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RegenwaldReport 03/2003

„Hasta la victoria, siempre“

Umweltschützer kämpfen weiter um das Mindo- Reservat in Ecuador. Auf einem Sperrgrundstück bauen die WestLB-Partner inzwischen illegal. Ihnen droht eine 600-Millionen-Dollar-Klage

„Mit deutschem Geld werden unsere Wälder zerstört“, steht auf einem Transparent mitten in Mindo. Drei Autobusstunden von Quito entfernt, liegt der kleine Ort malerisch umrahmt von in Wolken gehüllten Bergnebelwäldern. Mit ihrer unglaublichen Vogelvielfalt sind sie das Kapital der 1.700 Dorfbewohner, die zu 80 Prozent vom Naturtourismus leben. Das „Mindo-Nambillo-Reservat“ gehört zu den fünf artenreichsten Waldgebieten der Welt. Marco, Giovanni und Carmen von der „Accion por la Vida“ haben das Transparent aufgehängt. Mindo ist das Zentrum des Widerstands gegen eine Öl-Pipeline quer durch Ecuador, die maßgeblich von der WestLB finanziert wird. Die Rohre verlaufen mitten durch das Mindo-Reservat. Und stellen das Dorf vor eine Zerreißprobe.

Der Bürgermeister streitet für die vom Ölkonsortium OCP gebaute Pipeline, seit dieses ihm einen Computer geschenkt hat. OCP hat auch eine Brücke über den Rio Mindo finanziert und das Freibad neu gekachelt. Einige Dorfbewohner lassen sich davon beeindrucken, andere pinseln „Fuera OCP“ an die Hauswände – „Hau ab OCP“. Schließlich bedroht die Pipeline einen außergewöhnlichen biologischen Reichtum. Über 320 Säugetierarten leben in Ecuador, und mit etwa 1.600 Vogelarten beherbergt das kleine Land mehr als doppelt so viele wie in ganz Europa vorkommen.

„Ecuador ist Südamerikas Arche Noah“, sagt die deutsche Kolibri-Expertin Heike Brieschke, die seit über zehn Jahren in Mindo lebt. Die gebürtige Bonnerin ist Mutter von zwei kleinen Kindern. Trotzdem klettert sie auf Baumaschinen, hängt Transparente auf, hakt sich bei ecuadorianischen Bauern unter und skandiert: „Keine Pipeline!“. Gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie den Verein „PuntosVerdes“, der sich besonders für den Erhalt des Regenwaldes einsetzt. „Die neue Pipeline bedroht unsere Arche Noah“, sagt Heike Brieschke.

Ein Blick auf die Folgen der bisherigen Ölförderung in Ecuador erklärt ihre Befürchtungen. Vor gut 30 Jahren begann das Geschäft mit dem „schwarzen“ Gold. Hinterlassen hat es bunt schillernde Ölseen mitten im Regenwald, geborstene Pipelinerohre, tote und kranke Menschen, von Ausrottung bedrohte Tierarten und ein Schwindel erregendes Schuldenloch. Die neue Pipeline werde die Situation dramatisch verschärfen, fürchten viele Umweltschützer und Vertreter der zahlreichen Indio-Völker, die teilweise noch sehr isoliert in den Amazonaswäldern leben. Die Planung des Ölprojektes und die bisherigen Bauarbeiten der Pipeline waren von Korruption, Menschenrechtsverletzungen und schweren Umweltschäden geprägt, weswegen die Wut der betroffenen Bevölkerung wächst.

„Mit dem neuen Ölboom verstärken sich die Invasion von Siedlern und die Industrialisierung des Amazonas“, erzählt der katholische Bischof Ganzalo Lopez aus der Ölprovinz Sucumbios. „Die Folge ist ein brutaler Wechsel, der Traditionen und die Ruhe der Region zerstört.“ Nach seinen Beobachtungen fahren Regierung und Ölfirmen einen zunehmend härteren Kurs. Die Bauarbeiten zur „WestLB-Pipeline“ werden von Spezialeinheiten der Polizei bewacht. Einschüchterungen von Pipelinegegnern und gewaltsames Betreten von privaten Grundstücken gehören entlang der Trasse zum Alltag.

Der neue Ölboom im Amazonas bedroht zudem Naturparadiese wie das Cuyabeno Wildlife Reservat im Nordosten. Es beherbergt 14 Ökosysteme mit einer atemberaubenden Artenvielfalt. Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass das Reservat weltweit vermutlich die höchste Baumartenvielfalt besitzt: 307 auf einem einzigen Hektar! 493 Vogel- und über 100 Säugetierarten wurden bisher nachgewiesen. Ein Teil des Schutzgebietes gehört zu den traditionellen Lebensräumen der indigenen Völker Siona, Cofan und Secoya, die vom wachsenden Naturtourismus profitieren – noch. Um die neue Pipeline zu füllen, wollen internationale Konzerne zusätzliche Ölfelder auch im Cuyabeno-Reservat ausbeuten. Heike Brieschke will das verhindern. Keuchend steht sie im Bergnebelwald von Mindo. Mit zwei Dutzend lokalen Umweltschützern ist sie auf dem Weg zu einem Sperrgrundstück, der steil bis auf 2.800 Meter nach oben führt.

Das 800 Hektar große Gelände wurde von Rettet den Regenwald gekauft und den Naturschützern aus Mindo überschrieben. Obwohl das zuständige Gericht bestätigt hat, dass unter anderem Heike Brieschke Eigentümerin des Grundstücks ist, bauen dort die WestLBGeschäftspartner die Pipeline illegal weiter. Die Umweltschützer aus Mindo haben gegen OCP deswegen eine Schadensersatzklage über 600 Millionen US-Dollar eingereicht, die vom zuständigen Gericht inzwischen angenommen wurde und demnächst verhandelt wird. Die Kläger wollen zudem das Ölkonsortium zwingen, die bereits verlegten Rohre aus dem Sperrgrundstück wieder zu entfernen. Auch wenn sich der Prozess vermutlich über Jahre hinzieht – über OCP schwebt die ganze Zeit die Gefahr einer riesigen Zahlung. Für die Kreditgeber, allen voran die WestLB, reichlich Grund zur Sorge.

„Wir wollen mit dem Sperrgrundstück die neue Öltrasse stoppen, weil sie für das ganze Land katastrophale Auswirkungen haben wird“, sagt die Kolibri-Expertin. Eine erste Erfolgsmeldung kommt ganz frisch aus der ecuadorianischen Hauptstadt. Eine geplante doppelspurige Autobahn zwischen den Metropolen Guayaquil und Quito sollte ursprünglich mitten durch das Schutzgebiet Mindo-Nambillo führen. Wegen des Widerstands der Bevölkerung von Mindo gegen die Pipeline, ziehen die Planer jetzt eine Route vor, die das Naturschutzgebiet nicht berührt. Oben auf dem Sperrgrundstück haben die Umweltkämpfer von „Accion por la Vida“ ein Transparent gehisst, das ihr Motto verrät: „Hasta la victoria, siempre“, steht darauf. Immer vorwärts bis zum Sieg.

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