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RegenwaldReport 02/1998

FSC: Gezähmter Wald

Kann Umwandlung von Urwald in Wirtschaftswald ein Modell für gute Waldwirtschaft sein?

Der brasilianische Betrieb des Schweizer Unternehmens Precious Woods, Mil Madeireira Itacoatiara (MIL), bewirtschaftet 200 km östlich von Manaus etwa 80.000 Hektar weitgehend unberührten Wald. Für die Bewirtschaftung dieses nährstoffarmen Urwaldgebietes wurde dem Betrieb 1997 das FSCGütesiegel verliehen. Der Wald soll nach dem CELOS-System bewirtschaftet werden, das in den 70er und 80er Jahren von den Niederländern als Modell für nachhaltige Nutzung nährstoffarmer Naturwälder in Surinam entwickelt und wissenschaftlich untersucht wurde. CELOS ist der Name des Landwirtschaftszentrums in Surinam. Einer schonenden Holzernte folgt drei bis fünf Jahre später das so genannte „Refining". Im Klartext: Lianen werden gekappt und „wertlose" Bäume geringelt oder vergiftet. Dadurch sollen die holzwirtschaftlich wertvollen Bäume im Wachstum angeregt werden. Der Zuwachs konzentriert sich auf das Nutzholz. Bei der Ernte werden ca. 10 Prozent der Gesamtpflanzenmasse entnommen. Mit dem sich nach Jahren anschliessenden Refining werden weitere 35 Prozent der Pflanzenmasse abgetötet, die aber im Wald verbleibt. Nach bisherigen Studien sollen so die Nährstoffverluste bei pfleglicher Umsetzung relativ gering sein. Grosse Probleme allerdings ergeben sich für die Artenvielfalt, die stark abnimmt. Es entsteht ein domestizierter, das heisst gezähmter Wald. Ob CELOS eine Form von ökologischer Waldbewirtschaftung ist, kann man in Frage stellen. Etwa die Hälfte des Waldes wird abgetötet, viele Arten werden selten oder verschwinden ganz. Der Wissenschaftler Jonkers sieht in den Refiningoperationen die Hauptgefahr für die Artenvielfalt. Nichtkommerzielle Baumarten, die erst im Alter Samen bilden, sind in grosser Gefahr, im Zuge dieser Operationen ausgerottet zu werden. Betroffen sind auch die Tierarten, die von den Früchten der ausgemerzten Arten leben und unter Umständen auch für die Nutzholzarten bedeutsam sind. Wen wundert es unter diesen Umständen, dass sich die Vermarktung des Vorzeigeprojektes auf die „schonende Holzernte" konzentriert. Zu den „silvicultural measures", oder zu deutsch, den waldbaulichen Massnahmen wird nicht viel gesagt. Der Precious-WoodsForstexperte Ronnie del Camino schreibt nur, dass alle drei bis fünf Jahre Lianen gekappt und Zukunftsbäume befreit werden, um den Holzzuwachs auf die Werthölzer zu konzentrieren. Das ist CELOS pur. Wenn der Journalist Thomas Weidenbach in der Zeitschrift GLOBUS schreibt, dass der Wald für die nächsten 25 Jahre Ruhe hat, ist das bewusst falsch dargestellt oder schlampig recherchiert. Für diesen Zeitraum sind etwa drei Eingriffe dieser oben beschriebenen Art geplant. Selbst die Holzernte wird nicht entsprechend dem Stand schonender Ernteverfahren durchgeführt: Bei Mil Madeireira werden noch Raupenschlepper eingesetzt. Allerdings weiss man offenbar auch bei Precious Woods noch nicht genau, wie der Wald nachhaltig bewirtschaftet werden soll. Man probiere noch herum, ist aus der Züricher Zentrale der Firma zu hören. Die Frage ist, ob Precious Woods überhaupt einen Waldbewirtschaftungsplan hat - zu sehen bekommen kann man einen solchen jedenfalls nicht. Vor jeder holzwirtschaftlichen Nutzung wird üblicherweise eine Waldinventur vorgenommen, auf der die Geographie des Betriebes (Flächen, Strassen, Flüsse etc.), der Waldbestand (Baumarten, Holzvorräte, Wachstum), die Ökologie (Artenvielfalt, Vegetationstypen) und soziale Aspekte (Siedlungen, Nutzungsrechte) untersucht werden. Für die Vergabe des FSC-Zertifikates ist ein Bewirtschaftungsplan wichtige Voraussetzung. Zudem stellt sich konkret die Frage, inwieweit es sich beim CELOS-System um eine Umwandlung von Primärwald in einen artenarmen Wirtschaftsforst handelt. Alle Anzeichen sprechen dafür. Solange Dokumente wie der Waldbewirtschaftungsplan nicht offengelegt sind, werden Zweifel an der Nachhaltigkeit der Aktivitäten von Mil Madeireira bestehen bleiben. Beteuerungen von Precious Woods sind unserer Meinung nach wertlos, solange die Einhaltung vorgegebener Kriterien nicht transparent und unabhängig geprüft werden kann. Wer seriös arbeitet, hat nichts zu verbergen. Wer einen Urwald in einen Wirtschaftsforst umwandelt, verdient kein FSC-Gütesiegel. Denn dies passiert ohnehin auf der ganzen Welt, mal schonender, mal auf zerstörerischere Weise - natürlich immer ohne Ökosiegel. László Máraz Informationen zu dem CELOS-System: Forschungsberichte des BMZ, Band 109: „Erfahrungen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Bewirtschaftung von artenreichen tropischen Regenwäldern." Weltforum-Verlag Köln. PRECIOUS WOODS „Schweizer Investoren können jetzt die Tropenwälder schützen", heisst es in Anzeigen der Firma Precious Woods, Zürich. 640 Anteilseigner sind seit 1990 diesem Aufruf gefolgt. Das Unternehmen will nachweisen, dass gute Waldwirtschaft und gute Gewinne in den Tropen möglich sind. In Costa Rica wurde Teak gepflanzt und in Brasilien 80.000 Hektar Urwald gekauft. Der wirtschaftliche Erfolg lässt auf sich warten. Überlebt hat das Unternehmen nur, weil sich bekannte Schweizer Bankiers und Industrielle engagierten. Drei Millionen Franken wurden von der Regierung zugeschossen. Managementprobleme und die geringe Nachfrage nach wenig bekannten Hölzern werden für die Schwierigkeiten verantwortlich gemacht.

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