft werden oder die Vegetation gerodet wird, um Platz für andere Zwecke zu schaffen?

(A.) Die beste Garantie ist, dass das gekaufte Land per Besitztitel an unser Volk übertragen wird, das von unserer Organisation UNAP vertreten wird. Die Organisation hat keinen Besitzer, sie gehört uns allen. Dies bedeutet: Das uns zuerkannte Land gehört keinem einzelnen Eigentümer, sondern allen Ayoreo. Und die Flächen können nicht verkauft werden. Sie können auch nicht geplündert oder abgeholzt werden. (M.) Um den gekauften Urwald vor Plünderern und Abholzung zu schützen, muss die Region kontrolliert werden. Diese Überwachung ist die Aufgabe der UNAP. Seit 2005 überwachen wir große Teile unseres Landes in Zusammenarbeit mit der Iniciativa Amotocodie. Das dient dem Schutz der isolierten Gruppen, und gleichzeitig beobachten wir, was mit den Wäldern passiert. Gerade dafür wurde unsere Organisation gegründet, um die Interessen des Ayoreo-Volkes gegenüber der uns umgebenden weißen Gesellschaft zu verteidigen.

RdR: Wie sehen Sie die Zukunft des Chaco und eine sozial-und umweltverträgliche "Entwicklung"?

(A.) Es ist von fundamentaler Bedeutung, die Entwaldung zu verringern. In diesem Jahr gab es Teile des Chaco, in denen es zehn bis zwölf Monate nicht geregnet hat. Es gibt keine Jahreszeiten mehr. Wir wissen nicht mehr, ob Sommer oder Winter ist. Es gibt keinen Regen, es ist kälter. Bis jetzt gibt es zum Beispiel Südwind, obwohl wir im Oktober sind. Wenn wir die Abholzung stoppen, gibt es eine Chance, im Chaco zu leben. Aber wenn weiterhin gerodet wird, werden selbst die Großgrundbesitzer leiden.

(M.) Die staatlichen und multilateralen Entwicklungspläne im Chaco treiben uns immer tiefer ins Elend. Wenn die Weißen von Entwicklung sprachen, bedeutete das für uns immer den Verlust unseres Landes und unserer Kultur. Keinen Zugang zu unserem Wald und Land zu haben und das Verschwinden unseres Walds bedeutet, dass wir immer schwächer und immer öfter krank werden.

RdR: Wie können die Menschen in Deutschland den Ayoreo und der Natur helfen?

(M.) Sie sollten uns auch weiterhin helfen, Urwald zu kaufen, den wir als Territorium anerkennen. Wir sind keine Viehzüchter, wir kümmern uns um unsere Wälder, und damit auch um die unkontaktierten Menschen in diesen Wäldern.

(A.) Es ist zugleich auch gut, wenn die Menschen in Deutschland mit Kampagnen unseren Landanspruch gegenüber der paraguayischen Regierung unterstützen. Und dass es eine laufende Kampagne gegen die Abholzung im Chaco gibt, das ist sehr dringend! Interview aufgezeichnet von der Iniciativa Amotocodie am 22. Oktober 2009.

Mehr Informationen zum Urwaldkauf und zu den Ayoreo-Indianern in Paraguay finden Sie hier.

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