Giftattacke in Brandenburg stoppen

Pestizideinsatz per Hubschrauber im Wald + Text "Kein Gift in den Wald" Pestizideinsatz per Hubschrauber (© Public Domain)
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In Brandenburg drohen Giftsprüheinsätze per Hubschrauber. In den Kiefernforsten vermehren sich angeblich drei Schmetterlingsarten, die die Nadeln der Bäume fressen. Das Insektizid Karate Forst (flüssig) tötet alle Insekten und ist auch für Menschen gesundheitsschädlich. Bitte helfen Sie den Irrsinn zu stoppen.

Appell

An: Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, Herr Minister Jörg Vogelsänger

„Kein Sprüheinsatz mit Insektiziden in den Kiefernforsten von Brandenburg – stattdessen Umwandlung der Monokulturen in naturnahe Mischwälder“

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Südlich von Berlin, in den Landkreisen Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming in Brandenburg, soll im Mai 2019 das Insektizid Karate Forst (flüssig) auf ca. 7.300 Hektar Kiefernforsten per Hubschrauber versprüht werden.

Die Sprühhubschrauber sollen mitten in der Brut- und Aufzuchtzeit vieler Vögel und bis nah an Häuser und Siedlungen heran fliegen. Die Forste dürfen dann nicht betreten und in den Folgewochen dürfen dort keine Beeren, Kräuter oder Pilze gesammelt werden.

Das Breitband-Insektizid Karate Forst (flüssig) tötet Insekten und ist auch für andere Lebewesen giftig.

Auf dem Sicherheitsdatenblatt des Herstellers Syngenta steht u.a. zu lesen: Gesundheitsschädlich beim Verschlucken und Einatmen; kann allergische Hautreaktionen verursachen; sehr giftig für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung, kann asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen.

Der großflächige Sprüheinsatz soll die drei Schmetterlingsarten Nonne, Kieferneule und Kiefernspinner eliminieren, die Kiefern befallen und deren Nadeln fressen.

Die Schmetterlinge können sich in Kiefernforsten stark vermehren, weil es sich NICHT um Wälder, sondern um gepflanzte Monokulturen zur Produktion von Industrieholz handelt. Diese sind artenarm und ökologisch aus dem Gleichgewicht. Ursprünglich wuchsen in Brandenburg Laubmischwälder vor allem mit Buchen und Eichen.

Auch für die Böden und den Wasserhaushalt sind die Monokulturen ungünstig. Bei Trockenheit brennen die Forste wie Zunder. Vergangenes Jahr machten Feuer in Brandenburg Schlagzeilen.

Ein schleppender über viele Jahrzehnte dauernder Umbau der Plantagen in Mischwälder läuft bereits. Noch immer erstrecken sich in Brandenburg rund um Berlin auf 800.000 Hektar Fläche derartige Kiefernforste.

Einwohner, Waldbesitzer und Umweltschützer protestieren gegen die Giftattacke.

Hinter­gründe

Lokale Waldbesitzer zeigen ökologische Alternativen auf

In der Märkischen Allgemeinen Zeitung kritisiert der private Waldbesditzer Karl Tempel den geplanten Pestizideinsatz und erwägt, gegen den Landesbetrieb Forst Brandenburg Strafanzeige zu erstatten. „Ich lasse meinen Wald nicht vergiften“, so Tempel.

In seinem Wald in der Busendorfer Heide bei Beelitz setzt er seit Jahren auf natürliche Schädlingsbekämpfung. Er hat mit Nistkästen und Nisthöhlen Fledermäuse, Blau- und Kohlmeisen und andere Vögel angelockt. Sie haben keine Probleme damit, die Nonnen zu fangen, zu verspeisen und an ihre Jungen zu verfüttern, berichtet die Zeitung.

„Sie machen das gezielt und ohne Lärm, preiswert und auf eine Weise, die für alle anderen Waldtiere und Menschen nicht schädlich ist“, zitiert die Zeitung Tempel. Und weiter: „Die Vögel, die ich angelockt habe, die haben keine Lobby. Die kann ich jetzt nicht im Stich lassen und davonlaufen.“

Natürliche Gegenspieler 

Der Kiefernspinner, die Kieferneule und die Nonne haben in allen Entwicklungsstadien natürliche Gegenspieler. Dazu gehören zum einen von Viren verursachte Krankheiten sowie für Insekten pathogene Pilze, die während der Überwinterungsphase die Larven in der Bodenstreu zersetzen können, schreibt der Informationsdienst Waldwissen.

Über 50 Hautflügler- und 10 Fliegenarten sind wissenschaftlich beschrieben, die sich von den Schmetterlingen, deren Raupen und Eiern ernähren. Darunter verschiedene Wespenarten, aber auch Waldameisen, Laufkäfer, Raubwanzen und Kamelhalsfliegen-Larven. Fledermäuse erbeuten die fliegenden Falter, während Vögel Falter, Eier, Raupen und insbesondere die Puppen verzehren. Wildschweine dezimieren die Raupen durch Wühlen im Waldboden während der Winterruhe.

Umbau in naturnahe Laubmischwälder ist die Alternative

Langfristig ist es notwendig, die naturfernen Kiefernmonokulturen in naturnahe Mischwälder mit heimischen und standortangepassten Laubbäumen umzuwandeln. Ursprünglich wuchsen in Brandenburg weitgehend Buchen- und Eichenwälder. In Laubmischwäldern kann es auch nicht zur starken Ausbreitung von Schmetterlingen kommen, die sich von Kiefernnadeln ernähren.

Solche Massenvermehrungen ein typisches Anzeichen für ein gestörtes ökologisches Gleichgewicht, wie es in Monokulturen herrscht. Lokale Einwohner konnten bei Inspektionen im Wald bisher auch keinen Massenbefall der Bäume finden. Einige der Schmetterlinge gibt es immer, sie sind Teil der Natur. Aber ob nun tatsächlich das vom Forstbetrieb Brandenburg beschriebene Horrorszenario einer großflächigen Kiefernsterbens droht, ist nicht klar.

Laubmischwälder sind auch für die Humusbildung, die Böden und den Wasserhaushalt vorteilhaft. Die Streu aus Nadeln in den Kiefernforsten beeinträchtigt die Fruchtbarkeit der Böden. Auch für den Wasserhaushalt und die Grundwasserbildung sind Kiefernforste ungünstig.

Die Kiefernforste sind zudem sehr durch Brände gefährdet, wie die verheerenden Feuer in Brandenburg im Sommer 2018 deutlich gezeigt haben. Diese bedrohen auch die Einwohner und machen Evakuierungen notwenig. Große Mengen an schädlichen Emissionen und Rauchpartikeln wurden dadurch in die Atmosphäre freigesetzt. Wie mit den abgebrannten Flächen weiter verfahren wird, hat Robin Wood in seinem Magazin 2.2019 dokumentiert. Artikel "Nach dem Brand...wird geforscht" Seiten 24 - 28.

Bislang wurden etwa 90.000 Hektar Kiefernforste in Mischwälder umgebaut. Weitere ca. 800.000 Hektar solcher Forste müssen noch umgewandlet werden. Der Umbau wird durch die hohen Bestandsdichten an Wild erschwert, deren Verbiss jede natürliche Verjüngung der Bäume sowie das Anpflanzen von Setzlingen weitgehend unmöglich bzw. sehr arbeits- und kostenintensive Umzäunungen notwendig macht. Um den Verbiss durch Wild zu minimieren, sollten die Bestände auf ein Niveau zurückgeführt werden, das soweit wie möglich der natürlichen Kapazität entspricht. Es ist unverantwortlich, dass die Jägerlobby für ihren „Freizeitspaß“ die Wildbestände künstlich hoch hält.

Argumente des Landesbetriebs Forst Brandenburg sehr fragwürdig

Der Landesbetrieb Forst Brandenburg verteidigt den Gifteinsatz auf seiner Webseite „als die letzte Möglichkeit, wenn durch Schadinsekten ein Waldverlust droht“. Mit allerlei Argumenten versucht der Betrieb die Gefahren und Wirkungen des Gifteinsatzes herunterzuspielen. Doch die Aussagen von einer „Dosis, die so gewählt sei, dass die kleinen Nonnenraupen abgetötet werden“ und Angaben wie „für einen Hektar werden nur 35 Liter Wasser benötigt, um das Mittel auszubringen. Das sind wenige Tropfen pro cm²“ stehen offensichtlich im Widerspruch zu den Angaben des Insektizidherstellers.

Syngenta schreibt auf seiner Webseite für das Produkt u.a.: Auf eine gründliche Benetzung befallener Pflanzenteile ist unbedingt zu achten, da der Wirkstoff nicht systemisch in der Pflanze verlagert wird. Als Dosis empfehlt der Hersteller für freifressende Schmetterlingsraupen auf Nadelbäumen für einen Hektar Fläche 75 ml des Spritzmittels in 300 l Wasser zu lösen.

Während der Landesbetrieb Forst Brandenburg schreibt, dass Untersuchungen gezeigt hätten, dass die Ausbringung des Mittels bereits nach 1 bis 2 Monaten an der Insektenfauna kaum noch nachzuweisen sei, schreibt Syngenta: „Der Wirkstoff ist im Sonnenlicht stabil und besitzt deshalb auf pflanzlichen Oberflächen eine bemerkenswerte Dauerwirkung. Der Inhaltsstoff Lambda-Cyhalothrin (C) ist „nicht leicht biologisch abbaubar“ und „es gibt Bioakkumulation“.

Insektizide auf 9.000 Hektar per Hubschrauber zu versprühen, bedeutet die Umwelt großflächig zu vergiften und das ökologische Gleichgewicht noch stärker zu stören. Angesichts des dramatischen Insekten und Artensterbens in Deutschland ist das völlig unverantwortlich.

Fast allen Lebewesen und Ökosystemen geht es bei uns schlecht. Das konstatieren die Berichte „Die Lage der Natur in Deutschland“ des Umweltministeriumsund „Der Zustand der Natur“ der Europäischen Union (EU). Dreiviertel aller Tier- und Pflanzenarten sowie Habitate befinden sich demnach in einem unzureichenden oder schlechten Zustand - sie drohen auszusterben.

Der Schweizer Chemiekonzern Syngenta ist einer der weltweit größten Hersteller von Agrargiften und gentechnisch verändertem Saatgut.

Weitere Informationen:

Artikel aus den Medien:

An­schreiben

An: Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, Herr Minister Jörg Vogelsänger

Sehr geehrter Herr Minister Jörg Vogelsänger,

bitte stoppen Sie den geplanten Sprüheinsatz des Insektizids Karate Forst flüssig in 7.300 Hektar Kiefernforsten in Brandenburg.

Pestizide bedrohen Insekten und andere Tiere massiv. Sie sind auch für uns Menschen giftig und gesundheitsschädigend.

Der Insektenbefall als Folge der verfehlten Wald- und Jagdpolitik sowie des Klimawandels lässt sich nicht mit Pestiziden beheben.

Die Kiefernforste sollten schnellstmöglich in naturnahe Mischwälder mit heimischen und standortgerechten Baumarten umgewandelt werden.

Mit freundlichem Gruß

5-Minuten-Info zum Thema: Biodiversität

Die Ausgangslage: Warum ist Biodiversität so wichtig?

 

Biodiversität oder Biologische Vielfalt umfasst drei Bereiche, die sehr eng miteinander verbunden sind: die Artenvielfalt, die genetische Vielfalt innerhalb der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme wie z.B. Wälder oder Meere. Jede Art ist Teil eines hoch komplexen Beziehungsgeflechts. Stirbt eine Art aus, wirkt sich das auf viele andere Arten und ganze Ökosysteme aus.

Weltweit sind derzeit fast 2 Millionen Arten beschrieben, Experten schätzen die Anzahl weitaus höher. Tropische Regenwälder und Korallenriffe gehören zu den artenreichsten und am komplexesten organisierten Ökosystemen dieser Erde. Rund die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten lebt in den Tropenwäldern.

Die biologische Vielfalt ist für sich alleine schützenswert und gleichzeitig unsere Lebensgrundlage. Wir nutzen täglich Nahrungsmittel, Trinkwasser, Medizin, Energie, Kleidung oder Baumaterialien. Intakte Ökosysteme sichern die Bestäubung von Pflanzen und die Bodenfruchtbarkeit, schützen uns vor Umweltkatastrophen wie Hochwasser oder Erdrutschen, reinigen Wasser und Luft und speichern das klimaschädliche CO2.

Die Natur ist auch die Heimat und zugleich ein spiritueller Ort vieler indigener Völker. Sie sind die besten Regenwaldschützer, denn besonders intakte Ökosysteme findet man in den Lebensräumen von indigenen Gemeinschaften.

Der Zusammenhang zwischen dem Verlust von Natur und der Ausbreitung von Pandemien ist nicht erst seit Corona bekannt. Eine intakte und vielfältige Natur schützt uns vor Krankheiten und weiteren Pandemien.

Die Auswirkungen: Artenschwund, Hunger und Klimakrise

 

Der Zustand der Natur hat sich weltweit dramatisch verschlechtert. Rund 1 Million Tier- und Pflanzenarten sind in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht. Auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN sind derzeit 37.400 Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht - ein trauriger Rekord! Experten sprechen von einem sechsten Massenaussterben in der Geschichte der Erde - das Tempo des globalen Artensterbens ist durch den Einfluss des Menschen um Hunderte mal höher als in den letzten 10 Mio. Jahren.

Auch zahlreiche Ökosysteme weltweit - 75 % Landfläche und 66 % Meeresfläche - sind gefährdet. Nur 3% sind ökologisch intakt – z.B. Teile des Amazonas und des Kongobeckens. Besonders betroffen sind artenreiche Ökosysteme wie Regenwälder und Korallenriffe. Rund 50% aller Regenwälder wurden in den letzten 30 Jahren zerstört. Das Korallensterben nimmt durch den globalen Temperaturanstieg immer weiter zu.

Hauptursachen für den massiven Rückgang der Biodiversität sind die Zerstörung von Lebensraum, intensive Landwirtschaft, Überfischung, Wilderei und Klimaerwärmung. Rund 500 Milliarden US-Dollar jährlich werden weltweit in die Zerstörung der Natur investiert - in Massentierhaltung, Subventionen für Erdöl und Kohle, Entwaldung und Flächenversiegelung.

Der Verlust an Biodiversität hat weitreichende soziale und ökonomische Folgen, die Ausbeutung der Ressourcen geht zu Lasten von Milliarden Menschen im globalen Süden. Die UN kann die 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung z.B. die Bekämpfung von Hunger und Armut nur erreichen, wenn die Biodiversität weltweit erhalten und für die nächsten Generationen nachhaltig genutzt wird.

Ohne den Erhalt der Biodiversität ist auch der Klimaschutz bedroht. Die Zerstörung von Wäldern und Mooren – als wichtige CO2-Senken - heizt den Klimawandel weiter an.

Die Lösung: Weniger ist mehr!

 

Die natürlichen Ressourcen der Erde stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Knapp zwei Erden verbrauchen wir Menschen, bei derzeitigem Ressourcenverbrauch werden es 2050 mindestens drei sein. Um für den Erhalt der biologischen Vielfalt als unserer Lebensgrundlage zu kämpfen, müssen wir den Druck auf die Politik weiter erhöhen.
Und auch in unserem Alltag lässt sich viel bewegen.

Mit diesen Alltags-Tipps schützt man auch die biologische Vielfalt:

  1. Öfter mal pflanzlich: Mehr buntes Gemüse und Tofu auf den Teller oder am besten gar kein Fleisch! Rund 80% der Agrarflächen weltweit werden zur Tierhaltung und zum Anbau von Tierfutter genutzt.
  2. Regional und Bio: Ökologisch erzeugte Lebensmittel verzichten auf den Anbau von riesigen Monokulturen und den Einsatz von Pestiziden. Der Kauf von regionalen Produkten spart zudem Unmengen an Energie!
  3. Bewusst leben: Brauche ich schon wieder neue Klamotten oder ein Handy? Oder kann ich Alltagsdinge auch gebraucht kaufen? Es gibt gute Alternativen zu Produkten mit Palmöl oder Tropenhölzern! Tropische Haustiere wie z.B. Papageien oder Reptilien sind tabu! Berechne jetzt deinen ökologischen Fußabdruck.
  4. Werde Bienenfreund:in: Auf dem Balkon oder im Garten freuen sich Bienen und andere Insekten über vielfältige, leckere Pflanzen. Aber auch ohne eigenes Grün kann man in einem Naturschutzprojekt in der Region aktiv werden.
  5. Protest unterstützen: Demonstrationen oder Petitionen gegen die Klimaerwärmung oder für eine Agrarwende üben Druck auf Politiker:innen aus, die auch für den Schutz der biologischen Vielfalt verantwortlich sind.

Lesen Sie hier, warum so viele Arten aussterben, bevor sie überhaupt entdeckt werden.

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