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RegenwaldReport 03/2010

Die Lerche singt nicht mehr

Mit Biogasanlagen wollen unsere Politiker das Klima retten, ihre Betreiber werden mit hohen Vergütungen belohnt. Monokulturen aus Mais begraben nun die Lebensräume der Tiere und Pflanzen. Mit Klimaschutz hat das nichts zu tun – und die Artenvielfalt macht sich vom Acker

Links: Im Kreis Steinburg in Schleswig- Holstein gibt es zwischen den Feldern noch Knicks und Bauminseln. Doch der Mais (vorn) breitet sich aus Rechts: Silomais in Monokultur im Norden von Hamburg – hier haben Ackervögel keine Chance. Auf dem Schild wirbt der Züchter für seine SorteLinks: Im Kreis Steinburg in Schleswig- Holstein gibt es zwischen den Feldern noch
Knicks und Bauminseln. Doch der Mais (vorn) breitet sich aus Rechts: Silomais in
Monokultur im Norden von Hamburg – hier haben Ackervögel keine Chance. Auf dem
Schild wirbt der Züchter für seine Sorte

Hoch über dem Feld singt die Lerche, und auf dem feuchten Grasland suchen die Störche nach Fröschen. Kühe weiden auf Wiesen, die nach Sommer riechen, wo Pflanzen und Tiere eine artenreiche Lebensgemeinschaft bilden: Gräser und Blumen, Kiebitze, Hummeln, Regenwürmer, Laubfrösche, Zitronenfalter, Heupferde, Hasen und Igel.

Das war früher.

Jetzt verschwinden die Wiesen unter einem Meer aus Mais – zwei Meter hoch und oft bis zum Horizont. Keine Bauminseln oder Knicks, keine blühenden Säume trennen die Millionen Pflanzenstängel – nur Höfe für Massentierhaltung, gewaltige Silage-Berge und die Kuppeln der Biogasanlagen.

Wie überdimensionierte Pilze schießen in unserer Ackerlandschaft die Biogasanlagen empor; immer schneller und immer größer. 4500 gab es 2009, in diesem Jahr sollen weitere 800 Anlagen ans Netz gehen, schätzt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR).

Auslöser für diesen Boom ist das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG),vor allem seine beiden Novellen 2004und 2009. Das Gesetz wurde zur Jahrtausendwende von der rot-grünen Bundesregierung verabschiedet, um den Anteil der „alternativen“ Energien aus Sonne, Wind, Wasserkraft oder Biomasse zu erhöhen. Mit satten Vergütungen und Boni macht man den Kraftwerksbetreibern die Investitionen schmackhaft. So hat sich in den letzten zehn Jahren der Anteil der erneuerbaren Energien z.B. bei der Stromerzeugung mehr als verdoppelt.

Biomasse gilt inzwischen als wichtigste erneuerbare Energiequelle. Heute deckt der Stoff aus Acker- und Forstwirtschaft in Form von Strom, Wärme oder Kraftstoffen sieben Prozent des Primärenergiebedarfs in Deutschland. Für den Anbau von Palmöl werden u.a. in Indonesien, Malaysia und Kolumbien die Regenwälder vernichtet: Millionen Hektar Ölpalmplantagen sollen die steigende Nachfrage nach Agroenergie in Deutschland und der EU befriedigen.

Biogas aus heimischem Anbau zu nutzen, schien dagegen ein guter Weg, um die Energie lokal zu erzeugen. Denn in den Biogasanlagen lässt sich die Gülle aus der Massentierhaltung sinnvoll weiterverwerten, anstatt sie auf den Feldern und Wiesen zu entsorgen, wo sie enorm die Gewässer und Böden belastet. Und die Anlagen stehen direkt neben den Bauernhöfen, denen sie Strom und Wärme liefern sollen. Kleine,geschlossene Anlagen und kurze Wege – so die Ursprungsidee.

Doch schnell stellte sich heraus, dass Gülle allein nicht ergiebig genug ist, um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen. Dafür braucht man hocheffiziente Energiepflanzen – und kam auf Mais als „Hoffnungsträger“. Um seinen Anbau zu forcieren, schuf die erste EEG-Novelle 2004 den NawaRo-Bonus, ein Bonus für nachwachsende Rohstoffe wie Silomais. Pro eingespeister Kilowattstunde bekamen die Landwirte mit kleinen und mittleren Biogasanlagen 6 Cent zusätzlich zur Grundvergütung. Die zweite Novelle 2009 erhöhte auf 7 Cent und setzte einen Güllebonus obendrauf.

Der Startschuss für das Artensterben war gefallen.

Denn dort, wo es Getreidefelder gab, Brachen, Weiden und Feuchtwiesen, dehnen sich rasant die Maismonokulturen aus; 530.000 Hektar waren es im letzten Jahr, bis zu 900.000 sollen es 2020 sein, prognostiziert das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Dann wäre, bildlich betrachtet, halb Sachsen mit Mais bepflanzt.

Doch auf intensiv bewirtschafteten Maisfeldern, die gespritzt und gedüngt werden, können vor allem die Vögel nicht überleben. „Den Ackervögeln geht es schlecht“, sagt Dr. Krista Dziewiaty. Die Biologin hat im Auftrag des Bundesumweltministeriums die Auswirkungen der Bioenergie auf die Artenvielfalt in Deutschland erforscht – und Auswege aus dem Drama gesucht.

In der Mais-Monokultur können Ackervögel nicht mehr brüten

„Kiebitze, Braunkehlchen, Rebhuhn und alle anderen Arten, die ihre Nester im Schutz des Beikrauts auf dem Ackerboden bauen, haben keine Chance. Denn jedes Kraut stört das Maiswachstum und wird totgespritzt. Ohne Deckung aber wird das Gelege von Raubvögeln oder Füchsen geplündert.“ Der Bestand der Vogelarten, die auf landwirtschaftlich genutzten Flächen brüten, ist bereits seit 30 Jahren im Sinkflug. Auch deshalb, weil die Landwirte ihre Äcker immer häufiger zusammenlegen, vor allem in den neuen Bundesländern. Denn Knicks, blühende Wegränder und Bauminseln behindern die Maschinen. Doch das Grün würde immerhin die Lebensräume der Tiere vernetzen.

„Unsere intensive Landwirtschaft als Ganzes ist ein Problem für die Artenvielfalt“, sagt eine Mitarbeiterin vom Bundesamt für Naturschutz (BfN), die nicht genannt werden möchte. „Die Energiepflanzen für Biogas haben das Problem nur verschärft – und durch die Vergütungen noch verschlimmert.“

Der Biogas-Boom ist politisch gewollt, deshalb wird es den Landwirten leicht gemacht, an zusätzliche Anbauflächen für Energiepflanzen zu kommen: Seit 2007/2008 sind die Betriebe nicht mehr verpflichtet, Ackerflächen stillzulegen, und gleich im ersten Wirtschaftsjahr wurden landesweit 50 Prozent aller brachliegenden Flächen umgepflügt. „Damit geht dieses Land nicht nur als CO2-Senke verloren, sondern auch als Lebensraum“, sagt Krista Dziewiaty. „Insekten, Vögel und Säugetiere haben diese Brachen als ökologische Nischen genutzt und die blühenden Kräuter zur Nahrung und Deckung.“

Dasselbe gilt für wertvolles Grünland, das Zug um Zug unter Maisäckern begraben oder für die Biogas-Silage intensiv genutzt wird. „Wenn die Wiesen drei- bis viermal im Jahr gemäht und nicht mehr beweidet werden, können Wiesenvögel nicht überleben.sagt auch Klaus Dürkop; der ehemalige Nabu-Präsident ist heute Landesnaturschutz-Beauftragter von Schleswig-Holstein. Mit den Weiden und Feuchtwiesen verschwinden auch die Störche. „200 Paare brüten bei uns in Schleswig-Holstein, früher sah man hier 3.000 bis 4.000.“ Naturschutz, meint Klaus Dürkop, brauche bäuerliche Kultur. „Was wir hier haben, hat mit Landwirtschaft nichts mehr zu tun – sie ist zu einem reinen Industriezweig geworden.“

Immer größer werden die Biogasanlagen und immer öfter sind die Betreiber gar keine Landwirte mehr, sondern Investoren, die den Mais kaufen oder Äcker und Wiesen von den umliegenden Höfen pachten. So werden die Entfernungen zwischen Energiepflanze und Biogasanlage immer größer und die Pachtpreise haben sich durch die Nachfrage verdoppelt und verdreifacht. Milchbauern können sich eine Neupacht nicht mehr leisten. Und längst wachsen in Deutschland die Widerstände fast so schnell wie die Anlagen.

Anbau Nachwachsender Rohstoffe in DeutschlandDer Flächenbedarf für nachwachsende Rohstoffe betrug 2009 knapp zwei Millionen Hektar. Nach der Novellierung des EEG im Jahr 2004 war der Anstieg besonders dramatisch. Pflanzen für Biogas (Mais und Getreide) stehen nach Raps für Biodiesel an zweiter Stelle. Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe






 

„Die EEG-Vergütungen müssen auf den Prüfstand, der NawaRo- Bonus muss gesenkt und an Naturschutzauflagen geknüpft werden,“ fordert die Mitarbeiterin vom BfN und fügt hinzu: „Mais ist kein Abfallprodukt wie Gülle oder Reststoffe aus der Landwirtschaft, sondern muss mit hohem Aufwand jedes Jahr neu angebaut, bewässert, mit Stickstoff und Herbiziden behandelt werden. Mais, auf extra dafür umgebrochenen Grünlandflächen für den Biomasseanbau hat mit Klimaschutz nicht mehr viel zu tun.“ Sie fordert deshalb unter anderem, dass ein Landwirt auf zehnProzent seiner Fläche der Natur den Vorrang lässt. Und das wäre nur ein erster Kompromiss.

Doch wenn sogar die Feldlerche, die für uns immer ein „Allerweltsvogel“ war, heute auf der Roten Liste steht – haben wir dann noch Zeit für Kompromisse?

Bedrohte Vogelarten: Eine Auswahl
Bedrohte Vogelarten: Eine AuswahlDas Rebhuhn in großer Not: Flurbereinigung und Maschinen zerstören Nahrung und Nester Die Feldlerche brütet auf Äckern und Wiesen. Ihr Bestand ist um bis zu 90 Prozent gesunken Der Weißstorch kann seine Jungen nicht mehr ernähren, wenn die Feuchtwiesen verschwinden Der Kiebitz braucht Dauergrünland für Nahrung und Nestbau. Er ist stark gefährdet.


Unterschriftenliste als PDF zum Ausdrucken
Streichen Sie den Nawaro-Bonus, Frau Merkel, Herr Röttgen und Frau Aigner! Der Maisanbau für Biogas vernichtet den Lebensraum unserer heimischen Tier- und Pflanzenwelt. Bitte beenden Sie den Energiepflanzen-Boom und setzen im Jahr der Biodiversität ein Zeichen. Artenvielfalt ist lebenswichtig!

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