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RegenwaldReport 02/2006

Kahlschlag-Diesel, nein danke!

Die Industrie entdeckt das lukrative Geschäft mit Treibstoff aus Palmöl und darf auf Steuergelder hoffen, obwohl der „Bio“diesel-Boom Regenwälder vernichtet

„Palmöl ist ein wichtiger Grundstoff. Doch die Anlage von Plantagen führt zu Menschenrechtsverletzungen, sozialer Ungleichheit, Abholzung und Umweltzerstörung“, sagt Rudy Ready Lumuru, Direktor von Sawit Watch (= Palmöl Watch). Die indonesische Umweltorganisation hat seit 1998 auf Borneo ein Netzwerk von 50 lokalen Partnern aufgebaut – Kleinbauern, Indigene, Plantagenarbeiter, Menschenrechts- und Umweltaktivisten, Lehrer und Universitätsprofessoren. Sie arbeiten direkt mit rund 45.000 Familien in 75 Kommunen zusammen, deren Lebensgrundlage von Palmöl-Plantagen bedroht ist. „Etwa 100 von 220 Millionen Menschen insgesamt sind in Indonesien auf Wälder und ihre natürliche Ressourcen zum Überleben angewiesen, darunter rund 40 Millionen Indigene“, berichtet Rudy Ready Lumuru. „Sie brauchen die Wälder für den täglichen Bedarf, aber auch für das Überleben ihrer Kultur und Traditionen.“ Doch die riesigen grünen Wüsten aus Palmöl-Monokulturen fressen sich in dem südostasiatischen Land immer tiefer in die Regenwälder: Seit 1999 wurde die Plantagenfläche von drei auf weit über fünf Millionen Hektar ausgedehnt. Gerade die vergangenen Jahre haben bewiesen, dass praktisch für jede neue Palmöl-Plantage Wald zerstört wird und die Branche dabei häufig gezielt Regenwald per Brandrodung vernichtet, um neue Flächen zu gewinnen. Die teilweise von westlichen Banken finanzierte Palmölindustrie gehört damit zu den größten Regenwaldfressern in Indonesien. Laut Sawit Watch ist eine ökologisch und sozial nachhaltige Produktion auf den Plantagen grundsätzlich nicht möglich. Die Vernichtungsorgie hat viel damit zu tun, dass wir Energie verschleudern. Die aktuelle Ölkrise hat einen weltweiten „Bio“diesel-Boom ausgelöst, und Indonesien setzt künftig auf Kraftstoffe aus Palmöl.

2008 will das Land in der Provinz Jambi auf Sumatra die erste Palmöl-Raffinerie in Betrieb nehmen, die Rohstoffe stammen von einer 31.000 Hektar großen Plantage, für die einst Regenwald vernichtet wurde. „Bio“diesel ist nicht so ökologisch, wie die Vor-silbe „Bio“ suggeriert. Eine für 2007 geplante Palmöl-Raffinerie in Emden, die erste in Deutschland, die jährlich rund 430.000 Tonnen Palmöl aus Indo-nesien zu „Bio“diesel verarbeiten soll, zeigt, wohin der Weg geht: Es handelt sich nicht um Erneuerbare Energien, sondern um Kahlschlag-Diesel. Trotz-dem will das Land Niedersachsen die Millioneninvestition mit Steuergeldern fördern, weil die Fabrik in Emden einen Beitrag leisten könne, die Ab-hängigkeit vom Erdöl zu verringern. Die staatlichen Zuschüsse finanzieren indirekt die weitere Regenwaldvernich-tung in Indonesien. Das widerspricht der offiziellen Selbstdarstellung der Landesregierung, in der es heißt: „Das Leitbild der Nachhaltigkeit ist auch für Niedersachsen handlungsleitendes Prinzip der Umweltpolitik.“ Ebenfalls im Hafen von Emden planen Investoren bis zu 50 Blockheizkraftwerke, die mit Palmöl befeuert werden. Der erzeugte Strom würde in das Netz des regionalen Energieunter-nehmens eingegeben. Eine Regelung im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) legt fest, dass der örtliche Netzbetrei-ber verpflichtet ist, solche Anlagen zur Erzeugung von Strom „ans Netz anzu-schließen und den eingespeisten Strom zu vergüten.“ Nach Informationen der Grünen bliebe die anfallende Abwärme aus den Kraftwerken ungenutzt. „Es geht offenbar nur darum, Geld nach dem EEG zu kassieren“, so einer ihrer Sprecher.

Hauptstadt der Regenwaldzerstörung

Die Stadt Emden untergräbt mit der Unterstützung der Palmöl-Raffinerie ihr gutes Umweltimage. Seit die Ostfriesen 2005 den Deutschen Solarpreis erhalten haben, nennen sie sich „Regenerative Hauptstadt des europäischen Nordens.“ In der Laudatio hieß es damals, sowohl in Deutschland als auch in Europa sei Emden Vorbild bei der Nutzung erneuerbarer Energien. Jetzt ist Emden auf dem Weg, die Hauptstadt der Um-weltzerstörung zu werden. „Bio“sprit aus dem Regenwald reiße tiefe Wunden in das sensible Ökosystem, berichtet Rudy Ready Lumuru von Sawit Watch. „Zudem werden Kleinbauern und Wald-bewohner von den Palmölkonzernen systematisch vertrieben.“ Auch die Peter Cremer GmbH mit Sitz in Hamburg setzt un-geniert auf Profite aus Palmöl-Sprit. Die Toch-terfirma Cremerenergy GmbH engagiert sich nach eigenen An-gaben „seit 2004 im Zukunftsmarkt für regenerative Energien und koordiniert von Hamburg aus „den internationalen Einkauf sowie den europaweiten Handel mit Biodiesel.“ Inzwischen plant die Cremer GmbH eine Produktionsanlage für „Bio“diesel aus Palmöl in Singapore. John Hall, Generaldirektor von Cremer-Oleo, verrät, warum der Konzern die asiatische Wirtschaftsmetropole für die erste „Bio“diesel-Fabrik ausgesucht hat: „Von Singapore aus haben wir einen leichten Zugang zu reichlich vorhande-nem Palmöl in den Nachbarländern Ma-laysia und Indonesien.“ Von Singapore aus könnten die Produkte „zu unseren Märkten auf der ganzen Welt“ verschifft werden. Biodiesel sei mit einem vor-aussichtlichen Preis von 25 bis 30 US-Dollar pro Barrel sehr konkurrenzfähig. „Kinder und Tagelöhner arbeiten für einen Hun-gerlohn auf den Plantagen, nur deshalb ist das Palmöl so billig zu haben“, kontert Rudy Ready Lumuru.

Energie- und Verkehrspolitik ändern

Im April 2006 reiste er mit zwei Vertretern von Sawit Watch durch westeuropäische Länder, darunter Deutschland, um auf die dramatische Situation in seinem Land aufmerksam zu machen, die durch die explosionsartige Expansion von Palmöl-Anbau entstanden ist. Auf Initiative von Rettet den Regenwald und unterstützt durch Watch Indonesia, Borneo Orang Utan Survival Foundation und Sawit Watch entstand eine Resolution, mit der ein Bündnis von rund 40 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen den Einsatz von Treibstoff aus Palmöl auf Kosten von Waldökosystemen ablehnt. „Der weltweite Palmölboom ist einer der größten Flüche für die Regenwälder und ihre Bewohner. Waldzerstörung, Vergiftung von Böden, Wasser und Luft durch Agrargifte sowie Landkonflikte und Verarmung der betroffenen Menschen sind die Folgen“, beginnt die gemeinsame Erklärung der Nichtregierungsorganisationen, die unter anderem vom BUND, NABU, von Robin Wood, urgewald, der Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz, OroVerde, terre des hommes, Pro Regenwald und dem Deutschen Naturschutzring unterzeichnet wurde. Kernforderungen sind eine „grundlegende Änderung unserer Energie- und Verkehrspolitik.

Dazu gehören vor allem:

• die Förderung des öffentlichen Personenverkehrs zu Lasten des PKW- und Flugverkehrs

• konsequente Energiesparmaßnahmen wie zum Beispiel die gesetzliche Festschreibung des maximalen Treibstoffverbrauchs auf drei Liter pro 100 Kilometer für PKW (Drei-Liter-Auto)

• der konsequente Ausbau von erneuerbaren Energien wie Sonnenernergie und Windkraft“. Gemeinsam mit Umwelt- und Menschenrechtsorganisation in Indonesien wie Sawit Watch oder Walhi fordern die Unterzeichner, „dass beim Einsatz tropischer Produkte für unseren Energiehunger strenge Kriterien eingehalten werden müssen. Dazu gehören vor allem:

• Keine Umwandlung von Primärwald in Plantagen

• Kein Abbrennen von Wald für die Anlage von Plantagen

• Keine Zertifizierung von Palmöl-Plantagen, da eine Palmöl-Monokultur nicht ökologisch nachhaltig bewirtschaftet werden kann und für die Menschen vor Ort eher Probleme als nachhaltigen Nutzen bringt

• Respektierung traditioneller Rechte und Landrechte

• Keine Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen, Polizei- und Militäreinsätze

• Einhaltung ratifizierter internationaler Abkommen (u.a. zu Indigenen, Biodiversität, Arbeiterrechten, Schutz von Plantagenarbeitern, Gesundheit)

• Keine Finanzierung und Hermes-Versicherung Natur zerstörender Projekte

• Keine tropischen Lebensmittelpflanzen ausschließlich zur Energiegewinnung

• Keine Flächen-Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion in den Anbauländern

• Förderung von biologischem Anbau ohne Einsatz von Kunstdünger und Agrargiften

• Förderung kleinbäuerlicher Strukturen in den Anbauländern

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