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Regenwald Report 04/2010

Wissen ist Waldschutz

Der Mau-Wald im Westen Kenias hat in den letzten Jahrzehnten schwer gelitten. Für Holzindustrie und Besiedlung ging die Hälfte dieses wichtigen Wasserreservoirs verloren. Jetzt will die Regierung aufforsten – und tut das, was das Volk der Ogiek schon seit langer Zeit in Eigenregie übernimmt. Wir haben die Hüter des Waldes besucht.

Das Bergland ist durchlöchert wie eine Maulwurf-Wiese. „Passt auf, wo ihr hintretet“, sagt Margret Telanak, greift sich einen großen Jutesack und füllt ihn mit 35 Zedern-Setzlingen. 40 Frauen und Männer aus dem nahen Dorf Baraget lassen an diesem Tag ihre Feldarbeit ruhen, um Bäume zu  pflanzen – jeder von ihnen hundert Stück. Die Löcher dafür haben sie schon gegraben. „Die Forstbehörde zahlt uns 250 Schillinge am Tag“, sagt Margret, „das ist mehr als wir mit unserer Farmarbeit verdienen können.“ 250 Schillinge entsprechen ungefähr 2,50 Euro.

24.000 junge Zedern, Steineiben, afrikanische Pflaumen- und Ölbäume werden in den kommenden Jahrzehnten in der Baraget-Region heranwachsen – Baumarten, die hier im Mau-Wald im westlichen Kenia seit jeher heimisch sind.

„Diese Aktion gehört zum Aufforstungsprogramm der Regierung, die Premierminister Raila Odinga im Januar mit der symbolischen Pflanzung eines Baumes begonnen hat“, erklärt Mwaura Nderitu. Er ist Schuldirektor und Gründer der Jugend- und Umweltorganisation YGEP (Youth Governance and Environmental Programme).

Die Jugendlichen lernen, die Ressourcen ihres Landes zu bewahren

Sie wird von Rettet den Regenwald unterstützt – und deshalb besuchen wir ihre Projekte. Mwaura Nderitu hat diese Gruppe ins Leben gerufen, um junge Menschen im sorgsamen Umgang mit den Ressourcen ihres Landes zu schulen; damit sie wissen, was ihnen verloren geht, wenn es nicht gelingt, die Naturschätze ihrer Heimat zu bewahren. Dazu gehört natürlich der Mau-Wald, in dem sie leben.

Für das Projekt werden Umweltclubs gegründet, Schulprojekte organisiert und Workshops für junge Farmer. „Eine aktuelle Gefahr für unsere Region sind die von Regierung und Konzernen geplanten Jatropha- Plantagen“, sagt Mwaura Nderitu. „Große Monokulturen sollen den internationalen Markt mit Pflanzenöl für die Agrospritproduktion beliefern. Dabei ist wissenschaftlich längst bewiesen, dass der  Jatropha-Baum und seine Ölfrucht dafür nicht geeignet sind und in dieser Region nicht gedeihen.“ Dennoch befürchten die Umweltschützer, dass der Mau-Wald nicht nur mit endemischen Bäumen aufgeforstet werden soll, sondern in großem Stil auch mit Jatropha. „Deshalb müssen wir informiert und wachsam sein“, so Mwaura.

Nur wenige Kilometer jenseits von Baraget wohnen Menschen, die das Wissen um den Wert der Bäume und um ihren Schutz nie verloren haben – sie gehören zum Volk der Ogiek, das seit Anbeginn mit dem Mau-Wald lebt. Als wir eine ihrer kleinen Siedlungen erreichen, sind Benson und Tibson gerade mit Hacke und Schaufel auf dem Weg in den Wald. Die beiden Jungen wollen Setzlinge ausgraben, um sie am Saum ihrer Felder wieder einzusetzen. „Das ist unser Beitrag zur Aufforstung des Mau-Waldes,“ erzählt uns Sigilai Kiprono, ein alter Mann von 80 Jahren, der hier mitten im dichten Dschungel aufgewachsen ist – und jetzt vier Kilometer laufen muss, um mit Pfeil und Bogen auf die Jagd zu gehen. „Schon sehr lange pflanzen wir die jungen Bäume aus dem Primärwald an seinen Rändern wieder an, denn zu verheerend sind inzwischen die Dürrezeiten infolge Jahrzehntelanger Abholzung.“ Sigilai Kiprono betrachtet es als gutes Zeichen, dass die kenianische Regierung endlich auch erkannt hat, dass der Mau-Wald wieder aufgeforstet werden muss, um noch schlimmere Katastrophen zu verhindern.

Die artenreichen Bergregenwälder des Mau gehören zu den größten zusammenhängenden Primärwäldern, die Ostafrika noch besitzt. Obwohl in den letzten 80 Jahren mehr als die Hälfte verloren ging. Vor allem durch die Holzindustrie und die Menschen, die immer weiter in die Wälder vorgedrungen sind, um dort ihre Felder anzulegen. Nicht alle allerdings aus purer Not. Ex-Präsident Moi zum Beispiel besitzt dort ein Anwesen inklusive Teeplantagen. In seiner Nachbarschaft finden sich auch einige seiner Anhänger und Politiker aus der Moi-Ära. Großzügig vergab die damalige Regierung Grundstücke und Landtitel an das Wahlvolk. Doch jetzt wird aufgeforstet – und viele Siedler müssen weichen. „Wer Land bekam, muss entschädigt werden“, sagt Mwaura Nderitu. „Doch immer mehr Siedler sind nachgedrängt und leben hier ohne Papiere. Sie müssen behutsam umgesiedelt werden; die Regierung muss ihnen woanders ein Stück Land geben und Besitzurkunden. Doch was hier passiert, ist brutale, menschenverachtende Vertreibung.“

Wir begleiten den Umweltschützer nach Kapkembo zu einem der Flüchtlingscamps und sind geschockt von dem Elend, in dem diese Menschen leben müssen – seit November 2009. 680 Frauen, Männer und Kinder wohnen dicht an dicht in Behausungen mit Plastikplanen entlang der lehmigen Straße – ohne Wasser und Strom. Es ist kalt hier oben in den Bergen, die Kinder sind krank, denn Plastik hält nicht warm. „Wir hatten zwei Wochen Zeit, um unsere Häuser und Farmen zu verlassen“, erzählt Ezekiel Kirui, der Sprecher des Camps. „Wir konnten nur ein paar Dinge mitnehmen. Dann wurde alles zerstört. Wir haben die Bäume nicht gefällt. Wir haben nur nach einem Stückchen Land gesucht, um zu überleben. Jetzt besitzen wir gar nichts mehr.“

Ein paar Männer zeigen uns den Ort, wo ihre Häuser standen. Dort wächst jetzt ein Schild aus dem wuchernden Grün: Kenya Forest Service – Trees for better lives, Bäume für ein besseres Leben. Im Konflikt zwischen der Natur und den Menschen bleiben diesmal die Menschen auf der Strecke – aber es sind die Ärmsten der Armen.

Am nächsten Tag besuchen wir noch einmal die Ogiek im Marishon- Gebiet. Von Molo, Mwauras Heimatstadt, fahren wir Richtung Süden in das Bergland hinein. Gleich die nächste Stadt Elburgon wird dominiert vom Sägewerk der Firma Timsales Ltd. Seit 80 Jahren holzt der Konzern im Mau-Wald und verarbeitet die Stämme zu Brettern, Türen und Möbeln für das In- und Ausland. Timsales’ größte Anteilseigner sind die Familien der Ex-Präsidenten Kenyatta und Moi.

Malerisches Bergland erstreckt sich links und rechts der lehmroten Straße, Mais- und Kartoffelfelder, Weiden für Kühe und Schafe, dazwischen die strohgedeckten Rundhütten der Bauernfamilien. Es ist eine durch und durch von Menschen gestaltete Kulturlandschaft; hin und wieder unterbrochen von vereinzelten Baumgruppen, wildem Buschland oder Eukalyptus- und Pinienplantagen – Nutzholz, das hier nicht heimisch ist. Und dann führt uns die Straße endlich durch Urwald, dichtes vieltöniges Grün, aus dem gewaltige Baumgestalten ragen. „So hat es hier früher überall ausgesehen“, sagt Mwaura, der sich noch gut an den großen Dschungel seiner Kindheit erinnern kann.

Es regnet in feinen Schleiern, als wir das kleine Kulturzentrum der Ogiek erreichen. Aber die Männer und Frauen, die uns erwarten, freuen sich darüber. Regen ist ein seltenes Gut geworden in Kenia. Sigilai Kiprono lädt uns in seinen Familienweiler ein. Ein paar Lehmhütten für vier Erwachsene und zehn Kinder, Lagerhäuser für Mais, Bohnen und Kartoffeln, Unterstände für Hühner und Schafe.

Das Volk der Ogiek musste den Wirtschaftsinteressen weichen

„Schon vor vielen Jahren wurde unser Volk gezwungen, sesshaft zu werden“, sagt Sigilai Kiprono. „Wir mussten unser Nomadenleben aufgeben, weil die Regierung den Wald bewirtschaften wollte und auch Platz für andere Siedler brauchte. Viele von unseren Kindern zogen deshalb in die Städte und hofften dort auf ein besseres Leben. Wir müssen sehr achtsam sein, dass die Jahrtausende alte Weisheit unserer Vorfahren, wie wir den Wald nutzen und gleichzeitig bewahren, nicht verloren geht.“ Und dann erzählen uns die Ogiek von ihrer Vision: Sie wollen ein Kultur- und Naturzentrum bauen, um den Kindern ihres eigenen Volkes, aber auch allen anderen Kindern rund um den Mau-Wald dieses Wissen zu vermitteln. Mit zwei Hütten, einer traditionellen und einer modernen, haben sie ihr Projekt schon begonnen. Rettet den Regenwald will den Ogiek helfen, ihre Vision wahr zu machen. Damit der Mau-Wald wieder wachsen kann.

Das Volk der Ogiek -
Hüter des Mau-Waldes

So weit die Erinnerung der Ogiek zurück reicht, haben sie als Jäger und Sammler vom Wald gelebt. Der Mau- Wald war und ist ihre Heimat. Jeder hat sein Stück Wald kontrolliert und darauf geachtet, dass nichts zerstört wurde. Das Fällen von Bäumen war verboten. Nur das Holz des Wacholderbaumes durfte für den Bau von Bienenstöcken genutzt werden; für das Honigmachen waren die Alten zuständig. Das Sammeln von Früchten, Rinden, Blättern und Wurzeln für Nahrung und Medizin ist Aufgabe der Frauen und Kinder; ihr Wissen geben die Frauen an die nächste Generation weiter. Das Kulturzentrum ist ein großer Plan: Ein Haus für Seminare, eine Ausstellung zu Handwerk und Kleidung, Zeltplatz und Waldlehrpfad. „Wir wollen unseren eigenen Kindern, aber auch Schulklassen und Jugendgruppen unser Wissen vom Waldmanagement vermitteln“, sagt „Kulturchef“ Busierei. „Später soll ein Gästehaus für Ökotouristen aus aller Welt entstehen.“ Das erste Projekt ist eine Öko-Imkerei. Für diesen Beginn hat die Freiburger Firma Wasserkraft Volk AG 8.000 Euro gespendet. Wenn auch Sie zum Kulturzentrum der Ogiek beitragen wollen:

Spendenkonto: Rettet den Regenwald e. V. Sparda-Bank Hamburg Konto: 0000 600 463 BLZ: 206 905 00 Stichwort: Ogiek

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