Weder nachhaltig noch klimafreundlich: Neue Biodieselsorten B10 und XTL

Fotomontage: Tankstutzen vor Ölpalmsetzlingen im Regenwald Symbolbild: Zapfhahn vor Ölpalmsetzlingen zur Anlage von Palmölplantagen im Regenwald (© Globalfilm + Composer/Fotolia - Montage Sauvons la forêt)

05.04.2024

Es ist kein verspäteter Aprilscherz – die Bundesregierung hat die Einführung von zwei neuen Biokraftstoffen - B10-Diesel und XTL-Diesel - beschlossen. Beide werden aus Pflanzenölen wie Palm-, Raps- und Sojaöl, gebrauchten Frittierfetten oder Schlachtabfällen produziert. Unser Fazit: Nicht empfehlenswert, da weder wirklich umwelt- noch klimafreundlich.

Die Zahl der Autos und Lastwagen auf unseren Straßen nimmt laut Angaben des Kraftfahrtbundesamtes jedes Jahr zu, mit allen damit zusammenhängenden Problemen. Dazu gehören auch die laut Umweltbundesamt hohen und steigenden klimaschädlichen Emissionen des Verkehrs. Anstatt endlich eine Mobilitätswende mit umwelt- und menschenfreundlichen Verkehrskonzepten einzuleiten, hat die deutsche Bundesregierung zwei neuen Biokraftstoffen den Weg an die Zapfsäule geebnet:

Zum einen B10-Diesel, also fossiler Diesel mit 10 % Biodiesel-Beimischung. Dieser soll laut Bundesregierung für „neuere Fahrzeugmodelle“ geeignet sein, während für ältere Modelle weiterhin konventioneller Diesel mit einem Biodieselanteil von sieben Prozent (B7-Diesel) an den Zapfsäulen verfügbar bleiben soll.

Zum anderen können Tankstellenbetreiber sogenannten XTL-Diesel anbieten, einen hundertprozentigen Biokraftstoff (B100), der auch als paraffinischer Dieselkraftstoff oder hydriertes Pflanzenöl (Englisch: Hydrotreated Vegetable Oils - HVO) bezeichnet wird.

Allerdings ist es nicht sicher, ob B10-Diesel und XTL-Diesel wirklich in nennenswertem Umfang kommen, denn es besteht keine Angebotspflicht an den Tankstellen. Schon jetzt steht fest: XTL-Diesel wird erheblich teurer sein.

Wie und aus welchen Quellen der steigende Bedarf an Biokraftstoffen gedeckt werden soll, ist ebenso unklar. Sowohl B10 als auch XTL-Diesel werden aus pflanzlichen Speiseölen wie Raps und Soja, gebrauchten Frittierfetten, Rückständen von Palmölmühlen und Zellulosefabriken sowie Schlachtabfällen der Fleischindustrie hergestellt.

Das deutsche Umweltministerium sieht "keinen zusätzlichen Nutzen für den Klimaschutz" und schreibt weiter, dass die Potentiale an Rest- und Abfallstoffen aus der Industrie schon jetzt fast vollständig ausgeschöpft seien und "nicht gesteigert werden können". Und weiter: "Die Angaben Diesel B7 oder Diesel B10 machen keine Angaben über die Nachhaltigkeit des Kraftstoffes. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass damit Biokraftstoffe in höherem Maße Verwendung finden, welche indirekte Landnutzungseffekte aufweisen, das heißt indirekt für die Ausweitung von Anbauflächen auf Kosten von Wäldern und Mooren verantwortlich sind und damit sehr schädlich für Natur und Umwelt sind", so das Ministerium.

Der mit der Verordnung ermöglichte höhere Absatz von Biodiesel in Deutschland bedeutet damit voraussichtlich weiter zunehmende Importe von Biodiesel aus Raps- und Sojaöl - und Palmöl durch die Hintertür. Nachfolgend ein Blick auf die aktuellen Mengen und Herkünfte:

80 % des Biodiesels werden nach Deutschland eingeführt, darunter aus China, Indonesien, Südamerika und Australien

Laut den im Januar 2024 veröffentlichten Zahlen der für die Anrechnung von Biokraftstoffen zuständigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) werden 80 % des Biodiesels bzw. der für die Produktion benötigten Rohstoffe nach Deutschland importiert. Dazu gehörten im Berichtsjahr 2022  0,7 Millionen Tonnen Biodiesel aus Palm-, Raps- und Sojaöl aus Südostasien, Australien und Südamerika, was zweifellos alles andere als nachhaltig und klimafreundlich ist. Von europäischen Äckern stammten lediglich insgesamt knapp 0,5 Millionen Tonnen (2022) Raps-, Soja- und Sonnenblumenöl.

Seit 2023 wird in Deutschland aus Palmöl produzierter Biokraftstoff nicht mehr gefördert, was eigentlich das Aus an der Zapfsäule bedeuten sollte. Doch inzwischen werden große Mengen angeblich aus Abfall- und Reststoffen hergestelltem Biodiesel aus Übersee importiert - der Großteil aus fragwürdigen Quellen aus China und Indonesien. Schon 2022 waren das 0,9 Millionen Tonnen.

Dabei gibt es seit langem den Verdacht und Berichte, wonach dort frisches Palmöl widerrechtlich zu gebrauchtem Frittieröl umdeklariert wird. Das ist lukrativ, weil aus Abfall- und Reststoffen hergestellte Biokraftstoffe von Bundesregierung und EU besonders gefördert werden. Sehen Sie dazu die Fernsehreportage Fake-Biodiesel aus China? des ARD-Magazins Panorama 3 vom November 2023 als Video.

Mit der nun über die "Änderung der Zehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (10.BImSchV)" beschlossenen "Änderung der Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen" setzt die Bundesregierung nach eigenen Angaben Neuerungen in der EU-Richtlinie für Kraftstoffqualität um.

Vorangetrieben wurde die Initiative offenbar auch durch Lobbydruck der Agrar-, Erdöl- und Autoindustrie – im Zusammenspiel mit Politikern aus CDU-CSU, Freien Wählern und FDP. Mit Floskeln von angeblicher Nachhaltigkeit, Technologieoffenheit, Umweltfreundlichkeit und Klimaschutz wollen die Befürworter fossiler Mobilität den Autos und Lastwagen mit Verbrennungsmotor weiteres Leben einhauchen.

Wie geht es weiter?

Nach dem Bundestag hat im März 2024 auch der Bundesrat der entsprechenden Verordnung der Bundesregierung zugestimmt. Einige wenige Tankstellenbetreiber bereiten offenbar nun den Start von B10 und XTL-Diesel an ihren Zapfsäulen vor.

Vorstöße aus Bayern und Baden-Württemberg, den Einsatz von Bioethanol im Superbenzin zu fördern, wurden offenbar im Bundesrat abgewiesen. Die Landesregierungen wollten die Tankstellen von der Pflicht befreien, E5-Superbenzin anzubieten, um damit den Absatz von Super E10 anzukurbeln. Es wird demnach weiterhin sowohl Super E5 als auch Super E10 an den Tankstellen geben.

Super E10 gibt es in Deutschland seit 2011 an der Zapfsäule, hat jedoch aufgrund der vielen Probleme hinsichtlich seiner fragwürdigen ökologischen Bilanz, Menschenrechtsverletzungen und möglichen Unverträglichkeiten mit älteren Automotoren wenig Akzeptanz gefunden. 2022 hatte Super E10 mit einem Absatz von 4 Millionen Tonnen in Deutschland einen Marktanteil von 24 %, während der Anteil von E5 mit 12 Mio. t bei 76 % lag.

91 % des Ethanols werden importiert, darunter Zuckerrohr-Ethanol aus Lateinamerika

Laut Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) werden lediglich 9 % des in Deutschland verkauften Bioethanols aus heimischen Rohstoffen erzeugt. 91 % des Bioethanols stammen aus Importen aus benachbarten EU-Ländern oder von anderen Kontinenten.

13 % des in Deutschland verkauften Bioethanols - 156.000 Tonnen - werden aus Mittel- und Südamerika importiert. Der dazu genutzte Rohstoff ist Zuckerrohr. Das ist wesentlich mehr ist als die gesamte Bioethanolproduktion aus in Deutschland angebauten Rohstoffen. Zudem weist Zuckerrohr in den Statistiken der BLE eine starke Steigerung auf - die Menge hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt. Der Zuckerrohranbau ist häufig mit gravierenden Problemen wie Regenwaldrodung, Landkonflikten, Menschenrechtsverletzungen und Gewalt verbunden.

99 % der in Deutschland für Bioethanol angebauten Rohstoffe sind Nahrungsmittel – Weizen, Gerste, Roggen, Triticale (Weizen-Roggen-Kreuzung), Mais und Zuckerrüben. Der Anteil von Abfällen und Reststoffen beträgt lediglich 1 % und ist zudem seit Jahren stark rückläufig.

Ähnliche Situation in Österreich und der Schweiz

Auch in der Schweiz und Österreich gibt es ähnliche Regelungen und an einigen Tankstellen gibt es reinen Biodiesel B100 für gewerbliche Kunden zu kaufen. In der Schweiz sind seit dem 1. Januar 2013 auf Abfällen und Reststoffen basierende Biokraftstoffe von der Mineralölsteuer befreit.

Österreich hat mit einer Novellierung der Kraftstoffverordnung (KVO) zum 1. Januar 2023 begonnen, Super 95 E5-Kraftstoff an den Tankstellen durch Super 95 E10-Kraftstoff zu ersetzen, was inzwischen offenbar weitgehend abgeschlossen ist.

Aktualisiert am 18.4.2024


  1. Das deutsche UmweltministeriumBundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), 2024. Fragen und Antworten (FAQ) - Verkehr. Frage "Welche Bedeutung haben paraffinische Dieselkraftstoffe für den Umwelt- und Klimaschutz im Verkehr": https://www.bmuv.de/presse/fragen-und-antworten-faq?tx_bmubfaq_faq%5Bfilter%5D%5Bclusters%5D=247&cHash=99cd0c63242c7a56e9dce43ed7389972

    (...)

    Welche Bedeutung haben paraffinische Dieselkraftstoffe für den Umwelt- und Klimaschutz im Verkehr?

    Einige paraffinische Dieselkraftstoffe – wie beispielsweise HVO aus Abfall- und Reststoffen – können durchaus klimafreundlicher als herkömmlicher Diesel sein. HVO kann allerdings aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes auch entscheidende Nachteile haben:

    • HVO ist nicht grundsätzlich nachhaltig. Nur wenn nachhaltige Rohstoffe zur Herstellung eingesetzt werden, ist HVO auch nachhaltig. So kann HVO beispielsweise auch aus Palmöl hergestellt werden. Palmöl führt vor allem durch indirekte Landnutzungseffekte zu THG-Mehremissionen und zu sehr großen Biodiversitätsverlusten. Ein nachträglicher Nachweis der zur HVO-Herstellung eingesetzten Rohstoffe ist kaum möglich.
    • ­­­­Kein zusätzlicher Nutzen für den Klimaschutz. Die vorhandenen Mengen an nachhaltigem HVO-Diesel – zum Beispiel aus Altspeiseölen, die in der Gastronomie oder Lebensmittelindustrie als Abfallprodukt anfallen – werden bereits heute vollständig fossilem Kraftstoff beigemischt und können nicht gesteigert werden. Damit wird der CO2-Ausstoß eines großen Teils der Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen (geringfügig) gesenkt. Würde man die vorhandene Menge an nachhaltigem HVO-Diesel als Reinkraftstoff (100 Prozent) verwenden, reichte sie nur für eine kleine Zahl an Fahrzeugen. Es bringt also für den Klimaschutz keinen zusätzlichen Nutzen, wenige Fahrzeuge mit nachhaltigem Reinkraftstoff zu betreiben statt es für die gesamte Flotte beizumischen.

    (...)

    Was ist Diesel B10 und ist dessen Verwendung nachhaltig?

    (...)

    Wie nachhaltig ein Kraftstoff ist, hängt von der Herkunft des Rohstoffs ab. FAME wird unter anderem aus Rapsöl, Sojabohnen, Maiskeimöl oder auch Palmöl gewonnen. Die Zulassung höherer Beimischungsanteile von FAME in konventionellen Dieselkraftstoff ist zunächst eine technische Frage. Die Angaben Diesel B7 oder Diesel B10 machen keine Angaben über die Nachhaltigkeit des Kraftstoffes. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass damit Biokraftstoffe in höherem Maße Verwendung finden, welche indirekte Landnutzungseffekte aufweisen, das heißt indirekt für die Ausweitung von Anbauflächen auf Kosten von Wäldern und Mooren verantwortlich sind und damit sehr schädlich für Natur und Umwelt sind. Bis dato ist der Anteil von FAME aus Abfällen und Reststoffen (fortschrittliche Biokraftstoffe) sehr niedrig.

  2. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Jan. 2024. Evaluations- und Erfahrungsbericht für das Jahr 2022. Seite 51, Abb. 24, Seite 52, Abb. 25, Seite 87, Tab. 17: https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/Klima-Energie/Nachhaltige-Biomasseherstellung/Evaluationsbericht_2022.pdf?__blob=publicationFile&v=2

  3. "Änderung der Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen"Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, 28.3.2024. Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen: https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2024/04/08/CDR_Kabinettvorlage_2016051-clean.pdf

  4. CDU-CSU

    CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, 27.11.2023. Klimafreundliche Kraftstoffe nutzen – Technologieoffenheit gewährleisten:https://www.cducsu.de/sites/default/files/2023-11/PP%20Klimafreundliche%20Kraftstoffe.pdf

  5. FDP

    FDP/DVP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg. 22.11.2023. HAAG: FREIGABE VON PARAFFINISCHEM DIESEL WAR LÄNGST ÜBERFÄLLIG: https://fdp-landtag-bw.de/pressemitteilungen/haag-freigabe-von-paraffinischem-diesel-war-laengst-ueberfaellig/

  6. Bayern

    Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, 20.3.2024. Aiwanger: "Wir sagen der Vorhaltepflicht von Super E5 an Tankstellen den Kampf an. Es gibt umweltfreundlichere Alternativen wie B10 oder HVO100": https://www.stmwi.bayern.de/presse/pressemeldungen/pressemeldung/102-2024/

  7. Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)

    Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Jan. 2024. Evaluations- und Erfahrungsbericht für das Jahr 2022. Seite 49, Abb. 22 und Seite 50, Abb. 23., Seite 85 tab. 15, Seite 87, Tab. 17: https://www.ble.de/SharedDocs/Downloads/DE/Klima-Energie/Nachhaltige-Biomasseherstellung/Evaluationsbericht_2022.pdf?__blob=publicationFile&v=2

  8. von der Mineralölsteuer befreitEidgenössisches Finanzdepartement EFD/Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit BAZG, 1.1.2024. Richtlinie 09 Mineralölsteuer, Seite 16 -18, 2.1.6 Biogene Treibstoffe bzw. Treibstoffgemische aus biogenen und fossilen Treibstoffen: https://www.bazg.admin.ch/dam/ezv/de/dokumente/abgaben/minoest-vorschriften/02herstellungundlagerung.pdf.download.pdf/02%20Herstellung%20und%20Lagerung_d.pdf

    Bundeskanzlei, Stand 1.1.2024. 641.61 Mineralölsteuergesetz (MinöStG): https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1996/3371_3371_3371/de#art_12_b

  9. Novellierung der Kraftstoffverordnung (KVO) zum 1. Januar 2023 Wirtschaftskammer Kärnten (WKO), 4.8.2023. Umstellung auf Benzin "Super95 E10" - das ist zu beachten! https://www.wko.at/ktn/industrie/umstellung-auf-benzin-super95-e10--das-ist-zu-beachten

    Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, 4.3.2024. Erneuerbare Kraftstoffe und Energieträger im Verkehrssektor in Österreich 2023: https://www.bmk.gv.at/themen/energie/publikationen/biokraftstoffbericht.html

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