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Torfsumpfwald Tripa: Brandrodung gefährdet Ökosystem

Foto: STRINGER/INDONESIA/ REUTERS

Sumatra Orang-Utan-Wald steht in Flammen

Eine der letzten Zufluchten für Orang-Utans auf Sumatra ist gefährdet: Der Torfsumpfwald in Tripa brennt seit Wochen, eine Palmölgesellschaft will das Gebiet roden, ein Gericht hat eine Klage von Naturschützern zurückgewiesen. Die ziehen vor die nächste Instanz - und aktivieren die Öffentlichkeit.
Von Simone Utler

Banda Aceh - Die Gefahr droht von mehreren Seiten. Vor Ort ist sie in Form von Flammen und Rauch zu sehen: Seit mehreren Wochen brennt es im Torfsumpfwald Tripa an der Westküste der indonesischen Insel Sumatra. Mehr als hundert Brandherde zählen Umweltschützer inzwischen. Außerdem wurden nach Angaben von Greenpeace und der indonesischen Naturschutzorganisation Walhi illegale Gräben ausgehoben, über die Wasser aus dem Sumpfgebiet abfließt und so die Brandgefahr noch weiter erhöht wird.

Doch die eigentliche Bedrohung wurde in der vergangenen Woche in einem Gerichtssaal deutlich: In der Provinzhauptstadt Banda Aceh ist eine Klage von Naturschützern gescheitert. Diese hatten versucht, gerichtlich die Genehmigung stoppen zu lassen, wonach der Palmölhersteller PT Kallista Alam eine 1600 Hektar große Fläche in Tripa roden und eine Plantage anlegen darf. Das Gericht erklärte sich für nicht zuständig. Die Parteien hätten sich zuerst um eine außergerichtliche Einigung bemühen müssen, hieß es zur Urteilsbegründung.

"Wenn das Gericht früher erklärt hätte, dass es nicht zuständig ist, hätte man den Fall gleich an eine höhere Instanz reichen können", kritisiert der Biologe Ian Singleton , der das Sumatran Orangutan Conservation Programme  (SOCP) leitet und seit Jahren für den Erhalt des Walds in Tripa kämpft. "Man könnte das Verhalten der Richter als lächerlich bezeichnen, wenn es nicht so fatal für mindestens 200 vom Aussterben bedrohte Orang-Utans wäre."

Indonesien steht kurz davor, dem Tripa-Wald den Todesstoß zu versetzen - und damit sind auch die vom Aussterben bedrohten Sumatra-Orang-Utans in Gefahr. Insgesamt gibt es nur noch rund 6600 Menschenaffen auf Sumatra, in Tripa lebt die dichteste Population, die auch für die Forschung extrem wichtig ist. "Sie könnte Aufschluss über den Ursprung der menschlichen Kultur geben", sagt Regina Frey, Leiterin und Gründerin der Schweizer Organisation PanEco , die sich seit Jahrzehnten in Sumatra engagiert. Die Population in Tripa habe die Fähigkeit entwickelt, Werkzeuge zu benutzen. "Wenn Tripa wieder aufgeforstet werden könnte, können dort 2000 bis 3000 Orang-Utans leben", so Frey.

Zerstörung des Moors setzt enorme Mengen Kohlendioxid frei

Doch nicht nur die Orang-Utans sind in Gefahr. Der Torfsumpfwald ist außerdem die Heimat von Elefanten, Tigern und Nashörnern und versorgt die lokale Bevölkerung mit Trinkwasser, Fisch sowie Nahrungs- und Heilpflanzen. "Tripa ist ein Hotspot an Biodiversität und als solcher von Unesco und Unep anerkannt", betont Frey. Außerdem komme dem Wald eine wichtige Schutzfunktion bei einem möglichen Tsunami zu: "Der Wald könnte einströmende Wassermassen absorbieren."

Tripa ist einer der letzten drei Torfsumpfwälder an der Westküste Sumatras und gehört zu dem unter Naturschutz stehenden Leuser-Ökosystem. In den vergangenen Jahren mussten der Organisation Rettet den Regenwald  zufolge bereits drei Viertel des geschützten Tripa-Waldes Palmölplantagen weichen. Nur noch 12.000 der ursprünglich 60.000 Hektar seien noch unversehrt. Einer der Hauptakteure ist die Palmölfirma PT Kallista Alam, die eine offizielle Genehmigung zum Abholzen erhalten hat, obwohl eigentlich ein zweijähriges Moratorium auf Rodungen besteht.

Zur landwirtschaftlichen Nutzung der Sumpfwälder ziehen Palmölfirmen zunächst Kanäle, um die Böden zu entwässern und das wertvolle Holz zu schlagen. Ist der Boden erst entwässert, trocknet der Torf aus. Der Kohlenstoff aus der Erde oxidiert und wird zu CO2. Dies wandert in die Atmosphäre und heizt das Klima an. Durch Abholzen und Entwässern werden laut Rettet den Regenwald bis zu 25 Prozent der weltweiten Treibhausgase produziert

"Die Zerstörung dieses Moors setzt enorme Mengen an Kohlendioxid frei, was gegen internationale Abkommen verstößt, die Indonesien unterschrieben hat", betont Rettet den Regenwald. Schon jetzt gehöre Indonesien aufgrund der ungezügelten Entwaldung zu den größten globalen Klimasündern. Insgesamt könnte die Freisetzung von 120 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden, wenn in Tripa in den nächsten 30 Jahren keine neuen Plantagen errichtet würden, so die Naturschützer. Schließlich habe das Land angegeben, seine Emissionen um 26 Prozent zu reduzieren.

Nach Einschätzung von PanEco riskiert Indonesien mit dem Urteil zu Tripa das eine Milliarde Dollar schwere Paket, das Norwegen für den Klimaschutz zugesagt hat. Indonesien hatte sich in einer Klimaschutzvereinbarung im Rahmen des Uno-Waldschutzprogramms REDD+ gegenüber Norwegen verpflichtet, im Gegenzug weniger Bäume abzuholzen.

"Das Urteil ist sehr ärgerlich, war aber zu erwarten", sagt Frey. "Schließlich gibt es in Indonesien einen ständigen Widerspruch zwischen dem Gesetz und der Palmöllobby, den diese leider meist für sich entscheiden kann." Ihrer Organisation gehe es aber nicht nur um die Konzession für Kallista Alam, über die gerade das Gericht entschieden hat und die ein relativ kleines Terrain betrifft - sondern um das gesamte Gebiet von 60.000 Hektar.

"Quasi gesetzlose Zeit" in der Provinz Aceh

Nach Einschätzung von Frey spielt den Konzernen in die Hand, dass sich Aceh in einer "quasi gesetzlosen Zeit" befindet. Am Montag fanden in der Provinz Gouverneurswahlen statt - der bisherige Gouverneur Irwandi Yusuf stellte sich der Wiederwahl. Obwohl er selbst vor einigen Jahren für die Provinz ein Moratorium erlassen hat, wonach keine Abholzungskonzessionen vergeben werden dürfen, erteilte er Kallista Alam die Erlaubnis zur Abrodung in Tripa.

Yusuf dementierte am Wochenende, dass mindestens hundert Orang-Utans gestorben seien, seit das Gebiet in Tripa gerodet wird. Seine Inspektoren hätten das Gebiet untersucht und "kein einziger Orang-Utan war da", sagte er einem Bericht der australischen Website WAtoday.com.au zufolge. Gleichzeitig räumte er ein, dass seine Entscheidung, PT Kallista Alam eine Konzession zu erteilen, "zwar nicht gesetzlich, aber zumindest moralisch falsch" gewesen sei. Er sagte, er hasse die Palmölfabrik und habe zwölf Monate lang ihrem Drängen widerstanden. Die Vergabe der Konzession begründete Yusuf mit einem sehr kruden Motiv: Er habe auf internationale Missstände hinweisen wollen.

Naturschützer Graham Usher, der auf Sumatra lebt und arbeitet, kritisiert diese Strategie: "Das ist in etwa so, als setzten wir unser eigenes Haus in Brand, um auf Versäumnisse bei der Feuerwehr aufmerksam zu machen."

Frey ist überzeugt, dass die derzeit schwelenden Brände von Menschen gelegt wurden - um Fakten zu schaffen: "Wenn der Wald erst einmal zerstört ist, können sich die Firmen zurücklehnen und sagen: Hier ist nichts Schützenswertes mehr."

Die Aktivisten von Walhi wollen nun vor das Verfassungsgericht ziehen. "Aber je länger wir warten, umso schlimmer wird die Situation in Tripa", sagte Kamaruddin, der Anwalt der Kläger. Die Umweltschützer setzen inzwischen auf die Unterstützung der Öffentlichkeit und haben eine Online-Petition  ins Leben gerufen. Weltweit haben bereits mehr als 30.000 Menschen unterschrieben.

Besonders erschreckend an dem ganzen Fall: Das Gebiet von Tripa eignet sich den Umweltschützern zufolge überhaupt nicht für Palmölplantagen. "Wenn das Gebiet einmal abgeholzt ist, versalzt es und kann nicht als Agrarland genutzt werden", so Frey.