Schwarzer Tag für den Amazonasregenwald

Gabriel kündigt für Mai bilaterales Energieabkommen für Agrosprit zwischen Deutschland und Brasilien an Die Autos auf Deutschlands Straßen vertragen zwar keinen Ethanol und der Regenwald geht dafür vor die Hunde, doch importiert werden soll der Agrosprit auf jeden Fall. Nur drei Wochen nach seinem Flop der für 2009 geplanten Einführung einer zehnprozentigen Beimischungspflicht für Ethanol im deutschen Benzin kann die Ankündigung von Umweltminister Sigmar Gabriel und seiner brasilianischen Amtskellegin Marina Silva für ein bilaterales Energieabkommen nur als verspäteter Aprilscherz aufgefasst werden. Eine Unterredung mit der Brasilianerin und deren Versicherungen, dass durch Biokraftstoffe weder Regenwaldrodung noch Hunger drohten, reichten aus, um alle gegenteiligen Fakten und Berichte vom Tisch zu fegen. Dass für den Energiedeal neue Urwaldflächen gerodet werden müssen, bereits bestehende landwirtschaftliche Kulturen weiter nach Norden und Westen in die Naturparadiese von Amazonas und Pantanal gedrängt werden, die Freisetzung des im Urwald gebundenen Kohlenstoffs schon jetzt Brasilien zum drittgrössten Klimasünder macht, die Vernichtung der kleinbäuerlichen Existenzen, die erbärmlichen Arbeitsbedingungen auf den Agroplantagen, die fatale Konkurrenz zwischen Tank und Teller, die die Grundnahrungsmittel weltweit explodieren lässt, die drohende Hungerkatastrophe, scheinen den deutschen Umweltminister nicht zu interessieren. Mit hellseherischen Fähigkeiten verkündete Gabriel eigenhändig die Nachhaltigkeit der brasilianischen Biokraftstoffproduktion und deren Unschädlichkeit für die Nahrungsmittelpreise. Für sein Unbedenklichkeitsattest wartete er nicht einmal die geplanten Ortstermine im brasilianischen Amazonasregenwald im Bundesstaat Pará und einer Ethanolfabrik in Sao Paulo ab, die er während seiner fünftätigen Reise noch besuchen will. Was soll bei dem Besuch dieser von beiden Regierungen sorgfältig ausgewählten Orte auch schon groß an Neuem herauskommen, wird Gabriel sich gesagt haben, da kann ich auch gleich die Ergebnisse am ersten Tag vorweg nehmen, schliesslich will Kanzlerin Angela Merkel das Energieabkommen bereits in zwei Wochen in Brasilien unterschreiben. „In den vergangenen zwei Jahren haben wir ALLE von der Bundessregierung für den „Biokraftstoffeinsatz” vorgebrachten Argumente bis ins Detail demontiert und als Lügen entlarvt,” sagt Reinhard Behrend von Rettet den Regenwald e.V. „Ob angeblicher Klimaschutz, Einsparung fossiler Energie, Entwicklungsmöglichkleiten für die armen Kleinbauern in der Dritten Welt, Bepflanzung von Ödland, das alles waren nur Ablenkungsmanöver und Verwirrungstaktik. Doch nun lässt die Bundesregierung die Maske fallen und widmet sich direkt ohne Umschweife ihrem eigentlichen Interesse: Big Bussiness mit Energie vom Acker. Und welches Land könnte dazu besser geeignet sein als Brasilien, dass sich als Weltlieferant für „grüne” Energie und aufstrebende Supermacht des globalen Südens sieht.” Anlass der Brasilienreise von Gabriel ist die Vorbereitung der UN-Konferenz für biologische Vielfalt Ende Mai in Bonn, wo Deutschland von Brasilien den Vorsitz übernehmen wird. „Da heutzutage Industrie und Biodiversität in perfekter Harmonie miteinander schwelgen, bildet die für Mitte Mai geplante Unterzeichnung des deutsch-brasilianischen Energieabkommens ohne Zweifel den passenden Auftakt für die Konferenz,” kritisiert Behrend. In der ehemaligen Bundeshauptstadt wollen fünftausend Teilnehmer aus Politik und Wirtschaft Ende Mai vor allem darüber verhandeln, wie Biodiversität gewinnbringend nutzbar gemacht und patentiert werden können. „Man muss nur allen Lebewesen und Ökosystemen der Erde einen ökonomischen Wert zuweisen, und schon wird sich die Wirtschaft im Interesse guter Geschäfte um deren nachhaltige Nutzung und Vermarktung kümmern, so lautet anscheinend die Zauberformel.” Im Vorfeld dazu will Merkel während ihres Staatsbesuchs in Brasilien bereits Fakten schaffen. „Einen krasseren Kontrast zwischen der Artenvielfalt der brasilianischen Urwälder und den 30 Millionen Hektar Soja- und Zuckerrohr-Monokulturen, von denen die Agroenergie stammt, gibt es nicht”, sagt Behrend. „Die ersteren sind voller Leben, die letzteren biologische Wüsten. Mehrere Millionen Hektar Soja wachsen bereits am Amazonas. Neu gezüchtete Varianten von Zuckerrohr und Soja einschliesslich genetisch manipulierter Pflanzen machen es möglich. Die grüne Lunge der Erde liegt im Sprühnebel von Pestiziden und ist das Versuchslabor der Genindustrie.” Am vergangenden Sonntag sah sich der brasilianische Präsident Lula da Silva gezwungen, angesichts der massiven Kritik und weltweiten Proteste wegen der vom Agrokraftstoffboom ausgelösten Preisexplosion bei den Grundnahrungsmitteln ein Machtwort zu sprechen. Er forderte, dass die Industriestaaten ihre „heuchlerische” Haltung aufgeben und brasilianischen Biokraftstoff kaufen sollten, nach dem Motto, was nicht sein darf, das gibt es auch nicht. Da fragt man sich natürlich, warum da Silva das nationale „Null Hunger”-Programm (Zero Fome) aufgelegt hat, wenn es wirklich so gut mit der Ernährung in Brasilien stünde, vom Rest der Welt ganz zu schweigen. Auch die nicht abreissenden Horrormeldungen von den erbärmlichen Arbeitsbedingungen auf den brasiliansichen Zuckkerrohrplantagen scheinen den ehemaligen Arbeiterführer nicht zu stören. In den letzten Jahren wurden von der Polizei tausende wie Sklaven gehaltene Arbeiter auf den Plantagen befreit. Der brasilianische Soja-König und Gouverneur des Bundesstaates Mato Grosso do Sul Blairo Maggi sah dann auch die Stunde gekommen, um schamlos in aller Öffentlichkeit das zu fordern, was ihn reich gemacht hat: „Mit der Verschlimmerung der Nahrungsmittelkrise kommt die Stunde, in der es unvermeidlich wird, zu diskutieren, ob wir die Umwelt weiter wie jetzt schützen, oder ob wir mehr Nahrungmittel produzieren. Es ist unmöglich, mehr Nahrung zu produzieren, ohne neue Landflächen zu belegen und Bäume zu fällen,”so Maggi. Diesen Teil der brasilianischen Realität lässt Gabriel lieber ungehört verhallen. Mit Maggis Soja-Schrot aus Urwaldrodung werden die europäischen Hühner, Schweine und Rinder gemästet, und das dabei anfallende Sojaöl wird auch bereits deutschem Diesel-Kraftstoff beigemischt. Um Maggis Soja-Geschäft kräftig zu schmieren, hatten in 2001 auch schon die staatliche Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) und die düsseldorfer WestLB mit Millionen-Krediten ausgeholfen. Im Herbst vergangenen Jahres musste die brasilianische Regierung de Facto das Scheitern ihres Schutzprogramms für den Amazonasregenwald eingestehen, nachdem sich die rasante Zunahme der Rodungen nicht mehr verheimlichen ließ. Doch Präsident Lula da Silva zog es vor, die Situation herunterzuspielen: „Die Menschen machen aus einem Tumörchen ein Krebsgeschwür”. Auf die offenen Worte Blairo Maggis reagierte die aus dem Amazonasgebiet stammende Umweltministerin Marina Silva lapidar: „nicht nachhaltige Druck” auf die natürlichen Ressourcen ist keine Antwort auf die weltweite Nahrungsmittelkrise. Die Zerstörung der Ökosysteme durch die Landwirtschaft „schiebt die Krise nur für kurze Zeit auf”, so Marina Silva lapidar. Fazit: Ein schwarzer Montag für Natur und Menschen in Brasilien. Rettet den Regenwald fordert statt der geplanten Unterzeichnung des Energieabkommens einen sofortigen Importstopp von Agrosprit und Sojaschrot aus Übersee. Eine umwelt- und sozialverträgliche Produktion ist nicht möglich, die geplante Zertifizierung ein Ettikettenschwindel. Keinen Regenwald in Tank und Teller. Weitere Informationen und Kontakte unter: Rettet den Regenwald e.V., Reinhard Behrend, Telefon: 040-410 38 04 E-mail: info@regenwald.org www.regenwald.org

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