Dokufilm: Indigene Völker vereinen sich gegen CO₂-Projekte
Mit CO₂-Zertifikaten lässt sich viel Geld machen. Firmen und Personen können solche Gutschriften kaufen, um damit ihre Klimabilanz zu verbessern – zumindest auf dem Papier. Oft sollen mit dem Geld Wälder vor der Abholzung geschützt werden. Das klingt gut, doch ein Film dokumentiert die Klagen indigener Völker aus aller Welt über gravierenden Missbrauch und Konflikte durch Kohlenstoffprojekte.
„In den Wäldern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ist die Bevölkerung es gewohnt, dass ihre Territorien von Holzfirmen, Bergbaukonzernen und Landräubern bedroht sind. Aber jetzt müssen sie sich neben diesen Gefahren gegen eine neue Gier wehren: Gegen die Ausbeuter der Luft, die Händler des Kohlenstoffmarktes“.
Mit diesen Worten fängt der Dokumentarfilm „Nein zu REDD und Kohlenstoffmärkten – Indigene Völker verteidigen ihre Territorien“ an, den das World Rainforest Movement mit Sitz in Uruguay gedreht hat. WRM, mit dem wir seit 25 Jahren zusammenarbeiten, hat zahlreiche indigene Führerinnen und Führer zu Kohlenstoffprojekten befragt.
Der Film (Dauer 20 Minuten) ist in folgenden Sprachen auf Youtube zu sehen: Englisch, Französisch, Indonesisch, Portugiesisch und Spanisch.
Weil es leider keine deutsche Version des Films gibt, haben wir nachfolgend für Sie wichtige Aussagen aus dem Film zusammengefasst:
Was ist REDD und was sind CO2-Zertifikate?
REDD bedeutet ausgeschrieben und übersetzt etwa „Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung“. Mit dem Pariser-Klimaabkommen wurde REDD im Jahr 2025 offiziell als Konzept für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt eingeführt. Mit dem Verkauf von CO2-Gutschriften soll Geld erwirtschaftet werden, um mit Kompensationszahlungen mögliche zukünftige klimaschädliche Emissionen zu verhindern. Beispielsweise um Maßnahmen zu finanzieren, die Wälder, die sonst vielleicht gerodet worden wären, zu schützen.
Indigene Völker treffen sich und beraten Strategien gegen REDD
Indigene und afroamerikanische Gemeinschaften aus Brasilien, Bolivien, Kolumbien und Peru sind nun im Regenwald Alto Turiaçu der Ka’apor in Brasilien zusammengekommen, um sich über derartige Kohlenstoffprojekte in ihren angestammten Territorien auszutauschen. Ihr Ziel: Gemeinsam Lösungen zu suchen, wie sie sich vor den Kohlenstoffhändlern und den Folgen der Aktivitäten schützen können.
„Dieser Dialog ist sehr wichtig für uns. Wir suchen Informationen aus anderen Ländern und von anderen betroffenen Indigenen, die hierher gekommen sind, damit wir diese Kohlenstoffkredite verstehen“, erklärt Itahu Ka’apor vom Indigenenrat Tuxa Ta Pame. Der Indigenenrat ist seit mehr als vier Jahren Partner von uns im brasilianischen Bundesstaat Maranhão.

„Beim Holzeinschlag sahen wir früher, wie die Holzstämme über die Flüsse an uns vorbei geflößt wurden und wie all unser Reichtum woanders hin ging. Jetzt ist es nicht so. Heute sieht man nichts, es ist ein Kohlenstoffmarkt. Aber was ist es, was da verkauft wird, was man nicht sieht und nicht anfassen kann?“, fragt Nelson da Silva aus Brasilien.
„Sie sind zu uns gekommen und haben gesagt, dass wir Kohlenstoffkredite verkaufen können. Genau wie mein Volk wusste ich nicht, was REDD und was Kohlenstoffkredite sind“, erklärt Sulma López Balarezo, indigene Führerin der Tacana in Bolivien.
„Was sind Kohlenstoffkredite, wer kauft diese, wer erschafft und managt diese, worüber sprechen wir hier?“, fragt Marisol García Apagueño, eine Kichua-Führerin aus Peru.
Missbrauch und Betrug im Rahmen der C02-Projekte
„Was ist das für ein Markt? Der Wald war hier schon immer, die Menschen haben ihn immer geschützt. Jetzt kommt ein Projekt, das diesen Wald schützen wird?“, kritisiert Nelson da Silva weiter.
„Die Firma ist in den Wald gekommen und hat Millionen angeboten, damit die Gemeinden nichts tun und nur in ihren Hängematten bleiben“, berichtet Alex de Souza Maciel, Quilombola-Führer aus Brasilien.
„Das sind Biopiraten, die die indigenen Völker mit Lügen überzeugen. Die indigenen Gemeinschaften sollen Verträgen zustimmen, damit die Firmen im Namen der Gemeinschaft mit Kohlenstoff Handel betreiben können“, erklärt Arlen Ribeira, Führer der Huitoto aus Peru. „Wir sind hier, um unsere Rechte als indigene Völker einzufordern. Die Kohlenstoffgeschäfte führen zu Spaltungen in den indigenen Völkern und Familien.“
CO2-Projekte führen zu Konflikten und Spaltung
„Sie gingen sehr strategisch vor, indem sie eine indigene Person benutzten, um an uns heranzukommen. Aber sie führten in unserem Schutzgebiet keine freie, vorherige und informierte Zustimmung durch. Sie haben ihn in die Hauptstadt Bogatá gebracht, bezahlten ihm Hotel, Essen, sie behandelten ihn sehr gut, damit sie den Prozess beginnen konnten“, erzählt Tatiana Cariban Jaramillo, Führerin der Sikuani aus Kolumbien.
„Sie haben einzelne Führer und Personen von uns eingeladen und damit so getan, als ob sie die Zustimmung des ganzen Volkes hätten, um Zugang zu den Kohlenstoffkrediten zu haben“, berichtet Ediene Kirixi Munduruku. Auch die indigenen Munduruku sind Projektpartner von Rettet den Regenwald und lehnen CO2-Projekte auf ihrem Land ab. „Wir sagten ihnen: Wir, das Volk der Munduruku, akzeptieren nicht das Projekt in unserem Territorium.
„Sie haben uns gebeten, eine einfache Teilnehmerliste zu unterzeichnen, um zu bestätigen, dass wir bei einem Treffen dabei waren. Doch danach haben wir herausgefunden, dass die Unterschriften dazu dienten, unser Einverständnis mit dem CO2-Projekt anzuzeigen“, erklärt der Flussanwohner José Francisco Nascimento Barroso aus Brasilien. „Wir waren nicht einverstanden und wussten nicht einmal, dass die Unterschriften dazu dienten, die Zustimmung zu dem Projekt zu geben.“
„Der Vertrag enthielt Klauseln, die nicht vereinbar waren mit der Kultur, der Natur und dem Kontext unserer Gemeinschaft und unseres Territoriums“, erklärt Álvaro Silvio Guadir, Führer der Pastos aus Kolumbien.
Frauen sind oft besonders betroffen
Auf dem Treffen konnten sich die Teilnehmer auch per Videovorführung Aussagen von Indigenen aus Asien und Afrika ansehen: So berichtet die Führerin Herlina Sukmawati vom Volk der Dayak aus Indonesien: „REDD hat enorme Auswirkungen auf uns Frauen, besonders in unserem Dorf: Den Frauen wurde verboten, in den Wald zu gehen, was auch bedeutet, dass wir nichts anbauen können.“
„Ich habe angefangen, Bäume für das Kohlenstoff-Projekt von „Eco Trust“ zu pflanzen“, erzählt Kvampeire Rosset aus Uganda. „Ich habe den Vertrag von Eco Trust eingehalten. Als Ausgleich und um für meine Kinder zu sorgen, sollte ich dafür Geld erhalten. Doch ich habe es nie bekommen.
„Eine der Täuschungen des Kohlenstoffmarktes ist, uns gegenüber den Eindruck zu erwecken, dass das in großen Mengen ausgestoßene Kohlendioxid von einem weit entfernten Wald oder einer Plantagen kompensiert werden kann“, erklärt Teresa Perez vom WRM.
„Die angebliche Kohlenstoffneutralität ist eine große Lüge. Denn sie stoßen weiterhin enorme Mengen Kohlendioxid in die Atmosphäre aus, und die Wälder haben nicht die Kapazität, dieses aufzunehmen“, sagt Winnie Overbeek vom World Rainforest Movement. „Wir nennen Kohlenstoffkredite Verschmutzungskredite, weil sie den Firmen ein Recht zur Verschmutzung geben.“
„Bei diesen Projekten müssen die Betreiber irgendeine Gefahr identifizieren. Denn wenn es keine Gefahr der Abholzung gibt, dann gibt es auch kein Kohlenstoffprojekt. Sie müssen deshalb immer eine Gefahr für die Wälder aufzeigen, eine Holzfirma oder irgendein anderer Invasor. Aber immer zeigen sie auch auf die lokalen Gemeinschaften als Ursache der Abholzung“, so Winnie Overbeek weiter.
Die Indigenen fordern, die Projekte auf ihrem Land einzustellen
Mit einer rassistischen und kolonialen Logik wurde ein neue Welle für Landraub im Globalen Süden geschaffen.
„Es ist alarmierend, diese Realität kennenzulernen, wie sie mit den indigenen Völkern verschiedene Verträge unterzeichnen. Es sind sehr gefährliche Verträge, bei denen wir leicht getäuscht und gefangengenommen werden können. Die Auswirkungen spüren wir dann, wenn es zu spät ist, zumal diese Verträge meist über sehr lange Zeit laufen“, sagt Ruth Alipaz Cuqui. „Sie schränken uns ein und verbieten uns, unsere Territorien und Wälder so zu nutzen, wie wir indigene Völker es schon immer getan haben.“
Die Projekte erkennen nicht unsere Lebensweise, unsere Kultur, Gebräuche und Traditionen und vor allem nicht unser traditionelles Wissen an, das wir immer von einer Generation zur nächsten weitergegeben haben und mit dem wir die Natur als unsere Lebensgrundlage nutzen“, erklärt Alex de Souza Maciel. „Es gibt zwei Visionen über die Territorien: Die Sicht der Gemeinschaften und indigenen Völker, und die Vision der großen kapitalistischen Konzerne, die noch mehr Profite machen und die Umwelt weiter verseuchen wollen.“
„Wir verteidigen die Natur. Deshalb verscherbeln wir nicht die Natur an den Markt. Das muss aufhören“, sagt Itahu Ka’apor.
Wir wollen nicht, dass sie unsere Arbeit, die Natur zu bewahren, zu schützen und zu verteidigen, dazu benutzen, damit sie der Welt ein falsches grünes Gesicht zeigen können“, sagt Marisol García Apagueño.
„Hier in meinem Territorium geben sie sich einen grünen Anstrich, während sie andere Gebiete zerstören und andere indigene Völker vertreiben und töten. Es ist eine Heuchelei auf globalem Niveau. Die Weltklimakonferenz COP ist in ihrer 29. und bald in ihrer 30. Sitzung, obwohl es noch keine Klimalösungen gibt. Wir sind deshalb aufgestanden, um Widerstand zu leisten und diese falschen Klimalösungen zurückzuweisen. Wir lehnen diese falschen Klimalösungen ab“, so Marisol García Apagueño weiter.
Der Film (Dauer 20 Minuten) ist in folgenden Sprachen auf Youtube zu sehen: Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Indonesich
REDDAbkürzung für Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation
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