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RegenwaldReport 01/1997

Das System bricht zusammen"

Ein geheimes Gutachten bescheinigt deutschem Holzbetrieb verheerende Auswirkungen auf Pygmäen und den Wald

„Ich fände es gut, wenn Sie sich auf höherer Ebene kundig machten, zum Beispiel bei IUCN." Das schrieb der Bremer Holzhändler Dr. Hinrich Lüder Stoll 1995 an Umweltschützer. IUCN, International Union for the Conservation of Nature, das ist sozusagen schon fast eine amtliche Institution. Zahlreiche Regierungen sind Mitglied und die Zentrale sitzt in einem noblem Schweizer Büro. Eben diese IUCN hat eine Untersuchung auf der Holzkonzession CIB des Dr. Stoll im Nordkongo durchgeführt, im Auftrag und finanziert mit 80.000 Mark vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die Studie liegt noch immer in den Panzerschränken des Ministeriums und wird noch einmal „überarbeitet". Aber wie oft in solchen Fällen liegt auch eine Kopie bei Rettet den Regenwald auf dem Schreibtisch.

Kein Management-Plan

„CIB", die Tochterfirma der deutschen Feldmeyer in Bremen, ist das grösste Holzunternehmen in der Republik Kongo. Bei Politikern galt die Firma lange als „Musterbetrieb". Laut IUCN-Studie verursacht die Holzwirtschaft „mittel und langfristig eine bedrohliche Situation für die Ökologie, die Wirtschaft, und die Menschen im Nordkongo". Entgegen den Bekundungen der Holzhändler konstatiert die Studie: „Die gegenwärtige Holzernte ist nicht ökologisch nachhaltig." Die wichtigsten Voraussetzungen für eine ordentliche Forstwirtschaft fehlen: Es gibt keinen Management-Plan und keine nachträgliche Waldinventur. Weiter beklagen die Experten: „CIB konnte keinerlei Angaben machen über Wachstums- und Ertragsraten der eingeschlagenen Baumarten." 100.000 Kubikmeter Holz jährlich durfte CIB ursprünglich einschlagen, eine wissenschaftliche Grundlage gibt es für dieses Volumen nicht. Seit 1989 nimmt die Firma sogar das Recht in Anspruch, 150.000 Kubikmeter einzuschlagen. Die behördliche Genehmigung hierfür konnte CIB nicht vorlegen, lediglich einen Brief aus dem Jahr 1994, in dem das Forstministerium die Erlaubnis nachträglich bestätigt. Grosse Zweifel hegen die Fachleute von IUCN, ob eine „nachhaltige" Holzernte von afrikanischem Mahagoni überhaupt möglich ist, es sei denn es werden sehr geringe Mengen Holz über extrem lange Zeiträume eingeschlagen. Die Urwaldriesen sind zwischen 400 und 900 Jahre alt, aber schon nach 40 Jahren erfolgt der zweite Holzeinschlag. „Der zweite Einschlagszyklus, sollte es je einen geben, muss auf anderen Arten basieren". Das Team war enttäuscht über die „geringe Kenntnis über die Waldstruktur" und bescheinigt dem Musterbetrieb, man habe wenig getan „um eine nachhaltige Forstwirtschaft zu entwickeln". Die Holzernte richtet nicht nur ökologischen Schaden an, sie macht auch ökonomisch langfristig keinen Sinn.

Kontrolle - gleich null

Die Forstbehörde, zuständig für die Kontrolle der Holzfirmen, ist hoffnungslos überfordert. Die Beamten haben keine Fahrzeuge. Seit 15 Monaten wurden keine Gehälter mehr gezahlt. So können die Beamten ihrer Aufgabe nicht nachkommen, „selbst wenn sie hochmotiviert wären", heisst es in der Studie. Das hat verheerende Auswirkungen auf die Tiere im Wald. Viele Bewohner bessern sich ihr Einkommen mit Wildfleisch auf - Polizeibeamte eingeschlossen. Über das Holzcamp der Firma sagen die Wissenschaftler: „Die kommerzielle Jagd hat sich in Pokola rasend ausgebreitet." Mit fatalen Folgen für den Wald. Es wird praktisch alles gejagt, auch Elefanten und Gorillas. Dabei werden auch illegale Methoden angewandt, wie Metallschlingen oder das nächtliche „Jacklighting" mit Taschenlampen und Gewehren. An den Wochenenden fährt die Firma ihre Arbeiter mit eigenen LKWs zum Jagen in die Wälder. CIB behauptet zwar, das gelte nur für Leute mit gültiger Jagderlaubnis, doch die Gutachter zweifeln: „Ob diese Aktionen legal sind, ist fraglich." Am schlimmsten sind die Auswirkungen der kommerziellen Jagd. Professionelle Jäger werden von den CIB Lastern heimlich transportiert und bringen täglich neues Wildfleisch auf den Markt. So werden die Wälder regelrecht ausgeplündert. Die unkontrollierte Jagd hält IUCN für die schlimmste Folge der Holzwirtschaft. „Quasi jeder im Nordkongo isst Wildfleisch", bemerken sie, „Lebensmittelproduktion kann in dieser Gegend im grossen Stil niemals praktiziert werden", denn das Vieh würde TseTse-Fliegen zum Opfer fallen und Seuchen und Krankheiten breiten sich rasend schnell aus. Der Einfluss auf bedrohte Arten ist nicht annähernd abzusehen. Nur eines weiss man: Die Ausrottung von Wildtierarten kann dazu führen, dass auch Pflanzen aussterben, deren Verbreitung von Tieren abhängig ist.

Pygmäen im Abseits

IUCN stellt fest, dass die sozialen Bedingungen bei CIB besser sind als bei anderen Firmen. So zahlt CIB den Arbeitern mehr als üblich. Die Häuser der Holzarbeiter sind vergleichsweise gut ausgestattet. CIB hat auch eine Station für medizinische Versorgung eingerichtet und eine Schule gebaut. Die Lehrer sind Staatsangestellte, während der Arzt und die Schwestern von der Holzfirma bezahlt werden. Schule und Krankenhaus machen den Ort Pokola auch attraktiv für Bewohner der Nachbargebiete. 87 Prozent der Angestellten bei CIB sind nicht aus der Region. So konstatieren die Experten, dass trotz sozialer Massnahmen „die lokale Bevölkerung nicht in dem Masse von den Arbeitsplätzen in Pokola profitiert wie sie eigentlich sollte". Leidtragende der Entwicklung sind vor allem die Waldbewohner, die so genannten „Pygmäen". Schockierendes Ergebnis der Studie: „Ihre traditionellen Jagdgebiete sind von unkontrollierten Jägern überrannt worden", und weiter, „traditionelle Land- und Nutzungsrechte und Bewirtschaftungssysteme brechen rapide zusammen". Zwar gehört laut Artikel 9 der Konstitution von 1992 im Kongo alles Land dem Staat, aber traditionelle und Gewohnheitsrechte haben in Afrika für die Bevölkerung oft eine grössere Bedeutung als das geschriebene Gesetz. Was Umweltgruppen schon vor Jahren feststellten, konnten auch die Wissenschaftler nicht übersehen: „Die Erschliessung durch Strassen und die Invasion zahlreicher Jäger zerstören die Lebensweise der Pygmäen. Die Jagdaufseher müssen hilflos zusehen, wie die Tiere aus ihren Jagdgebieten von professionellen Jägern geplündert werden. Das ganze System bricht zusammen."

Ab in die Schublade

Nun könnten Umweltgruppen der deutschen Regierung gratulieren. Endlich wurde einmal schonungslos dokumentiert, was deutsche Holzhändler in den Urwäldern Afrikas tatsächlich anrichten. Schliesslich hatte man der besorgten Öffentlichkeit bereits im August 1996 erklärt, die IUCNStudie werde „in Kürze vorliegen". Nun ist der Bericht fertig - und wurde schnell in der untersten Schublade versenkt. Das Ministerium erklärt auf Anfragen, es handele sich nicht um ein Gutachten, sondern nur um einen Entwurf. Auch der Bremer Firmeninhaber Stoll hält das unbequeme Papier für „überarbeitungsbedürftig". Verständlich. Hat er doch in der Vergangenheit alle Hebel in Bewegung gesetzt, um unliebsame Kritiker von seiner Konzession fernzuhalten. 1996 verhinderte er sogar die Einreise von Umweltschützern in den Nordkongo. Auf dem Briefpapier der CIB erging an das kongolesisches Reiseunternehmen African Safari die Anweisung, Reinhard Behrend von Rettet den Regenwald und Korinna Horta vom Environmental Defense Fund nicht zu befördern. Das so eingeschüchterte Tourismusbüro musste zähneknirschend akzeptieren. *The World Conservation Union (IUCN), Assessment of the CIB forest Concession in northern Congo, A study an behalf of the Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick lung (BMZ), 1996

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