Freitag im Bundesrat: Natur­schutz nicht einschränken!

Uhu Natruschutz soll geschwächt werden (© CC BY 2.0)
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Der Bundesrat entscheidet über die Zukunft des Naturschutzes in Deutschland. Stimmt er der Aufweichung des Naturschutzgesetzes zu, bekommen schädliche Bauprojekte zukünftig leichter eine Genehmigung. Neue Gefahren für Fledermäuse und Greifvögel drohen. Bitte helfen Sie, das Gesetz in letzter Minute zu stoppen.

Appell

An: die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks

„Die geplante Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes gefährdet den Artenschutz und ist inakzeptabel. Bitte ziehen Sie den Entwurf zurück.“

Ganzes Anschreiben lesen

Zahlreiche Umwelt- und Tierschutzorganisationen wenden sich gegen die Pläne der Regierung. Im Zentrum stehen Windkraftanlagen. Im Gesetzentwurft steht: Weil in Deutschland ein „öffentliches Interesse“ am Ausbau erneuerbarer Energien bestehe, sollen Ausnahmen vom „Tötungsverbot“ bei Bauvorhaben hierfür besonders einfach möglich sein.

Wir stecken in einem Dilemma: Für den Abbau fossiler Brennstoffe wie Braunkohle werden Landschaften verwüstet, die Abgase heizen den Klimawandel an. Doch auch alternative Energiequellen wie Wind, Solar und Biomasse, deren Ausbau forciert wird, sind nicht zum ökologischen Nulltarif zu haben, sondern richten Schäden an. Es hilft nur eins: Energiesparen schützt die Natur

Im Gesetzentwurf ist generell von einer „hinnehmbaren Menge getöteter Tiere“ die Rede. Auch bei Vorhaben wie dem Bau von Straßen oder Stromtrassen und der Ausweisung von Industriegebieten würden es Behörden zukünftig leichter akzeptieren, dass dafür bedrohte Tiere getötet werden. Fachleute befürchten, dass in der Praxis Eingriffe in die Natur weniger intensiv geprüft werden.

Konsequenter Artenschutz sieht anders aus! Wir brauchen Windräder, Straßen und Industrie - aber nicht überall und nicht mitten in der Natur.

Schon heute ist es um den Artenschutz in Deutschland nicht gut bestellt. Jede sechste Tier- und Pflanzenart gilt als extrem selten, ausgestorben oder verschollen. Nun droht eine weitere Verschlechterung.

Der Gesetzentwurf hat den Bundestag bereits passiert. Der Bundesrat kann ihn noch blockieren, wenn die elf Länder, in denen LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an der Regierung beteilgt sind, gegen das Gesetz stimmen.

Bitte fordern Sie, den vorliegenden Gesetzentwurf zu stoppen und den Artenschutz zu stärken. Bitte unterstützen Sie persönlich eine umweltverträgliche Energiewende und sparen Sie Strom.

Hinter­gründe

Weitere Kritikpunkte sind:

- Die Novellierung bringt keine Klarheit bei offenen Fragen zur Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und zur Vogelschutz-Richtlinie der EU. Auch hierbei geht es um das „Tötungsverbot“.

- Es bleibt weiter unklar, was genau „gute fachliche Praxis“ in Forst- und Landwirtschaft ist. Das hat erhebliche Auswirkungen darauf, welche Eingriffe in die Natur erlaubt sind, beispielsweise bei der Bodenbearbeitung.

Die vorgeschlagene Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes hat auch positive Aspekte:

- Die Schaffung von Biotopverbünden soll forciert werden. Allerdings geht das nach Expertensicht zu langsam. Als Frist ist nämlich der 31.12.2025 vorgesehen.

- Naturparke sollen in die Bildung für nachhaltige Entwicklung einbezogen werden.

- Höhlen und naturnahe Stollen sollen zukünftig als Biotope besser geschützt werden.

- Der Beschnitt und die Entfernung von Hecken und anderen Gehölzen während der Brutzeit sollen eingeschränkt werden.

Windkraftanlagen sind umstritten

Viele Naturschützern und Ornitologen halten Windkraftanlagen für eine große Gefahr für Vögel. Doch es melden sich Experten zu Wort, die das Riskio zumindest für 80 bis 90 Prozent aller Windräder für gering ansehen. Nach Einschätzung des Nabu werden pro Jahr zwischen 10.000 und 100.000 Vögel von Windkraftanlagen getötet. Vor allem Raubvögel finden in Rotoren übermächtige Gegner: Unter den seit 1989 tot unter Windrädern aufgefundenen und gemeldeten Vögeln waren 126 Seeadler, 421 Mäusebussarde und 324 Rotmilane. Windkraftbefürworter halten diese Zahl toter Vögel bei bundesweit 20.000 Anlagen für vertretbar. Diese Postition scheint auch das Bundesumweltministerium zu beziehen.

In diesem Interview kritisiert der Umweltökonom Niko Paech die Energiewende. Sehenswert.

Referentenentwurf

Hier dokumentieren wir den Entwurf zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes:

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

N II 1 – (70301/10-4)

Bonn, 01.12.2016

Entwurf
Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes Vom [...]

A. Problem und Ziel

Der Gesetzentwurf enthält Anpassungen, die sich aus aktuellen Entwicklungen in der deutschen Naturschutzpolitik bzw. im deutschen Naturschutzrecht ergeben. Diese betref- fen die Einrichtung des Biotopverbunds nach § 21 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) durch die Bundesländer, eine Ergänzung der Zielbestimmung der Naturparke nach § 27 BNatSchG, die Aufnahme von Höhlen und naturnahen Stollen in die Liste der geschützten Biotope nach § 30 BNatSchG, den Schutz von Hecken nach § 39 BNatSchG, eine Anpas- sung des § 44 Absatz 5 an Anforderungen der Rechtsprechung, eine Klarstellung der Zu- ständigkeiten für artenschutzrechtliche Ausnahmen nach § 45 Absatz 7 BNatSchG, die Einführung einer Vorschrift zur Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen in der deut- schen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und im Bereich des Festlandsockels - § 56a BNatSchG neu - sowie eine Erweiterung der Ermächtigung zum Erlass von Rechts- verordnungen zum Schutz von Meeresgebieten in der AWZ in § 57 BNatSchG.

B. Lösung

Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand
E.1 Für Bürgerinnen und Bürger bzw. die Wirtschaft:

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand.

E.2 Für die öffentliche Verwaltung:

Durch die Einfügung des § 56a BNatSchG wird ein zusätzlicher Erfüllungsaufwand im Bundesamt für Naturschutz in Höhe von jährlich ca. 359.000 Euro erwartet. Der laufende Personalaufwand wird mit insgesamt 30 Personenmonaten im höheren Dienst und 18 Personenmonaten im gehobenen Dienst geschätzt. Hinzu treten 119.000 Euro einmalige Personal- und Sachaufwendungen. Der zusätzliche Aufwand führt zu einem dauerhaften Mehrbedarf an personeller Ausstattung von 2,5 Stellen des höheren und 1,5 Stellen ge- hobenen Dienstes im BfN und zu einem einmaligen laufbahnübergreifenden Mehrbedarf von 13 Personenmonaten. Auch im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie ist von einem geschätzten dauerhaften Mehrbedarf an personeller Ausstattung von 0,5 Stel- len des höheren Dienstes auszugehen.

Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweili- gen Einzelplan ausgeglichen werden.

F. Weitere Kosten

Durch das Gesetz entstehen keine weiteren Kosten.

Bonn, 01.12.2016
Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Vom [...]

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Bundesnaturschutzgesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch ... [zu ergänzen] geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

  1. Dem § 21 Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:
    „Der Biotopverbund wird bis zum 31. Dezember 2025 aufgebaut.“

  2. § 27 wird wie folgt geändert:
    a. Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:
    „(2) Naturparke sollen auch der Bildung für nachhaltige Entwicklung dienen.“ b. Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 3.

  3. § 30 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
    a. In Satz 1 Nummer 5 werden nach dem Wort „Felsenbildungen,“ die Wörter „Höhlen sowie naturnahe Stollen,“ eingefügt.

    b. Folgender Satz wird angefügt:

„Satz 1 Nummer 5 gilt nicht für genutzte Höhlen- und Stollenbereiche sowie für Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder Verkehrssicherung von Höhlen und natur- nahen Stollen.“

  1. In § 39 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 werden die Wörter „oder auf den Stock zu set- zen“ durch die Wörter „ , auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen“ ersetzt.

  2. § 44 Absatz 5 Sätze 1 und 2 werden wie folgt gefasst:

    „Für nach § 17 Absatz 1 oder Absatz 3 zugelassene oder von einer Behörde durchgeführte Eingriffe in Natur und Landschaft nach § 14 sowie für Vorhaben im Sinne des § 18 Absatz 2 Satz 1 gelten die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsver- bote nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5. Sind in Anhang IV Buchstabe a der Richtli- nie 92/43/EWG aufgeführte Tierarten, europäische Vogelarten oder solche Arten betroffen, die in einer Rechtsverordnung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 aufgeführt sind, liegt ein Verstoß gegen

    1. das Tötungs- und Verletzungsverbot nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben auch unter Berücksich- tigung von Vermeidungsmaßnahmen das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchti- gung unvermeidbar ist,

    2. das Verbot des Nachstellens und Fangens wild lebender Tiere und der Entnah- me, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen nach Absatz 1 Nummer 1 nicht vor, wenn die Tiere oder ihre Entwicklungsformen im Rahmen ei- ner erforderlichen Maßnahme, die auf den Schutz der Tiere vor Tötung oder Ver- letzung oder ihrer Entwicklungsformen vor Entnahme, Beschädigung oder Zerstö- rung und die Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhe- stätten gerichtet ist, beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen unver- meidbar sind,

    3. das Verbot nach Absatz 1 Nummer 3 nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird.“

6. In § 45 Absatz 7 Satz 1 werden die Wörter „nach Landesrecht“ gestrichen.

7. Nach § 56 wird folgender § 56a eingefügt:

„§ 56a Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen

(1) Vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Sinne von § 16 bedürfen im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandso- ckels vor ihrer Durchführung der schriftlichen Zustimmung durch das Bundesamt für Naturschutz. Die Zustimmung ist auf Antrag zu erteilen, soweit die Maßnahme

1. geeignet ist, die Anerkennungsvoraussetzungen des § 16 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 und 5 zu erfüllen und

2. im jeweiligen Raum den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie den Erfordernissen und Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele nicht wi- derspricht.

Die Verortung von vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfolgt im Benehmen mit den Behörden, deren Aufgabenbereich berührt ist. Das Bundesamt für Naturschutz kann die Vorlage von Gutachten verlangen, soweit dies zur Beur- teilung der Maßnahme erforderlich ist.

(2) Art, Ort, Umfang und Kompensationswert der Maßnahmen werden nach ihrer zustimmungsgemäßen Durchführung verbindlich in einem Ökokonto festgestellt. Der Anspruch auf Anerkennung der bevorrateten Maßnahmen nach § 16 Absatz 1 ist auf Dritte übertragbar.

(3) Die Verantwortung für die Ausführung, Unterhaltung und Sicherung der Aus- gleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 15 Absatz 4 kann von Dritten mit befreien- der Wirkung übernommen werden, soweit diese nach Satz 2 anerkannt sind. Das Bundesamt für Naturschutz hat die Berechtigung juristischer Personen zur Über- nahme von Kompensationspflichten im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels anzuerkennen, wenn sie

1. die Gewähr dafür bieten, dass die Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt wer- den, insbesondere durch Einsatz von Beschäftigten mit geeigneter Ausbildung so- wie durch wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, und

2. keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme der Unzuverlässigkeit der vertre- tungsberechtigten Personen rechtfertigen.“

  1. § 57 wird wie folgt geändert:

    a) In Absatz 1 Satz 1 werden nach dem Wort „unter“ die Wörter „Beteiligung der Behörden, deren Aufgabenbereich berührt ist, und unter“ und nach dem Wort „Öf- fentlichkeit“ das Wort „und“ eingefügt.

    b) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
    aa) Der Einleitungssatz wird wie folgt gefasst:

    „Für die Erklärung der Meeresgebiete zu geschützten Teilen von Natur und Land- schaft im Sinne des § 20 Absatz 2 sind die folgenden Maßgaben zu beachten:“

    bb) Die Nummern 4 und 5 werden wie folgt gefasst:

    „4. Beschränkungen der Verlegung von unterseeischen Kabeln und Rohrleitungen sind nur in Übereinstimmung mit Artikel 56 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 79 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen zulässig und

    1. a)  im Hinblick auf Erhaltungsziele nach § 7 Absatz 1 Nummer 9 nur nach § 34 sowie

    2. b)  im Hinblick auf weitere der Erfüllung bestehender völkerrechtlicher Verpflich- tungen oder der Umsetzung der Richtlinie 2008/56/EG dienenden Schutzzwe- cke nur, wenn die Verlegung diese erheblich beeinträchtigen kann.“

    5. Beschränkungen der Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind sowie der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen sind zulässig

    1. a)  im Hinblick auf Erhaltungsziele nach § 7 Absatz 1 Nummer 9 nur nach § 34 sowie

    2. b)  im Hinblick auf weitere der Erfüllung bestehender völkerrechtlicher Verpflich- tungen oder der Umsetzung der Richtlinie 2008/56/EG dienenden Schutzzwe- cke nur, wenn das Vorhaben diese erheblich beeinträchtigen kann.“

  2. In § 69 Absatz 3 Nummer 13 werden die Wörter „abschneidet oder auf den Stock setzt“ durch die Wörter „abschneidet, auf den Stock setzt oder beseitigt“ ersetzt.

Artikel 2

Artikel 1 Nummer 4, 5, 6, 7 und 8 treten am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.

Im Übrigen tritt dieses Gesetz am [einsetzen: Datum des ersten Tages des siebten auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats] in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Das Gesetz passt das Bundesnaturschutzgesetz an aktuelle rechtliche und politische Entwicklungen an.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der Entwurf betrifft verschiedene Bereiche des Bundesnaturschutzgesetzes. In dem § 21 „Biotopverbund, Biotopvernetzung“ wird eine Frist eingefügt, bis zu der der länderüber- greifende Biotopverbund eingerichtet werden soll. In § 27 wird ein neuer Absatz 2 einge- fügt, der die Ziele der Schutzgebietskategorie des Naturparks im Hinblick auf die Bildung für nachhaltige Entwicklung erweitert. In § 30 „Gesetzlich geschützte Biotope“ werden Höhlen und naturnahe Stollen als zusätzliches Biotop aufgenommen. In § 39 „Allgemeiner Schutz wild lebender Tiere und Pflanzen; Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverord- nungen“ wird der bestehende Schutz von Hecken dahingehend ergänzt, dass – unter den sonstigen Voraussetzungen – neben dem Abschneiden und auf den Stock setzen auch ein sonstiges Beseitigen ausdrücklich verboten wird. In § 44 „Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten“ wird eine Konkretisierung der artenschutzrechtlichen Verbote im Hinblick auf Eingriffe in Natur und Landschaft und Vor- haben im beplanten und unbeplanten Innenbereich getroffen. In § 45 „Ausnahmen; Er- mächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen“ wird die Befugnis zur Erteilung von Ausnahmen auf Bundesbehörden ausgeweitet. Mit § 56a „Bevorratung von Kompensati- onsmaßnahmen“ wird die in § 16 bestehende Möglichkeit, Ausgleichs- oder Ersatzmaß- nahmen zu bevorraten auf den Bereich der AWZ ausgeweitet. In § 57 „Geschützte Mee- resgebiete im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festland- sockels; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen“ wird die bestehende Er- mächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen erweitert. Folgeänderungen ergeben sich in den Bußgeldvorschriften in § 69.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Der Bund macht von seiner konkurrierenden Zuständigkeit für den Naturschutz nach Art. 74 Absatz 1 Nr. 29 Grundgesetz Gebrauch.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Die Änderung von § 57 BNatSchG dient auch der Umsetzung der Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie).

VI. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Gesetzentwurf passt Teile des deutschen Naturschutzrechts an aktuelle rechtliche und politische Entwicklungen an und leistet hierdurch einen Beitrag zu seiner Stärkung. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen ist ein wichtiger Bestandteil der Nachhal- tigkeitsstrategie der Bundesregierung, die für den Bereich des Naturschutzes insbesonde- re durch die vom Bundeskabinett am 7. November 2007 beschlossene Nationale Strate- gie zur biologischen Vielfalt (NBS) konkretisiert wird, deren Umsetzung durch den Entwurf befördert wird. Dies gilt insbesondere für die Regelung zu 1. betreffend den Biotopver- bund (vgl. NBS, Aktionsfeld: C1 „Biotopverbund und Schutzgebietsnetze“, S. 62 ff.), die Regelung zu 3. betreffend den Schutz gefährdeter Biotoptypen (vgl. NBS, Konkrete Visi- on: B 1.1.3 „Vielfalt der Lebensräume“, S. 28 f.) und die Regelungen zu 7. und 8., die den Meeresnaturschutz unterstützen (vgl. hierzu NBS, Konkrete Vision: B 1.2.2 „Küsten und Meere“, S. 33 f.).

VII. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

VIII. Erfüllungsaufwand
1. Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger:

Zu § 30 BNatSchG (Biotopschutz: Höhlen und Stollen)

Es entsteht kein Erfüllungsaufwand. Zwar betrifft der Regelungsvorschlag alle Bürgerin- nen und Bürger als Adressaten des Zerstörungs- und Beeinträchtigungsverbots für Höh- len als gesetzliche Biotope. Hiermit ist allerdings weder ein zeitlicher noch ein Kostenauf- wand verbunden. Das bloße Begehen von Höhlen bleibt im Rahmen der auch bisher schon geltenden Vorschriften erlaubt, da hierdurch in der Regel keine Zerstörungen oder sonstige erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne des § 30 Abs. 2 S. 1 BNatSchG hervor- gerufen werden.

Zu § 56a BNatSchG (Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen)

Obwohl sich die Regelung ihrem Wortlaut nach auch an Privatpersonen richtet, sind An- träge auf Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen für Eingriffe in der AWZ in aller Regel nur von Unternehmen zu erwarten, die Offshore-Bauvorhaben durchführen. Ein Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger ist bei realitätsnaher Betrachtung schon aus diesem Grunde nicht zu erwarten.

2. Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft:

Zu § 30 BNatSchG (Biotopschutz: Höhlen und Stollen)

Für die Wirtschaft entsteht kein Erfüllungsaufwand. Eine nennenswerte wirtschaftliche Nutzung von Höhlen ist trotz der bundesweit hohen Anzahl von ca. 12.300 registrierten Höhlen (Information: Höhlenforschungsgruppe Blaustein, Stand: Mai 2002, http://www.hfgb.de/hkatast.html) nach derzeitiger Kenntnis allenfalls in der Tourismus- und Freizeitbranche (Schauhöhlen, Höhlenwanderer) zu erkennen. Bundesweit werden ca. 53 Schauhöhlen betrieben1. Solche Nutzungen werden durch den gesetzlichen Bio- topschutz nicht generell ausgeschlossen, weil gemäß § 30 Abs. 2 BNatSchG nur die Zer- störung oder sonstige erhebliche Beeinträchtigung verboten ist und auch das nur insoweit, als es sich noch um eine "natürliche oder naturnahe" Höhle handelt. Dies wird etwa bei ausgebauten, für Besucher professionell erschlossenen Höhlen oder Höhlenbereichen in aller Regel nicht der Fall sein. Als naturnah werden Biotope bezeichnet, die ohne gezielte Veränderung des Standortes oder ohne direkten menschlichen Einfluss entstanden sind, nicht wesentlich vom Menschen verändert wurden und höchstens extensiv genutzt wer- den, sowie künstlich geschaffene Biotope, die nach ihrer Entstehung einer weitgehend natürlichen Entwicklung überlassen wurden und für den Standort typische Arten aufwei- sen.

Die Wirkung auf alle Sachverhalte einer potenziellen wirtschaftlichen Nutzung von Höhlen ist weiter deshalb von vornherein eingeschränkt, weil bereits § 39 Abs. 6 BNatSchG in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. März das Aufsuchen von Höhlen untersagt, die als Winter- quartier von Fledermäusen dienen und nicht touristisch erschlossen oder stark genutzt sind; diesem Schutzzweck (Fledermausschutz) dient auch die vorgeschlagene Änderung des § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BNatSchG.

Konflikte des Höhlenschutzes mit baulichen Projekten der Wirtschaft, die im Zulassungs- vorhaben die Beibringung von zusätzlichen Unterlagen oder Ausnahmeerteilungen erfor- dern könnten, dürften aufgrund der regelmäßig abgelegenen örtlichen Situation von ge- schützten Höhlen nur selten auftreten. Informationspflichten für die Wirtschaft sind mit der Ergänzung des im Übrigen unverändert bleibenden § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 BNatSchG nicht verbunden. Die – wenn überhaupt vorkommend – ganz vereinzelt denkbare Erforderlich- keit einer Ausnahmegenehmigung oder Befreiung nach § 30 Abs. 3 BNatSchG bzw. § 67 BNatSchG ist zu vernachlässigen.

Zu § 56a BNatSchG (Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen)

Die Regelung des § 56a BNatSchG begründet keinen Erfüllungsaufwand für die Wirt- schaft. Insbesondere werden in der vorgeschlagenen Regelung keine neuen Kompensati- onspflichten für Vorhabenträger begründet. Diese richten sich unverändert nach § 15 BNatSchG in Verbindung mit § 56 Abs. 1 und 3 BNatSchG. Auch stellt die mögliche Ein- forderung von Gutachten gemäß § 56a Abs. 1 S. 2 BNatSchG keine zusätzliche Informa- tionspflicht der Wirtschaft dar, weil entsprechende Angaben gemäß § 17 Abs. 4 S. 2 BNatSchG auch im Rahmen der hergebrachten Arbeitsabläufe zu machen sind.

Darüber hinaus führt die Regelung in § 56a BNatSchG zu einer Erleichterung der Wirt- schaft. Denn die Bevorratung vorgezogener Maßnahmen nach § 56a BNatSchG ermög- licht eine zeitliche und personelle Entkoppelung von Eingriff und Kompensation. Sie ge- währt die Möglichkeit zur freiwilligen Bevorratung bzw. zum Ankauf von Kompensations- maßnahmen. Über die Handelbarkeit von Maßnahmen und die vorgesehene Übertragbar- keit der Verantwortung erhalten die Unternehmen eine wirtschaftlich effiziente Möglichkeit der Auslagerung (Outsourcing) an eine vom Bundesamt für Naturschutz anerkannte juris-

1 Verband der deutschen Höhlen und Karstforscher e.V., http://www.vdhk.de/ueber-hoehlen/schauhoehlen.html, Stand 14.07.2016.

tische Person. Das Ausmaß der hierdurch bewirkten Erleichterung hängt davon ab, ob und wenn ja, in welchem Umfang die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer von dieser Mög- lichkeit Gebrauch machen.

3. Erfüllungsaufwand für die Verwaltung:

Zu § 21 BNatSchG (Biotopverbund)

Die Vorschrift verursacht keinen Erfüllungsaufwand. Denn der darzustellende Erfüllungs- aufwand erfasst nur den Zeitaufwand und die Kosten, die durch die Vorschrift selbst ent- stehen. Die hier vorgeschlagene Regelung führt aber nicht dazu, dass die Bundesländer einen Biotopverbund einrichten müssen. Diese Pflicht besteht bereits auf der Grundlage des geltenden § 20 Absatz 1 BNatSchG. Die vorgeschlagene Regelung konkretisiert die- se Pflicht und strukturiert hierdurch den Prozess der Einrichtung, schafft aber keinen zu- sätzlichen Erfüllungsaufwand.

Zu § 30 BNatSchG (Biotopschutz: Höhlen und Stollen)

Die geplante Aufnahme natürlicher und naturnaher Höhlen in den gesetzlichen Bio- topschutz führt in der Verwaltung nicht zu erhöhten laufenden Aufwänden. Das bio- topschutzrechtliche Zerstörungs- und Beeinträchtigungsverbot bedarf keiner laufenden Vollzugshandlungen. Vereinzelt in extrem geringfügigen Fallzahlen denkbare – wenn überhaupt vorkommende – zusätzliche Prüfungshandlungen in baulichen oder anlagen- technischen Zulassungsverfahren, bzw. Verfahren zur Erteilung einer Ausnahme oder Befreiung sind zu vernachlässigen.

Auch mit Blick auf die Pflicht zur Führung eines Biotop-Registers (§ 30 Abs. 7 BNatSchG) folgt kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand der Verwaltung. Es wird davon ausgegangen, dass der Bestand an natürlichen und naturnahen Höhlen hinreichend bekannt ist. Auch mit Blick auf die ohnehin bestehenden Monitoring- und Berichtspflichten nach der FFH- Richtlinie ist nicht zu erwarten, dass es zu nennenswerten und bezifferbaren Mehrauf- wänden kommen wird.

Zu § 56a BNatSchG (Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen)

Die Regelung in § 56a BNatSchG führt zu einem Erfüllungsaufwand für die Verwaltung, der auf jährlich ca. 404.000 Euro geschätzt wird. Hinzu kommen 119.000 Euro einmalige Personal- und Sachaufwendungen.

Durch das in § 56a BNatSchG eröffnete freiwillige Verfahren entsteht ein zusätzlicher Er- füllungsaufwand, der im für den Vollzug zuständigen Bundesamt für Naturschutz anfällt. Die Zustimmung zu sowie die Bevorratung und die Anerkennung von vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen, die Anrechnung von bevorrateten Maßnahmen und die An- erkennung von juristischen Personen nach § 56a Abs. 3 BNatSchG sind für das zuständi- ge Bundesamt für Naturschutz neue Aufgaben. Bisher waren die rechtlichen Vorausset- zungen für eine Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen für die AWZ im Gesetz nicht anwendungstauglich konkretisiert.

Die schriftliche Zustimmung zu vorgezogenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (§ 56a Abs. 1 BNatSchG) zur Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen erfordert insbeson- dere die regelmäßige Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 BNatSchG, der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, von Gutachten zur Beurteilung der Maßnahme, der Dokumentation des Ausgangszustandes sowie eine Be- urteilung der naturschutzfachlichen Bedeutung.

Zudem ist die verbindliche Feststellung von Art, Ort, Umfang und Kompensationswert der genehmigten und durchgeführten Maßnahmen und die Buchung im Ökokonto (§ 56a Abs. 2 BNatSchG) laufend sicherzustellen.

Schließlich ist als dritte Vorgabe die Anerkennung von zur Übernahme von Kompensati- onspflichten berechtigten juristischen Personen (§ 56a Abs. 3 BNatSchG) zu gewährleis- ten.

Unter Zugrundelegung einer geschätzten Fallzahl von jährlich ca. sieben Verfahren zur Zustimmung zu und Feststellung von vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen sowie von einer geschätzten mittleren Fallzahl von jährlich sechs Anträgen zur Anerkennung von zur Übernahme von Kompensationspflichten berechtigten juristischen Personen, wird ein zusätzlicher Erfüllungsaufwand im BfN in Höhe von jährlich ca. 359.000 Euro erwartet. Der laufende Personalaufwand wird mit insgesamt 30 Personenmonaten im höheren Dienst und 18 Personenmonaten im gehobenen Dienst geschätzt. Hinzu treten 119.000 Euro einmalige Personal- und Sachaufwendungen. Der zusätzliche Aufwand führt zu ei- nem dauerhaften Mehrbedarf an personeller Ausstattung von 2,5 Stellen des höheren und 1,5 Stellen gehobenen Dienstes im BfN und zu einem einmaligen laufbahnübergreifenden Mehrbedarf von 13 Personenmonaten.

Durch das in § 56a BNatSchG eröffnete Verfahren entsteht zudem ein zusätzlicher Erfül- lungsaufwand bei den Benehmensbehörden, insbesondere bei dem mit relevanten Zu- ständigkeiten in der AWZ ausgestatteten Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Dies betrifft u. a. Prüfungen der Zulässigkeit vorgezogener Kompensationsmaß- nahmen bspw. nach dem Hohe-See-Einbringungsgesetz oder dem Seeaufgabengesetz. Der zusätzliche Aufwand führt zu einem geschätzten dauerhaften Mehrbedarf an perso- neller Ausstattung von 0,5 Stellen des höheren Dienstes im BSH.

Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln soll finanziell und stellenmäßig im jeweili- gen Einzelplan ausgeglichen werden.

IX. Weitere Kosten

Keine.

X. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Die Gesetzesänderung zu 4. betreffend das Schnittverbot schließt eine bestehende Rege- lungslücke und trägt damit zur Rechtsklarheit sowie der Rechtsvereinfachung bei. Die Regelung zu 5. bezüglich der artenschutzrechtlichen Vorschriften setzt höchstrichterliche Rechtsprechung um.

XI. Geschlechterspezifische Auswirkungen

Der Gesetzentwurf hat keine gleichstellungsspezifischen Auswirkungen.

XII. Demographie-Check

Von dem Vorhaben sind keine demographischen Auswirkungen – unter anderem auf die Geburtenentwicklung, Altersstruktur, Zuwanderung, regionale Verteilung der Bevölkerung oder das Generationenverhältnis – zu erwarten.

XIII. Zeitliche Geltung; Befristung

Eine Befristung der Gesetzesänderungen ist nicht erforderlich.

B. Besonderer Teil
Zu Nummer 1 (§ 21 Absatz 2 BNatSchG)

Mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes von 2002 wurde der länderübergreifende Biotopverbund in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen. Demnach sollen 10 % der Fläche eines jeden Landes vom länderübergreifenden Biotopverbund umfasst sein. Die- ses Ziel ist derzeit trotz gesetzlicher Festschreibung noch nicht erreicht worden. Das ergibt sich aus den Daten, die zur bisherigen Umsetzung des länderübergreifenden Bio- topverbundes vorliegen. Sie sind unter anderem das Ergebnis mehrerer vom Bundesamt für Naturschutz vergebener Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, letztmalig im Jahre 2010. Darüber hinaus erfolgte im Jahre 2012 eine erneute Datenerhebung zur Geeignet- heit von Offenland. Eine Gesamtbetrachtung der Zahlen führte zu dem Ergebnis, dass lediglich 6,0 % der Landesfläche Deutschlands als geeignete Flächen für den Biotopver- bund (FBV) mit länderübergreifender Bedeutung identifiziert werden konnten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Prozentsätze der jeweiligen Länder sehr stark divergieren, so- dass es in manchen Ländern keine oder nur sehr wenig geeignete Flächen gibt. Zur Be- stimmung der Eignung einer Fläche wurden die in einem Bund-Länder-Arbeitskreis erar- beiteten und im Jahre 2004 als Heft 2 (Empfehlungen zur Umsetzung des § 3 BNatSchG "Biotopverbund") der BfN-Schriftenreihe Naturschutz und Biologische Vielfalt von Burk- hardt et al.2 publizierten Kriterien herangezogen.

Neben der Eignung von Flächen ist für den länderübergreifenden Biotopverbund auch deren rechtliche Sicherung entscheidend. Diese kann nach § 21 Absatz 4 BNatSchG durch unterschiedliche Maßnahmen erfolgen. Datensätze liegen insoweit aber nur für FBV vor, die als Naturschutzgebiete, Nationalparks oder FFH-Gebiete gesichert sind. Dem- nach beläuft sich der Anteil der dauerhaft gesicherten Flächen nach Erhebungen aus dem Jahre 2015 bundesweit auf 3,3%. Dabei ist das sog. „Grüne Band“ entlang der ehemali- gen innerdeutschen Grenze die einzige großräumige länderübergreifende in größeren Bereichen gesicherte Verbundachse in Deutschland. Eine nach Bundesländern aufge- schlüsselte Zusammenstellung der für jedes Land festgestellten Prozentsätze ist nachfol- gender Tabelle zu entnehmen.

(...)

Ziel des länderübergreifenden Biotopverbundes ist die Förderung der biologischen Vielfalt und infolgedessen der effektive Schutz der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Natur- haushaltes.

Im Einzelnen sollen heimische Arten und Artengemeinschaften sowie ihre Lebensräume nachhaltig gesichert sowie funktionsfähige und ökologische Wechselbeziehungen in der Landschaft bewahrt, wiederhergestellt und entwickelt werden. Auch dient der länderüber- greifende Biotopverbund durch ökologische Kohärenz der Verwirklichung von Natura 2000 (Art. 3 Absatz 3 und Art. 10 FFH-RL). Wegen dieser hohen naturschutzfachlichen Bedeutung des länderübergreifenden Biotopverbundes sah die vom Bundeskabinett am 7. November 2007 beschlossene Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt dessen Reali- sierung auf 10 % einer Landesfläche bis 2010 vor. Dennoch wurde dieses Ziel nicht er- reicht. Darüber hinaus kann die Realisierung eines länderübergreifenden Biotopverbun- des zu einer verbesserten Planungssicherheit für Vorhabenträger beitragen.

Angesichts der Bedeutung der angestrebten Ziele, ist nun die Einführung einer Umset- zungsfrist bis 2025 erforderlich. Diese Regelung wird dem § 21 Absatz 2 als Satz 3 ange- fügt. Zusammenfassend erfolgt die Fristsetzung somit im Hinblick auf den bisher unzu- reichenden Realisierungsstand des länderübergreifenden Biotopverbundes und die oben dargestellte naturschutzfachliche Bedeutung.

Zu Nummer 2 (§ 27 Absatz 2 neu BNatSchG)

Die Vorschrift ergänzt die Ziele von Naturparken im Hinblick auf die Bildung für nachhalti- ge Entwicklung. Dies ist bereits heute eine zentrale Aufgabe vieler Naturparke. Die Vor- schrift erkennt dies an und formuliert einen allgemeinen Auftrag an die Naturparke, auch zukünftig Aktivitäten in diesem Bereich zu betreiben und ggf. zu verstärken. Hierdurch wird einerseits die Erreichung der in § 27 Absatz 1 genannten Zwecke befördert und an- dererseits die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Schutzziele der Naturparke erhöht.

Zu Nummer 3 (§ 30 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 BNatSchG)

Erfasst werden unterirdische Hohlräume im Gestein ohne Tageslichteinfluss mit weitge- hend konstanter kühler Temperatur, Frostfreiheit und hoher Luftfeuchtigkeit. Diese Hohl- räume werden vor allem aufgrund ihrer Funktion als Biotop für eine höhlentypische Fauna in ihrer Ausprägung als Höhlen oder Stollen geschützt und schließen den von Restlicht beeinflussten Eingangsbereich mit ein. Höhlen sind erfasst, soweit sie die für den Stand- ort typischen Tierarten beheimaten, unabhängig davon, ob sie touristisch genutzt werden. Dabei werden auch Höhlenbereiche erfasst. Nicht erfasst werden diejenigen Höhlen, die geschlossen sind bzw. an keiner Stelle eine erkennbare Verbindung zur Außenwelt auf- weisen. Tunnel, die für verkehrliche Zwecke angelegt wurden, gelten nicht als Stollen im Sinne dieser Vorschrift.

Der Schutz dieser Höhlen und Stollen ist erforderlich, um ihre Funktion als Lebensraum- typ für alle in Deutschland heimischen Fledermausarten und sonstige hochspezialisierte Arten zu erhalten. Letztere untergliedern sich in subtroglophile, eutroglophile und eutro- globionte Tiere. Subtroglophile Arten suchen die Höhlen zu bestimmten Jahreszeiten ge- zielt auf. Dazu gehören unter anderem Schmetterlings-, Köcherfliegen- und Mückenarten. Eutroglophile Arten finden in Höhlen optimale Lebensbedingungen, können sich dort fort- pflanzen und auf Dauer Populationen bilden; so beispielsweise zahlreiche Spring- schwanz- und Spinnenarten. Die eutroglobionten Arten leben ausschließlich in Höhlen. Sie haben ihren gesamten Lebenszyklus an das Höhlenleben angepasst. Hierzu gehören unter anderem der Höhlenflohkrebs der Gattung Niphargus und die Keller- Glanzschnecke.

Satz 3 nimmt die genutzten Höhlen- und Stollenbereiche vom Schutzbereich des § 30 aus. Damit soll insbesondere die gewerbliche, z.B. bergbauliche und touristische Nutzung weiter möglich sein. Ausgenommen sind auch Höhlen und naturnahe Stollen, soweit Maßnahmen zur Verkehrssicherung oder Gefahrenabwehrdurchgeführt werden. Diese Maßnahmen können der Verkehrssicherung sowohl in den Höhlen bzw. naturnahen Stol- len als auch im Bereich ihrer jeweiligen Geländeoberflächen dienen. Der neue Satz 3 gilt insbesondere auch für Maßnahmen, die Bergsenkungen vermeiden sollen, da solche er- hebliche Auswirkungen etwa auf die Verkehrsinfrastruktur wie Bundeswasserstraßen - Schleusen, Kanäle, Dämme - und die Vorflutverhältnisse betroffener Bereiche hätten. Die Sanierung der von Bergschäden betroffenen Wasserstraßeninfrastruktur würde unvertret- bare Kosten (darunter auch „Ewigkeitskosten“ dauerhaft zu betreibender Pumpwerke) verursachen und die Binnenschifffahrt aufgrund langfristiger Sperrungen während der Sanierungen massiv schädigen. Es geht dabei um die Auswirkungen großräumiger Ge- ländeabsenkungen in der Größenordnung mehrerer Meter, die durch Dammerhöhungen, den Neubau von Schleusen und Hebewerken und den Bau und Betrieb einer Vielzahl von Pumpwerken zu kompensieren wären. Im Falle des früher oder später stattfindenden Ein- sturzes ungesicherter Stollen würden die darin möglicherweise entstandenen Lebensge- meinschaften, ob wertvoll oder nicht, ohnehin zugrunde gehen. Im Sinne des Naturschut- zes wäre also kein Gewinn zu verzeichnen, die volkswirtschaftlichen Nachteile aber wären beträchtlich.

Zu Nummer 4 (§ 39 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 BNatSchG)

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2014 (Az.: 4 Ss 569/14) hatte das OLG Stuttgart ent- schieden, dass das nach § 69 Absatz 3 Nummer 13 BNatSchG bußgeldbewehrte Verbot des Abschneidens und auf den Stock Setzens nicht das vollständige Beseitigen des Landschaftselements erfasse, beispielsweise das vollständige Entfernen eines Baumes aus dem Erdreich mitsamt der Wurzel. Die Gesetzesänderung dient der Schließung die- ser Gesetzeslücke: denn aus naturschutzfachlicher Sicht steht das vollständige Entfernen einer Hecke deren Abschneiden gleich, so dass auch dieselben Rechtsfolgen hieran ge- knüpft werden sollten. „Beseitigen“ ist als neues Tatbestandsmerkmal weit und umfas- send gewählt und umfasst das Fällen, die Rodung sowie sonstige Arten der Beseitigung der in § 39 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 BNatSchG aufgeführten Gehölzes.

Zu Nummer 5 (§ 44 Absatz 5 Satz 1, 2 BNatSchG)

Zu Satz 1:

Die Privilegierung von artenschutzrechtlichen Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverboten soll für Vorhaben gelten, die im Rahmen der Eingriffsregelung sowie gemäß § 18 Absatz 2 Satz 1 im Rahmen des Baugesetzbuches ein behördliches umweltbezogenes Prüfungs- verfahren durchlaufen haben, das grundsätzlich die Möglichkeit bietet, naturschutzbezo- gene Konflikte zu bewältigen. Es wird damit klargestellt, dass die Inanspruchnahme einer artenschutzrechtlichen Privilegierung nicht von einer in jeder Hinsicht fehlerfreien Ein- griffsprüfung abhängt. Entscheidend ist, dass in einem behördlichen Verfahren angemes- sene Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung naturschutzrechtlicher Konflikte festge- legt wurden.

Zu Satz 2 Nr. 1:

Die Vorschrift schränkt den Tatbestand des § 44 Absatz 1 Nummer 1 in Übereinstim- mung mit der sich namentlich auf betriebs-, aber auch bau- und anlagenbezogene Risiken (z. B. bei Tierkollisionen im Straßenverkehr oder mit Windkraftanlagen, Baufeldfreima- chung) beziehenden Rechtsprechung (BVerwGE 134, 166, Rn. 42; BVerwG, Urt. v. 13.05.2009, 9 A 73/07, Rn. 86; BVerwG, Urt. v. 08.01.2014, 9 A 4/13, Rn. 99) dahinge- hend ein, dass der unvermeidbare Verlust einzelner Exemplare durch ein Vorhaben nicht automatisch und immer einen Verstoß gegen das Tötungsverbot darstellt. Vielmehr setzt ein Verstoß voraus, dass durch das Vorhaben das Tötungsrisiko für Individuen der be- troffenen Art signifikant erhöht wird. Der Bedeutungsgehalt von „signifikant“ wird nach der Rechtsprechung in einigen Urteilen auch mit dem Begriff „deutlich“ gleichgesetzt. Diese Einschränkung trägt dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Von Unvermeidbar- keit kann ausgegangen werden, wenn die gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaß- nahmen angewandt werden. Zudem kann auch für Vorhaben privater Träger die Ausnah- mevorschrift des § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 in Anspruch genommen werden, wenn zugleich hinreichend gewichtige öffentliche Belange ihre Realisierung erfordern. Im Be- reich der Windkraftanlagenerrichtung besteht ein über die Zielsetzung des EEG 2017 vermitteltes öffentliches Interesse an der weiteren nachhaltigen Entwicklung der Energie- versorgung und an der Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien am Stromver- brauch auf 40-45 % im Jahr 2025 und 55-60 % im Jahr 2035.

Zu Satz 2 Nr. 2:

Die Vorschrift bezieht sich auf die im Rahmen eines zugelassenen Eingriffs in Natur und Landschaft erforderlichen Maßnahmen, die zum Schutz der Tiere zur Erhaltung der Fort- pflanzungs- und Ruhestätten der wild lebendenden Tiere der besonders geschützten Ar- ten unternommen werden. Nach der neu einzufügenden Nummer 2, liegt kein Verstoß gegen die in § 44 Absatz 1 Nummer 1 BNatSchG verbotenen Handlungen des Nachstel- lens, des Fangens oder der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung ihrer Entwick- lungsformen vor, soweit sie im Rahmen einer erforderlichen Maßnahme zum Schutz der Tiere bzw. ihrer Entwicklungsformen und zur Erhaltung der Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätte erfolgen und die Beeinträchtigungen unvermeidbar sind.

Anlass für die Einfügung dieser Vorschrift ist die Rechtsprechung des Bundesverwal- tungsgerichts (Urt. v. 14.07.2011, Az.: 9 A 12 / 10, Rn. 130), wonach dem europarechtli- chen Verbot nach Art. 12 Absatz 1 FFH-Richtlinie, bestimmte geschützte Arten absichtlich zu fangen, auch solche Maßnahmen unterfallen, die im Rahmen einer vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme zur Umsetzung der Tiere unternommen werden.

Eine Anfrage bei der zuständigen Direktion der Kommission ergab, dass diese weitge- hende Interpretation des BVerwG nicht geteilt wird (s. Antwort der Kommission v. 18.11.2013, ENV B.3 SL/SB/sp Ares (2013)). Da die Ausgleichsmaßnahme gerade dazu diene, einen Schaden für die ökologische Funktion und Qualität der Fortpflanzungs- und Ruhestätte zu vermeiden und somit der geschützten Art zugutekomme, könne sie nicht als eine „absichtliche“ Handlung im Sinne des Verbots des Art. 12 der FFH-RL angesehen werden. Dass bei Umsetzungsmaßnahmen ein gewisses Risiko verbleibe und in Kauf genommen werden müsse, dass einzelne Exemplare zu Schaden kommen, sei nicht als absichtliche Schädigung anzusehen. Entscheidend sei, dass die Umsetzungsmaßnahme letztlich dem Schutz der Art diene und ihre beeinträchtigende Wirkung zeitlich beschränkt sei und mit Abschluss der Umsetzung ende. Bei den in Absatz 2 genannten Handlungen zum Zwecke der Umsiedlung unter Erhaltung der ökologischen Funktion der Fortpflan- zungs- oder Ruhestätte ist davon auszugehen, dass kein absichtlicher Verstoß gegen das Verbot nach Art. 12 Absatz 1 Buchstabe a) FFH-Richtlinie vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn die betroffenen Tiere oder ihre Entwicklungsformen in ihr ursprüngliches Habitat zurückgesetzt werden, dessen Funktion erhalten oder zeitnah wiederhergestellt wird.

Zu Satz 2 Nr. 3:

Die Nr. 3 übernimmt aus dem bisherigen Absatz 5 Satz 2 die Privilegierung vom Verbot nach Absatz 1 Nummer 3.

Zu Nummer 6 (§ 45 Absatz 7 Satz 1 BNatSchG)

Für den Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone(AWZ) ist schon bisher nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 i.V.m. § 58 Absatz 1 Satz 1 BNatSchG das Bundesamt für Naturschutz als zuständige Behörde für die Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach § 45 Absatz 7 BNatSchG anzusehen. Durch § 58 Absatz 1 Satz 1 wird das Bundes- amt für Naturschutz zur zuständigen Naturschutzbehörde für die AWZ bestimmt. Aller- dings spricht § 45 Absatz 7 bisher von den „nach Landesrecht (...) zuständigen Behör- den“ und bedarf daher insoweit der Auslegung. Die vorliegende Novelle nimmt in § 45 Absatz 7 BNatSchG durch Streichung der Wörter „nach Landesrecht“ eine Klarstellung vor.

Zu Nummer 7 (§ 56a BNatSchG)

Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschafts- pflege vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) wurde mit Ausnahme der Landschaftsplanung das gesamte naturschutzrechtliche Instrumentarium und damit auch § 16 BNatSchG im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels für anwendbar erklärt (§ 56 Absatz 1). Offen bleiben bisher jedoch diejenigen Punkte, die sich für den terrestrischen Bereich und das Küstenmeer aus Landesrecht ergeben (§ 16 Absatz 2). Nicht geregelt sind u.a. die Zustimmungsbedürftigkeit und Handelbarkeit von vorgezoge- nen Kompensationsmaßnahmen sowie der Übergang der Verantwortung nach § 15 Ab- satz 4 auf Dritte, die vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchführen.

Es soll daher mit § 56a eine neue Vorschrift eingeführt werden, um diese Lücke in Anleh- nung an bewährtes Landesrecht zu schließen und einen hinreichend konkreten gesetzli- chen Rahmen für vorgezogene Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auch in der AWZ zu schaffen. Die dadurch mögliche zeitliche Entkoppelung von Eingriff und Kompensation führt zu einer Flexibilisierung der Eingriffsregelung.

Die Bevorratung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels erfolgt in drei Schritten: Mit der Zustimmung des Bundesamts für Naturschutz zur Durchführung einer aufwertenden Kompensations- maßnahme wird im ersten Schritt die Anerkennungsfähigkeit, d.h. die naturschutzfachliche und -rechtliche Eignung dieser Maßnahme als Kompensationsmaßnahme für Eingriffe in der AWZ rechtsverbindlich bestätigt. Im Hinblick auf die Verortung der Kompensati- onsmaßnahme sind bereits hier die betroffenen Behörden zu beteiligen. Hierdurch erhal- ten die Vorhabenträger in einem frühen Stadium Planungssicherheit. Nach der zustim- mungsgemäßen Durchführung der Maßnahme im zweiten Schritt, die je nach Art der Kompensation ggf. im Hinblick auf ihre sonstige Zulässigkeit eine zusätzliche Genehmi- gung anderer Behörden erfordern kann (z.B. BSH nach Hohe-See-Einbringungsgesetz oder Seeanlagenverordnung), erfolgt im dritten Schritt die verbindliche Feststellung und Gutschrift auf dem Ökokonto durch das Bundesamt für Naturschutz. Der Inhaber kann seinen darin dokumentierten Anerkennungsanspruch nach § 16 Abs. 1 danach entweder selbst zur Erfüllung eigener Kompensationspflichten in späteren Zulassungsverfahren geltend machen oder an Dritte veräußern. Alternativ können Kompensationspflichten von anerkannten juristischen Personen mit befreiender Wirkung übernommen werden. Der durch die Handelbarkeit bevorrateter Maßnahmen und die Anerkennung juristischer Per- sonen als professionelle Anbieter entstehende Markt für marine Kompensationsmaßnah- men führt zu Flexibilität, besserer wirtschaftlicher Kalkulierbarkeit und Professionalisie- rung bei der Erfüllung naturschutzrechtlicher Kompensationspflichten. Maßnahmen kön- nen künftig zunächst eingriffsunabhängig zur späteren Verwendung entwickelt und bevor- ratet werden. Die anlassbezogene Entwicklung von Maßnahmen im Genehmigungsver- fahren bleibt wie bisher möglich.

Zu Absatz 1:
Die Durchführung vorgezogener Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen erfolgt nach Absatz 1 mit Zustimmung des Bundesamts für Naturschutz. Die Zustimmung ist ein materiell rein naturschutzfachlich- und -rechtliches Instrument, das sich ausschließlich auf die Anerken- nungs- und somit Bevorratungsfähigkeit der Maßnahme im Zusammenhang mit Eingriffen in der AWZ oder in den Festlandsockel bezieht. Sie ersetzt jedoch keine für Handlungen in der AWZ allgemein erforderlichen Zulassungen und sie schafft auch kein neues Zulas- sungserfordernis. Handlungen, die nicht die Maßnahmenbevorratung im Sinne von § 16 zum Ziel haben sind nicht nach Absatz 1 zustimmungsbedürftig. Die Zustimmung ist schriftlich zu erteilen, wenn die Maßnahme grundsätzlich geeignet ist, die Voraussetzun- gen von § 16 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 und 5 zu erfüllen und die beantragte Maßnahme den Zielen und anderen im selben Raum durchgeführten Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht widerspricht. Die Zustimmung erfolgt hinsichtlich der Ver- ortung der Kompensationsmaßnahme im Benehmen mit den in ihrem Zuständigkeitsbe- reich berührten Behörden. Dies sind insbesondere die für die Zulassung der Maßnahme nach sonstigem Recht zuständigen Behörden (z.B. BSH nach dem Hohe-See- Einbringungsgesetz).

Zu Absatz 2:
Art, Ort, Umfang und Kompensationswert von Maßnahmen, die die Zustimmung nach Absatz 1 erhalten haben und demgemäß durchgeführt worden sind (sog. „Vorleistungs- prinzip“), werden verbindlich festgestellt und einem sog. Ökokonto verbucht. Die Verbind- lichkeit der Verbuchung gibt dem Inhaber der bevorrateten Maßnahme die Sicherheit, diese später auch zu einem bestimmten Kompensationswert anerkennen lassen zu kön- nen. Diese Sicherheit ist zugleich Grundlage für den Handelswert der bevorrateten Maß- nahme. Zur Koordinierung und Planung der marinen Kompensation in der AWZ und im Bereich des Festlandsockels insgesamt ist auch für die AWZ und den Bereich des Fest- landsockels ein Kompensationsverzeichnis nach § 17 Absatz 6 zu führen. Satz 3 regelt die Übertragbarkeit des Anerkennungsanspruchs als Grundlage für die Handelbarkeit von vorgezogenen Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen. Mit der Möglichkeit des Kaufs einer von einem Dritten bevorrateten Maßnahme entsteht somit eine weitere Handlungsoption für Vorhabenträger, ihre Kompensationspflichten unter der Eingriffsregelung zu erfüllen.

Zu Absatz 3:
Auf Antrag beim Bundesamt für Naturschutz können juristische Personen die Anerken- nung und damit die Berechtigung erhalten, die Verantwortung für die Ausführung, Unter- haltung und Sicherung der Maßnahmen mit befreiender Wirkung zu übernehmen. Erfüllt eine juristische Person die Voraussetzungen der Nummern 1 und 2, hat sie einen An- spruch auf Anerkennung. Die Anerkennungsmöglichkeit nach Absatz 3 erlaubt dabei eine personelle Entkopplung von Eingriff und Kompensation und stellt zugleich sicher, dass die Kompensationspflichten nur auf hinreichend qualifizierte und zuverlässige juristische Per- sonen übertragen werden können. Eine weitere Erfüllungsmöglichkeit der Kompensati- onspflichten für Eingriffe in der AWZ oder in den Festlandsockel wird daher über die ver- tragliche Abwälzung mit befreiender Wirkung auf anerkannte juristische Personen eröff- net.

Zu Nummer 8 (§ 57 Absatz 1 BNatSchG)

Die Ergänzung des Absatzes 1 Satz 1 erfolgt, um eine frühzeitige Beteiligung der in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden im Stadium der Auswahl geeigneter Flächen zu gewährleisten.

Zu Nummer 9 (§ 57 Absatz 3 BNatSchG)

Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschafts- pflege vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) wurde mit Ausnahme der Landschaftsplanung das gesamte naturschutzrechtliche Instrumentarium und damit auch das des Gebiets- schutzes im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels für anwendbar erklärt (§ 56 Absatz 1). Darüber hinaus wurde die Vorschrift über geschützte Meeresgebiete über die bis dahin ausschließlich bestehende Möglichkeit zur Umsetzung der FFH- und Vogelschutzrichtlinie hinaus erweitert.

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sowie zur Ände- rung der Bundeswasserstraßengesetzes und des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom 6. Oktober 2011 (BGBl. I S. 1986) wurde schließlich ausdrücklich klargestellt, dass die Unterschutzstellung von Meeresgebieten auch der Umsetzung der Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaf- fung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Mee- resumwelt (ABl. L 164 vom 25.6.2008, S. 19) dienen kann (§ 56 Absatz 2).

Im Rahmen dieser Änderungen blieb § 57 Absatz 3 sowohl hinsichtlich des Einleitungs- satzes wie auch des Vorbehaltskataloges jeweils inhaltlich unverändert. Dies gilt insbe- sondere auch für die in Nummer 4 und 5 enthaltenen Verweise auf § 34. Dies hat zur Fol- ge, dass die dort genannten Nutzungen im Einzelfall nur im Hinblick auf durch die FFH- und Vogelschutzrichtlinie gebotenen Schutzzwecke beschränkt werden können. Dieses Ergebnis entspricht weder den Regelungszielen der genannten Gesetzesänderungen noch ist es mit der bestehenden Verpflichtung zur Umsetzung der Meeresstrategie- Rahmenrichtlinie vereinbar.

Es ist daher erforderlich, die im Einleitungssatz enthaltene Beschränkung auf Natura 2000-Gebiete entfallen zu lassen und die in Nummer 4 und 5 enthaltenen Verweise auf § 34 um weitere der Erfüllung bestehender völkerrechtlicher Verpflichtungen oder der Umsetzung der Richtlinie 2008/56/EG dienenden Schutzzwecke zu erweitern. Dabei er- fasst der Begriff der „bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen“ derzeit die regiona- len völkerrechtlichen Verträge „Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks“ (OSPAR) und „Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets“ (HELCOM). Die ursprüngliche gesetzgeberische Entscheidung, die in Nummer 4 und 5 genannten Nutzungen seitens des Verordnungsgebers keinem repressiven Verbot, sondern nur einer einzelfallbezogenen Prüfung unterwerfen zu können, soll dabei aufrecht erhalten bleiben. Daher ist für Schutzzwecke, die über die durch die FFH- und Vogelschutzrichtlinie gebotenen hinausgehen, keine Anwendung des Maßstabes nach § 34, sondern eine Prüfung auf erhebliche Beeinträchtigung dieser Schutzzwecke vorgesehen. Diese Schutzzweckprüfung gewährleistet das notwendige Schutzniveau, ohne jedoch den strikten Prüfungsmaßstab des § 34 BNatSchG aufzugreifen.

Zu Nummer 10 (§ 69 Absatz 3 Nummer 13 BNatSchG)

Der bestehende Tatbestand wird an die Ergänzung in § 39 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 angepasst.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Regelung zum Inkrafttreten folgt Artikel 72 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz. Regelungen zum Arten- und Meeresnaturschutz unterliegen nach Artikel 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Grundgesetz nicht der Abweichungsgesetzgebung und können sofort nach Verkündung in Kraft treten.

An­schreiben

An: die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks

Sehr geehrte Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks,

Ihr Haus plant eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes. Der Referentenentwurf ist jedoch inakzeptabel und schädlich. Insbesondere Änderungen in § 44 stellen eine große Gefahr für den Artenschutz dar.

Wenn das „Tötungsverbot“ weiter aufgeweicht wird, bedeutet das für zahllose Vögel und Fledermäuse den Tod durch Windkraftanlagen. Die notwenige Energiewende, die als neue Begründung für Ausnahmen vom Tötungsverbot angeführt wird, darf nicht zu Lasten des Artenschutzes gehen.

Auch bei anderen Maßnahmen wie dem Bau von Straßen, Stromtrassen und Industrieanlagen würde der Artenschutz durch die Novellierung vernachlässigt.

Bitte ziehen Sie den vorliegenden Gesetzentwurf zurück und stärken Sie den Artenschutz.

Mit freundlichen Grüßen

5-Minuten-Info zum Thema: Biodiversität

Die Ausgangslage: Warum ist Biodiversität so wichtig?

 

Biodiversität oder Biologische Vielfalt umfasst drei Bereiche, die sehr eng miteinander verbunden sind: die Artenvielfalt, die genetische Vielfalt innerhalb der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme wie z.B. Wälder oder Meere. Jede Art ist Teil eines hoch komplexen Beziehungsgeflechts. Stirbt eine Art aus, wirkt sich das auf viele andere Arten und ganze Ökosysteme aus.

Weltweit sind derzeit fast 2 Millionen Arten beschrieben, Experten schätzen die Anzahl weitaus höher. Tropische Regenwälder und Korallenriffe gehören zu den artenreichsten und am komplexesten organisierten Ökosystemen dieser Erde. Rund die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten lebt in den Tropenwäldern.

Die biologische Vielfalt ist für sich alleine schützenswert und gleichzeitig unsere Lebensgrundlage. Wir nutzen täglich Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medizin, Energie, Kleidung oder Baumaterialien. Intakte Ökosysteme sichern die Bestäubung von Pflanzen und die Bodenfruchtbarkeit, schützen uns vor Umweltkatastrophen wie Hochwasser oder Erdrutschen, reinigen Wasser und Luft und speichern das klimaschädliche CO2.

Die Natur ist auch die Heimat und zugleich ein spiritueller Ort vieler indigener Völker. Sie sind die besten Regenwaldschützer, denn besonders intakte Ökosysteme findet man in den Lebensräumen von indigenen Gemeinschaften.

Der Zusammenhang zwischen dem Verlust von Natur und der Ausbreitung von Pandemien ist nicht erst seit Corona bekannt. Eine intakte und vielfältige Natur schützt uns vor Krankheiten und weiteren Pandemien.

Die Auswirkungen: Artenschwund, Hunger und Klimakrise

 

Der Zustand der Natur hat sich weltweit dramatisch verschlechtert. Rund 1 Million Tier- und Pflanzenarten sind in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN sind derzeit 37.400 Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht - ein trauriger Rekord! Experten sprechen von einem sechsten Massenaussterben in der Geschichte der Erde - das Tempo des globalen Artensterbens ist durch den Einfluss des Menschen um Hunderte mal höher als in den letzten 10 Mio. Jahren.

Auch zahlreiche Ökosysteme weltweit - 75 % Landfläche und 66 % Meeresfläche - sind gefährdet. Nur 3% sind ökologisch intakt – z.B. Teile des Amazonas und des Kongobeckens. Besonders betroffen sind artenreiche Ökosysteme wie Regenwälder und Korallenriffe. Rund 50% aller Regenwälder wurden in den letzten 30 Jahren zerstört. Das Korallensterben nimmt durch den globalen Temperaturanstieg immer weiter zu.

Hauptursachen für den massiven Rückgang der Biodiversität sind die Zerstörung von Lebensraum, intensive Landwirtschaft, Überfischung, Wilderei und Klimaerwärmung. Rund 500 Milliarden US-Dollar jährlich werden weltweit in die Zerstörung der Natur investiert - in Massentierhaltung, Subventionen für Erdöl und Kohle, Entwaldung und Flächenversiegelung.

Der Verlust an Biodiversität hat weitreichende soziale und ökonomische Folgen, die Ausbeutung der Ressourcen geht zu Lasten von Milliarden Menschen im globalen Süden. Die UN kann die 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung z.B. die Bekämpfung von Hunger und Armut nur erreichen, wenn die Biodiversität weltweit erhalten und für die nächsten Generationen nachhaltig genutzt wird.

Ohne den Erhalt der Biodiversität ist auch der Klimaschutz bedroht. Die Zerstörung von Wäldern und Mooren – als wichtige CO2-Senken - heizt den Klimawandel weiter an.

Die Lösung: Weniger ist mehr!

 

Die natürlichen Ressourcen der Erde stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Knapp zwei Erden verbrauchen wir Menschen, bei derzeitigem Ressourcenverbrauch werden es 2050 mindestens drei sein. Um für den Erhalt der biologischen Vielfalt als unserer Lebensgrundlage zu kämpfen, müssen wir den Druck auf die Politik weiter erhöhen.
Und auch in unserem Alltag lässt sich viel bewegen.

Mit diesen Alltags-Tipps schützt man auch die biologische Vielfalt:

  1. Öfter mal pflanzlich: Mehr buntes Gemüse und Tofu auf den Teller oder am besten gar kein Fleisch! Rund 80% der Agrarflächen weltweit werden zur Tierhaltung und zum Anbau von Tierfutter genutzt.
  2. Regional und Bio: Ökologisch erzeugte Lebensmittel verzichten auf den Anbau von riesigen Monokulturen und den Einsatz von Pestiziden. Der Kauf von regionalen Produkten spart zudem Unmengen an Energie!
  3. Bewusst leben: Brauche ich schon wieder neue Klamotten oder ein Handy? Oder kann ich Alltagsdinge auch gebraucht kaufen? Es gibt gute Alternativen zu Produkten mit Palmöl oder Tropenhölzern! Tropische Haustiere wie z.B. Papageien oder Reptilien sind tabu! Berechne jetzt deinen ökologischen Fußabdruck.
  4. Werde Bienenfreund:in: Auf dem Balkon oder im Garten freuen sich Bienen und andere Insekten über vielfältige, leckere Pflanzen. Aber auch ohne eigenes Grün kann man in einem Naturschutzprojekt in der Region aktiv werden.
  5. Protest unterstützen: Demonstrationen oder Petitionen gegen die Klimaerwärmung oder für eine Agrarwende üben Druck auf Politiker:innen aus, die auch für den Schutz der biologischen Vielfalt verantwortlich sind.

Lesen Sie hier, warum so viele Arten aussterben, bevor sie überhaupt entdeckt werden.

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