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RegenwaldReport 04/2006

Sperrgrundstück im Bergregenwald

Unser Jahrhundert-Projekt. Dank Ihrer Spenden konnte einmaliger Bergregenwald gekauft werden. Mittlerweile wurden auf diese Weise fast 3.000 Hektar im Intag in Ecuador geschützt

Im Intag, nordwestlich von Quito wehrt sich seit mehr als zehn Jahren die Bevölkerung gegen Pläne zum Abbau von Bodenschätzen. Die Waldfläche mitten in der Minenkonzession ist Brennpunkt des friedlichen Widerstands und blockiert der Bergbaufirma Ascendant Copper Corporation den Zugang. Die versucht mit Repressalien den Widerstand zu brechen und den Wald zu besetzen.

„Als ich am 17. Oktober 2006 frühmorgens den Telefonanruf eines Nachbarn erhielt, dass sehr viele Polizisten zu meinem Haus im Regenwald marschieren würden, habe ich keine Sekunde gezögert. Ich rief „auf Wiedersehen” zu meinem Sohn und rannte aus dem Haus. Nicht einmal von meiner Frau konnte ich mich verabschieden.

Während ich mich im nahe gelegenen Regenwald versteckte, kam die Polizei an, insgesamt 19 Personen. Einige trugen automatische Waffen, andere Gesichtsmasken und alle kugelsichere Westen. Sie zeigten mit ihren Gewehren auf meine Frau und Sohn, befahlen ihnen, sich nicht zu bewegen. Dann brachen sie in unser Haus ein und begannen, alles durcheinander zu werfen, unsere Habseligkeiten zu plündern, meine Frau und Sohn zu beschimpfen und umher zu schubsen.

Eine Stunde lang wurde unser kleines Bauernhaus intensiv „durchsucht”, ohne Ergebnisse. Als die Polizisten wieder abziehen wollen, finden sie angeblich eine Pistole im Zimmer meines Sohnes und einen Beutel mit Marihuana auf unserem Schlafzimmerregal. Der Albtraum hatte angefangen. Nun fürchte ich um mein Leben und muss mich wie ein Krimineller vor der Polizei verstecken.” So der Hilferuf von Carlos Zorilla vom Überfall auf seine Familie und Haus.

Repressalien gegen lokale Bevölkerung wirken nicht

Was nach dem Einsatz einer Spezial-einheit der Polizei zur Terroristenbekämpfung klingt, ist in Wirklichkeit wohl eine weitere von der kanadischen Bergbaufirma Ascendant Copper Corporation (Kupfer heißt auf Englisch Copper) organisierte Repressalie gegen die Bevölkerung im Intag. In den Bergregenwäldern besitzt die Firma mehrere Konzessionen zum Abbau von Kupfer und Molybdän. Carlos, lokaler Bauer und Umweltschützer, hat sich den Plänen der Bergbaufirma entgegengestellt. Seit Jahren ist er einer der führenden Köpfe des friedlichen Widerstands gegen den Bergbau im Intag.

„Ascendant konnte nie mit der Exploration der Metallvorkommen beginnen“, erklärt Carlos. „Unser Widerstand hat der Firma Millionen an US-Dollar gekostet, der Aktienkurs ist verfallen. Die Aktien der Firma sind neben der Börse im kanadischen Toronto seit September auch an der Frankfurter Börse notiert. Doch die Kupferpreise klettern Monat für Monat auf Höchststände, da ist viel Geld im Spiel“

Ans Aufgeben denkt er nicht, im Gegenteil. So wie die übrige Bevölkerung im Intag lässt er sich nicht einschüchtern und entmutigen. Mit jeder Aggression von Ascendant gegen die Bauern wachsen der Widerstand und die Proteste. Die Menschen haben sich in zahlreichen alternativen Organisationen zusammengeschlossen, wie Bauern-, Tourismus-, Handwerks-, Frauen- und Jugendgruppen. Zusammen sind sie stärker.

Lange Unterstützung durch Rettet den Regenwald

„Wir haben Unterstützerschreiben und Protestbriefe aus aller Welt bekommen. Das macht uns Mut und hilft, Druck auf die Regierung und Ascendant auszuüben“, erklärt Carlos. Allein an der Unterschriftenaktion von Rettet den Regenwald haben schon Hunderte von Menschen teilgenommen. Seit 1997 unterstützt und begleitet Rettet den Regenwald die Bevölkerung im Intag. Die Spendengelder haben Versammlungen, Workshops, Fahrten, Informationsmaterialien, ein Video über den Widerstand, alternative Entwicklungen wie das Ökotourismusprojekt in Junin und vieles mehr ermöglicht. Immer wieder haben wir den Intag besucht und den Menschen mit Rat und Tat beiseite gestanden.

Regenwaldkauf Schlüssel des Erfolgs

Der Schlüssel des Erfolgs liegt zum großen Teil im Sperrgrundstück des Dorfes Junin. „Der Kauf des Bergregenswalds hat die Menschen sehr motiviert und ist der Brennpunkt des Widerstands“, sagt Polibio Perez, Präsident des Rates der Dörfer im Intag. „Und ohne den Kauf würden viele der Bergregenwälder heute wohl nicht mehr existierten“.

Die Dorfbewohner schützen und verteidigen ihren Wald seit 1999, als die ersten 50 Hektar Bergregenwald gekauft wurden. Im Laufe der Jahre wurden mit Spendengeldern von Rettet den Regenwald weitere angrenzende Waldflächen dazu gekauft, mitten in der Bergbaukonzession und direkt über dem Kupfervorkommen. Bis heute ist sind auf diese Weise 2.966 Hektar Bergregenwald zusammengekommen. Zu dieser Zahl kommt ein Vermessungstechniker, der den Gemeindewald vermessen hat. Nun erstellt er Landkarten, in denen die genaue Lage und die Koordinatenpunkte eingetragen werden.

Bauern zu Ökoterroristen erklärt

Wer so wie Carlos für einen rationellen Umgang mit der Natur und seine verfassungsmäßig garantierten Rechte eintritt, wird nun schon seit Monaten mit Todesdrohungen, anonymen Telefonanrufen und Verleumdungs-kampagnen terrorisiert und zum Ökoterroristen erklärt. Daran, dass dahinter Ascendant steckt, hat niemand Zweifel. Es scheint, dass die Firma mit der Verbreitung von Angst, Willkür und Gesetzlosigkeit den Widerstand der Bevölkerung gegen den Bergbau ersticken will.

Ascendant hat viel Geld und kann damit politische Entscheidungen erkaufen. Mit fingierten Anschuldigungen werden Haftbefehle erwirkt. „Diese Firma ist wie ein Polyp, dessen Fangarme in die Ministerien und in andere Teile des Landes reichen“, sagt Silvia Quilumbango, Präsidentin von DECOIN. Auch hinter dem Überfall auf Carlos steckt die Firma, so die Vermutung.

„Die Strategie der Firma geht nicht auf, doch die ständigen Anzeigen kosten uns viel Zeit und verursachen hohe Kosten für Versammlungen, Fahrten, Anwälte und Gerichtsverfahren”, erklärt Carlos. Zwei der Entführung von Firmenarbeitern angeklagte Bauern wurden Anfang Oktober aus dem Gefängnis entlassen. „Die beiden harmlosen Bauern sollen sieben Bergarbeiter entführt haben. Das ist doch lächerlich”, sagt Carlos kopfschüttelnd. Auch am Tag zuvor wurden fünf Bauern vom Provinzgericht in Ibarra frei gesprochen. Ascendant hatte sie angezeigt, weil sie angeblich hinter dem Brand eines Hauses der Firma im Intag gesteckt haben sollen.

Dorfbewohner blockieren den Zugang

Wenige Tage später dann eine neue Invasion von Ascendant. Dieses Mal marschieren etwa 80 von Ascendant bezahlte Arbeiter und von außerhalb angeheuerte Schlägertypen durch die Dörfer Barcelona und Cerro Pelado. Macheten schwingend, mit gezogenen Waffen, Kampfhunden und Tränengas-wolken versuchen sie, in Richtung Bergregenwald über der Kupferkonzession voranzukommen. Die Dorfbewohner lassen sich nicht einschüchtern und versperren den Weg über ihre Grundstücke. So geht es nun schon seit Monaten.

Auch die Provinzregierung und Auki Tituaña, indigener Bürgermeister des Landkreises Cotacachi, zu dem der Intag gehört, sind gegen den Bergbau, solidarisch mit der Bevölkerung und haben die Rücknahme der Bergbaukonzessionen im Intag verlangt. „Damit möchten wir zeigen, das nicht jeder machen kann was er will, um unsere Ressourcen für sich auszunutzen”, sagt Tituaña.

Gezielte Desinformation ist eine weitere Strategie von Ascendant. Anstatt von der Umsiedelung der Dörfer, Umleitung der Flüsse, den Stauseen angefüllt mit hochgiftigen Schwermetallen und dem kilometergroßen Loch zu berichten, das mitten in die Bergregenwälder im Toisangebirge gerissen werden soll, verspricht sie Fortschritt und Entwicklung: Baumschulen, Aufforstung, landwirtschaftliche Projekte, Arbeitsplätze, Straßen, Schulen, Universitäten. Mit Geldzahlungen an einzelne Personen versucht Ascendant den sozialen Frieden zu stören. Doch nur wenige Leute lassen sich auf diese Weise ködern.

Weitere Unterstützung notwendig

Zur Fortsetzung des Widerstands gegen den Bergbau brauchen die Menschen im Intag unsere Unterstützung, finanziell und durch Aktionen. Auch in Zukunft sollen weitere Grundstücke für die Bauern im Intag gekauft und der Widerstand unterstützt werden. Spendengelder werden aber auch benötigt für die etwa acht Verfahren gegen 27 Bauern und Umweltschützer aus dem Intag.

Die Erfolge können vor Ort besichtigt werden. Das Dorf Junin betreibt ein Ökotourismusprojekt. Den Touristen werden unter anderem Führungen durch das Sperrgrundstück im Bergregenwald angeboten. Letzter Tipp: Gehen Sie sparsam mit Rohstoffen wie Kupfer um und geben Sie ausgediente Teile zum Recycling.

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