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Regenwald Report 01/2024 · Bergbau

Kein Nickel für E-Autos! Die starken Frauen von Sulawesi

Die Frauen aus Torobulu Wir haben ein gemeinsames Ziel: JA zum Leben, NEIN zum Bergbau. Die Frauen aus Torobulu werden dafür kriminalisiert (© Rita Glaus)

Die indonesische Insel Sulawesi ist das Epizentrum der Nickelindustrie weltweit. Für die Bevölkerung wird die Zerstörung ihrer Umwelt und Lebensquelle zur Hölle. Vor allem die Frauen sind davon betroffen – und leisten Widerstand. Ein Frauenteam von Rettet den Regenwald und einem internationalen Anti-Bergbau-Netzwerk reiste nach Sulawesi – zur Unterstützung und aus Solidarität.

Karte Sulawesi © Rettet den Regenwald e.V.

„Als Pfefferbäuerinnen leben wir im Wohlstand. Wir haben ein Haus, unsere Kinder können in die Schule und Universität gehen. Und während der Anbau- und Erntezeit werden hier bis zu 10.000 Saisonarbeiter beschäftigt – mit einem Tageslohn bis zu 10 Euro! Wir brauchen den Bergbaukonzern PT Vale nicht für unseren Lebensunterhalt!“

Das sagt uns Hasna, Bio-Bäuerin in der 5-Dörfer-Gemeinde Loeha Raya in Südsulawesi. Wir stehen mit ihr in einer großen Plantage aus Pfeffersträuchern, die etwa 800 Familien ein gutes Einkommen ermöglichen.

Für unsere „grüne“ Energie wird hier die Natur zerstört 

Wir – das sind Guadalupe Rodríguez und Rita Glaus von Rettet den Regenwald sowie Natalie Lowrey aus Australien und Lynda Sullivan aus Nordirland. Unser 4-Frauen-Team ist vereint im internationalen Netzwerk „Yes to Life – No to Mining“. 

Nickelabbau in Zentralsulawesi Kahlschlag und Vertreibung – alles für den Nickelabbau in Zentralsulawesi (© WALHI Sulsel)

Im Oktober 2023 sind wir nach Sulawesi gereist, um mit den Frauen vor Ort über die Folgen des Bergbaus für die Natur und ihr Land und für das Leben ihrer Familien zu sprechen. Unser Ziel: Wege zu finden, um sie zu unterstützen. 

2.000 Kilometer und neun Tage waren wir unterwegs. Und erlebten die rasante Ausbreitung des Bergbaus im Namen des „Grünen Energiewandels“: Nickelminen, Sandabbau, Schmelzhütten und Ölpalmplantagen wechselten sich ab; Lastwagen mit Palmfrüchten, Baumaterial und Kohle begleiteten uns. Das Nickel für die Akkus der sauberen E-Autos benötigt viel Energie, die mit eigens dafür errichteten Kohlekraftwerken produziert wird. Die Infrastruktur, die zur Anlieferung der Kohle und für den Abtransport der Nickelprodukte gebraucht wird, prägt die Landschaft mit Baustellen für Brücken, neue Straßen, Häfen und einem Flughafen – alles im Dienst dieser boomenden Industrie.

„Wir wollen keinen Bergbau – wir haben eigene Unternehmen.“

Hasna, Pfefferbäuerin

Internationale Unternehmen beuten die Nickelminen global aus – der brasilianische Bergbaugigant Vale gehört zu den drei größten der Welt. Er steht für all das, was man bei einem Bergbauprojekt befürchten muss. Zum Beispiel war Vale für einen Dammbruch in Brasilien verantwortlich, bei dem 270 Menschen starben. 

Pfefferkörner werden auf großen Matten verteilt und getrocknet Die Pfefferkörner werden auf großen Matten verteilt und in der Sonne getrocknet (© WALHI Sulsel)

In Deutschland wird der Abbau von sogenannten kritischen Rohstoffen wie Nickel für Batterietechnologien als entscheidend angesehen. In einem Bericht des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung von Ende 2022 steht: „Nickel beginnt gerade erst, ins globale Rampenlicht zu rücken, da die Nachfrage der Batteriehersteller steigt.“ Nickel wird für Elektrofahrzeuge, aber auch für Windturbinen und Nuklearanlagen verwendet.

Während deutsche Behörden planen, wie sie an Nickel für Elektroautos kommen, wehren sich Frauen in Sulawesi gegen die Ausweitung der Minen, denn das Gemeindegebiet wurde in den sogenannten Tanamalia-Bergbaublock miteinbezogen. Zwei Drittel des Waldes und die Pfefferfelder würden zerstört werden – insgesamt 17.000 Hektar. 

Die Frauen möchten, dass auch ihre Stimme gehört wird. Das Land, der Wald, der See sind ihre Lebensquelle, ihre Identität. Deshalb gründete die Pfefferbäuerin Hasna mit den Frauen aus ihrer Gemeinde die Gruppe „Loeha Raya Women Fighters“.

Vales Konzession in der Region umfasst bereits 118.000 Hektar. In ganz Sulawesi werden 370.000 Hektar für den Nickelabbau genutzt und es gibt Genehmigungen für mehr als 500.000 Hektar. Die Frauen von Loeha Raya haben also allen Grund, sich Sorgen zu machen. Die Genehmigung von Vale läuft im Dezember 2025 aus. 

Collage : Frauen aus Tompira verarbeiten Muscheln zu Snacks und verpacken sie für den lokalen Verkauf Die Frauen aus Tompira verarbeiten Muscheln zu Snacks und verpacken sie für den lokalen Verkauf (© Guadalupe Rodriguez)

Reise in die Hölle auf Erden 

Der Tanamalia-Regenwald gehört zu den letzten unberührten Regenwäldern in Südsulawesi. Er liefert das Trinkwasser für die Bevölkerung von Loeha Raya und ist ein wichtiger Lebensraum für Flora und Fauna. Sein ökologischer Wert ist nicht nur für die Gemeinde bedeutend, sondern auch für das Schutzgebiet am Towuti-See.

Die Frauen laden uns ein, mit ihnen die Insel Mata Dewa (das Auge Gottes) zu besuchen. In dieser wunderschönen Umgebung möchten sie uns ein Gefühl dafür geben, was die Wälder und der See ihnen bedeuten. Wenn Vale die Frauen vertreibt, wird ihre enge Beziehung zur Natur zerstört. Wir verstehen, wie gewaltig die Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen ist.

Unsere Reise führt uns weiter Richtung Zentralsulawesi – in die Gemeinde Tompira. Auch hier wehren sich die Frauen gegen den Nickelabbau, indem sie ihr eigenes Unternehmen gründeten. „So vermeiden wir, von dieser schmutzigen Industrie Arbeit und Geld zu bekommen“, erklärt Anty von der Organisation „Gemeinschaft für die Betreuung von Frauen und Kindern“. Die Männer ernten Muscheln im Fluss und die Frauen verarbeiten die Produkte für den lokalen Verkauf. „Dafür haben sich zwölf Frauen zu einer Kooperative zusammengeschlossen und das Modell wurde von anderen Gemeinden übernommen“, so Anty. Allerdings ist ihr Unternehmen gefährdet, denn für den Sandabbau wird der Flussboden abgesaugt und viel Sediment aufgewirbelt, wodurch Muscheln flussabwärts nicht gut wachsen können.

Als wir Tompira verlassen, werden wir mit der Hölle auf Erden konfrontiert: Nach stundenlanger Fahrt übernachten wir in Labota, mitten im Morowali Industrial Park (IMIP), dem weltweiten Epizentrum der Nickelproduktion für den boomenden Markt der Elektrofahrzeuge. 81.000 Menschen arbeiten hier, meist unter schlechtesten Bedingungen, die seit 2020 schon 30 Tote gefordert haben.

Luftaufnahme eines qualmenden und in den Regenwald gerodeten Industriekomplexes Nicht nur Nickelabbau ist verheerend. Auch die industrielle Verarbeitung verseucht Luft, Böden und Gewässer in Morowali (© Aliansi Sulawesi)

Obwohl wir über die Auswirkungen des Bergbaus gut informiert sind und seit Jahrzehnten Gemeinden unterstützen, die sich wehren, übertrifft das, was wir in dem 2.000 Hektar großen Industriegebiet sehen, unsere Befürchtungen. Noch vor einem Jahrzehnt war Labota ein Fischerdorf. Jetzt bestimmen Kohlekraftwerke, Stahlwerke und Schmelzhütten, Kräne und Strommasten die Landschaft. Es werden zwei Tage voller Lärm, Dreck, Schlamm, Staub und Müll. Alle Menschen in der Gegend müssen damit rechnen, dass sie vertrieben werden, um noch mehr Platz für die wachsenden Industrien zu schaffen. Alles ist völlig unmenschlich.

Waldfrauen haben eine starke Verbindung zur Natur. Sie haben Angst vor den Auswirkungen des Bergbaus: Überschwemmungen, Verschmutzung, Erdrutsche und Klimawandel. 

Herli, Aliansi Sulawesi

Am Ende unserer Reise treffen wir in Torobulu in Südostsulawesi Frauen, die kriminalisiert werden, weil sie sich gegen die Ausweitung des Bergbaus wehren und ihr Recht auf eine gesunde Umwelt und den Schutz der Natur verteidigen. Wir werden mit einem spektakulären Essen empfangen. Die Erwartungen an unseren Besuch sind hoch – wir sind die erste Frauengruppe, die sie besucht, um Solidarität und Unterstützung anzubieten. Und um ihre Geschichten zu hören. 

Eine von ihnen ist Mama Kilia. Sie führt den Widerstand an und erzählt uns, dass ihrer Gruppe ein Gerichtsverfahren droht wegen ihrer Proteste und Aktionen gegen den Bergbau. Während unseres Gesprächs kommt ihr kleiner Sohn, möchte umarmt werden. Mama Kilia tröstet und bittet ihn dann, zu seinem Vater zurückzugehen, der mit einer größeren Gruppe in der Nähe steht. Das Kind weint verzweifelt. „Er ist traumatisiert“, erklärt uns Mama Kilia. „Er war dabei, als die Polizei mich festgenommen und gewaltsam weggebracht hat. Deshalb hat er ständig Angst, dass so etwas wieder passiert.“ Diese Angst ist immer präsent – inzwischen haben 26 Frauen eine Anzeige erhalten. 

Am Ende unseres Besuches tanzen wir gemeinsam einen traditionellen Tanz – auch, um Spannungen abzubauen. Wir sollten nicht vergessen, wie sehr unser Konsum in den nördlichen Gesellschaften das Leben der Frauen auf dieser Seite des Planeten belastet. 

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Helmhornvogel auf Sulawesi Der Helmhornvogel lebt auf Sulawesi und vier Nachbarinseln – noch... (© miroslav chytil/Shutterstock.com)

Unsere Reise durch Sulawesi hat gezeigt, wie dramatisch die Menschen von der Ausbreitung des Nickelbergbaus betroffen sind. Und die Bedrohung wird sich mit der Energiewende weiter verschärfen.

Deshalb unterstützen wir Gemeinden, die ihre Wälder und ihre Lebensgrundlagen gegen Ausbeutung und Zerstörung durch den Bergbau verteidigen. Seit vielen Jahren arbeiten wir mit der „Aliansi Sulawesi“ zusammen, eine Allianz für Naturschutz und Menschenrechte auf der Insel.

Bitte tragen Sie mit Ihrer Spende dazu bei. Damit die Frauen und ihre Familien auch in Zukunft aus eigener Kraft von und mit ihrer Natur leben können. Danke!

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