Die Tragödie im Tanjung Puting Nationalpark

Trauriges Orang-Utan-Baby Orang-Utan im Tanjung Puting Nationalpark. Foto: flickr/volanthevist (CC BY-NC-ND 2.0)

01.12.2013

Im Nationalpark Tanjung Puting auf Borneo fallen illegal die Urwaldriesen für Ölpalm-Plantagen. Zur gleichen Zeit feiern die Palmölkonzerne bei ihrer Jahrestagung auf Sumatra ihren nachhaltigen Anbau. Und die EU ignoriert die verheerenden Folgen ihrer Biospritpolitik für die Regenwälder. Eine Reportage aus Indonesien

11. November 2013, Tanjung Puting Nationalpark im Süden der indonesischen Insel Borneo: Wir fahren die langen Flüsse hinauf – unserer Begleiter heißt Komrudin. Er ist ein Freund unserers Partners Nordin von Save our Borneo, und er hat uns eingeladen, ihn bei seiner Arbeit zu begleiten.

Seit Jahren setzt sich Komrudin gemeinsam mit den Indigenen dafür ein, den Nationalpark zu erhalten. Und auch die Kultur, die es möglich gemacht hat, dass Mensch und Orang-Utan friedlich zusammen leben und genug Platz haben.
Komrudin hat uns erzählt, dass mitten im Nationalpark nun Ölpalmplantagen entstehen. Wir können es kaum glauben. Wir sehen elegante Bauten, ein schönes Holztor, Schilder mit Orang-Utan-Fotos, die Aufschrift: Indonesiens ganzer Stolz, Tanjung Puting Nationalpark – Habitat der wilden Orang-Utans.
Nach einer halben Stunde Fahrt bemerken wir ein riesiges Schiff mit Ölpalm-Setzlingen. Wir folgen den kleinen Booten, die die Setzlinge an Land bringen – und stehen auf zerstörter Erde.

Zerstörtes Land, versiegte Quellen – hier wuchs einst dichter Regenwald

Komrudin stellt uns Bujok vor. Er ist Dayak und hatte hier seine Hütte. Jetzt ist um ihn herum nur Verwüstung. „Wir haben nicht mal mehr Wasser zum Trinken", erzählt er uns. Durch das Anlegen der Plantagen und die Entwässerung des Torfmoores sind die Brunnen leer, und der Wald als Nahrungslieferant ist verschwunden.

Trotz der unerträglichen Hitze laufen wir weiter über das zerstörte Land. Wir wollen zum Waldrand, doch schon nach kurzer Zeit werden wir aufgehalten. Breitschultrige Männer bedrohen Komrudin. „Wieso bringst du diese Leute hierher?", fragen sie ihn. „Wir wollen doch die Ölpalmplantagen. Wenn ihr nicht sofort verschwindet, brauchst du gar nicht mehr zu versuchen, deine Familie zu treffen. Du machst uns ständig Ärger. Wir haben auch Gewehre – hau hier endlich ab.”

An uns gewandt, sagt ein anderer Mann: „Wir sind die wahren Besitzer des Landes. Wir wollen Ölpalmplantagen. Was euch dieser Dayak vorhin erzählt hat, stimmt nicht. Hier war nie Wald. Das waren mal unsere Felder.” Die Baumstümpfe sprechen eine andere Sprache.

Immer mehr Männer sind aus den Holzbaracken gekommen; breitschultrig mit javanischem Akzent. Um Komrudin zu schützen, sagen wir: „Wir wollten doch eigentlich nur den Wald und Orang-Utans sehen, wir haben uns offensichtlich verirrt.”
„Oh!” ist die Antwort. „Das habt ihr wirklich, hier ist gar kein Nationalpark. Wir bringen euch hin. Geht bitte sofort in euer Boot zurück. Das ist unser Land, es gehört zur Ölpalmplantage von Bumitama Gunajaya Agro (BGA).”

Mit dem Wald haben die Menschen auch ihre Arbeit verloren

Inzwischen sind unsere Boote gekommen. Alle haben Angst. Denn die Männer, die sich hier so aufführen, haben alle mit Waffen und Schlägen traktiert und bedroht. Komrudins gesamte Arbeit ist vernichtet. So viel Mühe hatte er darauf verwendet, dass die Waldmenschen und ihr Wissen in den Nationalpark mit einbezogen werden. Dass niemand einen Baum fällen durfte ohne die Zustimmung der anderen. Dass genau Buch geführt wurde, wo es den Wald erhalten kann, wenn man Holz schlägt. Und dass niemand die Orang-Utans fängt.

Viele der Indigenen hatten als Touristenführer gearbeitet. Den Besuchern ihre Lebenswelt und die Natur erkärt. Ohne den Wald zu schädigen. Nun gibt es keine Arbeit mehr – der Wald in ihrem Stammesgebiet ist vernichtet. Der Nationalpark wurde in Zonen aufgeteilt, wo die Indigenen leben dürfen und wo nicht. Wo wir jetzt stehen, ist das Land, das den Ureinwohnern zugewiesen wurde – totale Wüste.

Wir fahren zurück nach Kumai. In seinem Büro zeigt uns Komrudin die Dokumente, die belegen, dass diese Palmölfirma überhaupt keine Genehmigung hat. Komrudin und seine Freunde haben die Tochterfirma von BGA mehrmals angezeigt, unter anderem wegen Orang-Utan-Mordes. Vier tote Menschenaffen wurden auf dem abgeholzten Gebiet gefunden. Doch geschehen ist nichts. Die Verfahren hängen im Gewirrr des indonesischen Rechtssystems. Und die Firma holzt weiter ab.

Viele Tausend Ureinwohner demonstrieren gegen die Palmöl-Mafia

Während wir durch den Tanjung Puting Nationalpark fahren auf der Suche nach intaktem Wald, haben sich Tausende von indigenen Palmölsklaven auf den Weg nach Medan in Sumatra gemacht. Sie wollen hier genauso wie unsere Partner Nordin und Feri Irawan gegen die Lügen der Pamölmafia demonstrieren. Die hält ihr jährliches Meeting zum Palmölsiegel „Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl" (RSPO) im besten Hotel der Stadt ab – zum ersten Mal in einem Palmöl produzierenden Land.

Am 12. November 2013 demonstrieren fast 5.000 Menschen für die Abschaffung des RSPO, denn Konzerne wie Wilmar, BGA und IOI haben in dieser Grünwäscher-Lobby ein wunderbares Werkzeug gefunden. Lügner, Verräter, Paraquat-Mörder steht auf den Plakaten der Demonstranten. Paraquat ist ein hochgiftiges Herbizid, das Nieren, Leber und Atemwege schädigt, Krebs und Parkinson auslösen kann. In 32 Ländern ist es deshalb verboten; Indonesien gehört nicht dazu.

Der Palmölkonzern Wilmar vertreibt für seine riesigen Monokulturen Menschen von ihrem Land, zerstört die Natur und ist ein Werbeträger für Paraquat. Palmöl ist Schuld an Menschenrechtsverletzungen, Ausbeutung und Zerstörung der Regenwälder. Und mitschuldig ist auch der RSPO.

Durch die „Nachhaltigkeits-Siegel“ breiten sich die Plantagen weiter aus

„Mehr als 10 Jahre ,nachhaltiges' Palmöl hat nur zur weiteren Ausbreitung der Plantagen und der Zerstörung der Wälder geführt”, sagt Nordin von der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Save our Borneo während der Demo.
Angstvoll drücken sich die Vertreter der Palmölindustrie und einiger Nichtregierungsorganisationen an die Wand ihres Tagungsraumes, als der Demonstrationszug vor den riesigen Fenstern des Hotels auftaucht. Die Demo wird von ihnen einfach ignoriert, in keiner Presseerklärung taucht die Protestaktion auf. Ihr Motto: Einfach keine Reaktion zeigen und dafür jubelnd verkünden: Bis 2015 gibt es nur noch nachhaltiges Palmöl.

Am nächsten Tag schwärmt der Pressesprecher des RSPO von den großen Fortschritten der Industrie. In einem Saal geben der WWF und Unilever und einige angeheuerte Bauern mit großem Tamtam bekannt: Es gibt jetzt nachhaltiges Palmöl von Kleinbauern! Dass diesen fünf Bauern Hunderte von Wilmar vertriebene Indigene gegenüberstehen, wird verschwiegen.

Lokale Nichtregierungsorganisationen, die sich an der Demo beteiligen, müssen befürchten, dass sie in Zukunft von großen Hilfsorganisationen wie Oxfam nicht mehr bedacht werden.
„Wir müssen positiv denken”, sagt der Pressesprecher und drückt uns ein Papier in die Hand. „Jetzt sind wir selbst in Sachen Biosprit erfolgreich. Der finnische Konzern Neste Oil ist die erste Firma, deren Biodiesel aus Pamöl durchzertifiziert ist und so den Kriterien der EU entspricht. Darauf sind wir stolz!”

Allerdings kauft Neste Oil den Rohstoff vom IOI-Konzern, zu der die Firma BGA gehört, sowie von Wilmar. Der RSPO ist eine Farce, die wie ein Schattentheater Jahr für Jahr eine weitere Aufführung des immer gleichen Stücks präsentiert. Doch die EU erkennt das Siegel an und benutzt es, um die Beimischungspflicht von Biosprit immer weiter zu erhöhen.

Und im Tanjung Puting Nationalpark holzt der BGA-Konzern immer weiter ab.

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