Bundesregierung beschließt Ausstieg aus Palmöl für Biokraftstoffe

Fotomontage: Vor einer Rodungsfläche im Regenwald ist ein Sackgassen-Verkehrsschild eingesetzt © Rainforest Action Network - Montage Rettet den Regenwald - CC BY-NC 2.0

23.09.2021

Die Bundesregierung hat beschlossen, ab 2023 in Deutschland keine Biokraftstoffe aus Palmöl mehr zu fördern. Damit wird eine wichtige Forderung von Rettet den Regenwald endlich erfüllt - wenn auch viel zu spät und zögerlich. Nun müssen die durch die verfehlte Politik seit Jahren angerichteten Schäden behoben werden.

Was gut fürs Klima ist, darf nicht der Umwelt schaden, erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze am 22. September in einer Pressemitteilung. Daher verbannt Deutschland Palmöl ab 2023 aus dem Tank. Denn für Biosprit Wälder zu roden, Moore trockenzulegen und Natur zu zerstören ist nicht hinnehmbar, so die Ministerin weiter.

„Leider kommt diese Entscheidung viel zu spät und zögerlich", erklärt Marianne Klute, Vereinsvorsitzende von Rettet den Regenwald. „Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sowie die Einwohner:innen in den Anbaugebieten von Ölpalmen – darunter viele indigene Völker - kämpfen schon seit vielen Jahren gegen die Abholzung der tropischen Regenwälder durch die Palmölindustrie."

„Das Ende der Förderung von Palmöl muss schneller kommen, wir können nicht bis 2023 warten", sagt Feri Irawan von der indonesischen Umweltorganisation Perkumpulan Hijau. „Sonst gibt es weiterhin ungezählte Konflikte um die Ölpalmplantagen."

Ölpalmen gedeihen nur in Gebieten mit hohen Niederschlägen nahe am Äquator, also genau dort, wo sich die tropischen Regenwälder erstrecken. Hauptlieferanten des Palmöls sind Indonesien und Malaysia, kleinere Mengen kommen auch aus Mittel- und Südamerika sowie Afrika. Aktuell gibt es weltweit geschätzte 32 Millionen Hektar Ölpalmmonokulturen. Die Artenvielfalt wurde dadurch vernichtet, die Lebensgrundlagen der Menschen zerstört, Hunderte Landkonflikte ausgelöst und das globale Klima geschädigt.

„Die Bundesregierung hat die Proteste, Klagen und vorgelegten Studien immer wieder vom Tisch gewischt. Nun will sie einen Schlussstrich ziehen und sich aus der Verantwortung stehlen“, sagt Klaus Schenk, Wald- und Energiereferent von Rettet den Regenwald. „Millionen Hektar Regenwald wurden aufgrund der verfehlten Biokraftstoffpolitik von Bundesregierung und EU gerodet."

Mit dem angekündigten “Aus” für Palmöl im Biokraftstoff ab 2023 erfüllt das Bundeskabinett eine der zentralen Forderungen, für die RdR und unsere Partnerorganisationen seit vielen Jahren unermüdlich kämpfen. Nun muss die Bundesregierung klären, wann und wie sie die durch diese verfehlte Palmöl- und Biokraftstoffpolitik angerichteten Schäden wie Regenwaldrodung, Landvertreibung und den Verlust der Lebensgrundlagen indigener Völker beheben will.

„Die Lage auf den Ölpalmplantagen ist oft schlimm", sagt Feri Irawan. „Wir fordern: die Unternehmen, die Subventionen erhalten haben, müssen zur Verantwortung gezogen werden und die Umweltschäden und die sozialen Probleme, die sie angerichtet haben, endlich bereinigen, und das ab sofort."

Zertifizerung und nachhaltiges Palmöl sind gescheitert

Deutsche und EU-Nachhaltigkeitsvordnungen schreiben vor, dass nur nachhaltig produzierte Rohstoffe für die Produktion von Biokraftstoffen eingesetzt werden dürfen. Um dies auf dem Papier zu gewährleisten, ist deren Zertifizierung vorgeschrieben.

Die Bundesregierung hat dazu Zertifizierungsysteme wie ISCC und den Palmöl-Lobbyverein Forum für Nachhaltiges Palmöl (FONAP) aus der Taufe gehoben und finanziert. Beide dienen dazu, Palmöl grünzuwaschen, als umweltfreundlich darzustellen und den Verbrauch von zertifziertem Palmöl zu fördern. Auch diese Politik ist ganz offensichtlich gescheitert, wie die Worte der Bundesumweltministerin zeigen.

Frankreich hat bereits 2020 steuerliche Vergünstigungen für Palmöl gestrichen, womit dessen Einsatz für die Produktion von Biokraftstoffen nicht mehr rentabel ist. Im Juli 2021 hat die französische Regierung angekündigt, ein weiteres Schlupfloch für Palmölderivate zu schließen. Österreich hat zum 1. Juli 2021 Palmöl aus Biokraftstoffen ausgeschlossen.

Palmölanteil in Biokraftstoffen

Insgesamt wurden laut FONAP 1,26 Millionen t Palmöl im Jahr 2019 in Deutschland verbraucht, wobei auf den Transportsektor mit 646.000 t mehr als die Hälfte der konsumierten Palmölmenge entfiel. Weitere 80.000 t wurden als Biobrennstoff in Blockheizkraftwerken (BHKW) zur Erzeugung von Strom und Wärme verfeuert. Auf die Lebensmittelindustrie entfielen 246.500 t, auf Futtermittel 150.200 t, auf Chemie/Pharmazie 106.517 t und auf Wasch-, Pflege- und Reinigungsmittel sowie Kosmetik 29.622 t.

Palmöl hat laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) einen Anteil von 17,5% (2019) an den in Deutschland verbrauchten Biokraftstoffen. Beim Biodiesel (FAME) lag dieser Anteil bei 25% und für hydrierte Pflanzenöle (HVO – Hydrotreated Vegetable Oils) bei 100%. Demnach wurden 603.000 t Palmöl für die Produktion von Biodiesel und 42.000 t für HVO eingesetzt.

Ein weiterer nicht bezifferter Palmölanteil ist in für die Biokraftstoffproduktion eingesetztem Abfall und Reststoffen wie gebrauchten Frittierölen (UCO – Used Cooking Oils) enthalten, die überwiegend aus Asien importiert werden.

Weitere Kritikpunkte:

- Da Sojaöl weiter zugelassen ist, könnte es zu einer Substitution von Palm- durch Sojaöl kommen. Das würde die Abholzung der Regenwälder in Südamerika verschärfen.

- Für Kraftwerke, darunter Palmöl-BHKW, gilt die Entscheidung soweit bekannt nicht. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) fördert und finanziert die Verbrennung von Palmöl als nachhaltig. 

- Altspeisefette, Frittieröle (UCO) etc. aus Palmöl sind weiter als Rohstoffe für Biokraftstoffe zugelassen. Dabei gibt es offenbar massiven Betrug mit UCO. Die hohe Nachfrage nach UCO führt z.T. dazu, dass die Preise für UCO höher sind als für frisches Palmöl. Das ruft Betrüger auf den Plan. Frisches Palmöl wird offenbar in großen Mengen Frittierölen beigemischt und nach Europa exportiert. Das ist lukrativ, weil aus Abfällen und Resten produzierte Biokraftstoffe doppelt angerechnet und gefördert werden.


  1. 32 Millionen Hektar ÖlpalmmonokulturenNach Zahlen des US-Landwirtschaftsministeriums und der indonesischen Umwelt- und Sozialorganisation Sawit Watch gibt es weltweit etwa 32 Mio. Hektar Ölpalmplantagen. Eine ausführliche Aufstellung und Auswertung der Zahlen mit den Quellen finden Sie hier: https://www.regenwald.org/themen/palmoel/palmoelflaeche

  2. laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Nov. 2020: Evaluations- und Erfahrungsbericht für das Jahr 2019: Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung: https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/Klima-Energie/Nachhaltige-Biomasseherstellung/Evaluationsbericht_2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3

  3. massiven Betrug mit UCO

    - BBC News, 21. Apr. 2021: Climate change: Growing doubts over chip fat biofuel: https://www.bbc.com/news/science-environment-56819257

    - Europäische Ombudsstelle, 4. März 2021: Proposal of the European Ombudsman for a solution in case 1527/2020/MAS on the European Commission’s refusal to grant public access to documents regarding the origin and amount of used cooking oil reported to the Commission by voluntary certification schemes under the Renewable Energy Directive: https://www.ombudsman.europa.eu/de/solution/en/145657

    - Euractiv, 20. Nov. 2020: New fraud investigation casts doubt over used cooking oil origins: https://www.euractiv.com/section/agriculture-food/news/new-fraud-investigation-casts-doubt-over-used-cooking-oil-origins/

    - Euractiv, 26. Juli 2019: Industry source: one third of used cooking oil in Europe is fraudulent:https://www.euractiv.com/section/all/news/industry-source-one-third-of-used-cooking-oil-in-europe-is-fraudulent/

    - DELFT, Dez. 2020: Used Cooking Oil (UCO) as biofuel feedstock in the EU: https://www.transportenvironment.org/wp-content/uploads/2021/07/CE_Delft__200247_UCO_as_biofuel_feedstock_in_EU_FINAL%20-%20v5_0.pdf

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