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RegenwaldReport 02+03/2004

Die personifizierte Axt im Urwald

Der Tropenholzbaron Hinrich Stoll ist seit 15 Jahren im Visier von Rettet den Regenwald. Eine Chronologie

„Es steht außer Zweifel, dass der unproduktive Urwald erst durch den Nutzholzeinschlag produktiv wird. Was ist dagegen einzuwenden, wenn eine schlafende Rohstoffquelle auf diese Weise zum Wohle der Bevölkerung produktiv wird?“ Die Worte stammen von Hinrich Stoll, Chef der Feldmeyer- Gruppe, einem weltweit agierenden Holzkonzern. Im HOLZZENTRALBLATT legte er seine Sichtweise, was den Regenwäldern und ihren Bewohnern am meisten nützt, Ende der 80er Jahre nieder. Es war die Zeit, als die Aufrufe zu einem Boykott von Tropenholz vor allem in Deutschland immer lauter wurden. Gleichzeitig war Stoll seinerzeit der vielleicht wichtigste Protagonist der deutschen Tropenholzimporteure und stand auch in den Folgejahren an ihrer Spitze, wenn es darum ging, den ungebremsten Handel mit den Hölzern öffentlich zu rechtfertigen. Folgerichtig beschäftigte sich die Umweltorganisation Rettet den Regenwald (RdR) seit ihren Anfängen und bis heute ganz besonders intensiv mit Hinrich Stoll und seinen Tropenholzgeschäften. Hauptsitz der Hinrich Feldmeyer GmbH & Co KG ist Hemsbünde bei Bremen. Geschäftsführer ist Jan-Hinrich Stoll, Sohn von Stoll Senior. Feldmeyer ist nach Angaben des Konzerns seit 1912 in der Holzbranche tätig. Die Firma, die seit Jahren auf Laubhölzer spezialisiert ist, bietet nach eigenen Angaben neben einheimischen Hölzern aus eigenem Einschnitt ebenfalls eine große Vielfalt an Hölzern aus vier Kontinenten an“, heißt es auf der Homepage. Im Angebot laut Selbstdarstellung sind unter anderem afrikanische und asiatische Edelhölzer, darunter folgende Arten: Abura, Antolia, Doussie, Framire, Kambala, Limba, Niangon, Sapeli, Sipo, Wawa sowie Meranti und Ramin jeweils auf Anfrage.

Beginn der Tropenholzkampagne

Wir schreiben das Jahr 1989. Politiker und Konsumenten sind bestens über die Tropenholz- Problematik informiert. Ein Grund: RdR erfährt in dieser Zeit so ziemlich alles, was die Tropenholzbranche plant. Damals hat RdR über fünf Jahre Zugriff auf interne Protokolle, Strategiepapiere und Korrespondenz der Branche, die im „Verein Deutscher Holzeinfuhrhäuser“ (VDH) organisiert ist. Die brisanten Unterlagen machen zweierlei deutlich: Den Tropenholzhändlern geht es allein um eine Begrenzung des Imageschadens, nicht um einen Schutz der Wälder, die sie ausbeuten. Und immer an vorderster Front steht Hinrich Stoll. RdR forderte damals schon vehement einen Tropenholzboykott, bis die Unternehmen den Nachweis erbringen, dass sie nachhaltige Erntemethoden entwickelt haben. Der Aufruf von RdR traf insbesondere auch Stolls Konzern, der im Kongo riesige Einschlagskonzessionen besaß und bis heute besitzt. Stoll war zum Handeln gezwungen. Intensiv arbeitete der promovierte Forstwissenschaftler an Gegenmaßnahmen. Schon damals saß er seit über zehn Jahren im Beirat der staatlichen „Bundesanstalt für Forst- und Holzwirtschaft“ (BFH) und so arbeitete er, gemeinsam mit anderen Tropenholzhändlern 1987 an dem Plan, die vermeintlich neutrale BFH als billiges Propagandainstrument gegen einen Tropenholzboykott zu nutzen. In einer vertraulichen Sitzung des VDH empfahl Stoll laut Protokoll, „dass sich der VDH in der öffentlichen Diskussion um die Erhaltung der Tropenwälder zurückhalten sollte, weil er als Interessenvertreter diffamiert würde. Es wäre richtiger, wenn wissenschaftliche Institutionen wie die BFH im Vordergrund stünden.“ Zwei Jahre später veröffentlicht die BFH tatsächlich einen vermeintlich wissenschaftlichen Arbeitsbericht, der einem Tropenholzverzicht eine klare Absage erteilt. Pech für Stoll und Co: RdR konnte nachweisen, dass die „Studie“ von den Holzbaronen über den VDH maßgeblich finanziert wurde. Während der bei der BFH „gekaufte Persilschein“ den Tropenholzhändlern im Prinzip bescheinigte, ihre Geschäfte würden nicht entscheidend zur Zerstörung der Regenwälder beitragen, kamen damals andere, tatsächlich unabhängige Experten zu ganz anderen Erkenntnisse, speziell auch im Fall von Stolls Konzern.

Einschlagen, kassieren und abhauen

1990 schrieb beispielsweise der deutsche Forst- und Afrikaexperte Karl-Hermann Schmincke vertraulich an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und informierte über die Situation in den afrikanischen Regenwäldern. „Der letzte große Run zum grünen Gold hat begonnen, um die noch vorhandenen Marktmöglichkeiten rücksichtslos zu nutzen. Hierbei spielen deutsche Handelsunternehmen eine führende Rolle“, heißt es in dem Brief. Über Stolls Firma schrieb der Fachmann damals, diese unterstütze „das libanesische Unternehmen SEFCA, das sich besonders in der Waldvernichtung in der Zentralafrikanischen Republik hervortut.“ Die Stoll-Einkäufe in Kamerun würden „überwiegend mit libanesischen Unternehmen abgewickelt, die alle mehr oder weniger nach dem Prinzip cut, cash & run vorgehen.“ Einschlagen, kassieren und abhauen. Ausgerechnet der solchermaßen gescholtene Stoll wurde Vorsitzender der 1992 unter anderem auf Betreiben des VDH gegründeten „Initiative Tropenholz“, in der neben der Holzindustrie und -gewerkschaft ursprünglich die Verbraucherverbände, die Bundesregierung und der WWF mitgearbeitet haben. Gegen Stoll standen damals mehrere Vorwürfe im Raum: Der Forst- und Afrikaexperte Karl-Hermann Schmincke etwa behauptete, Stolls Firma im Kongo habe gegen die behördliche Auflage verstoßen, 60 Prozent des geschlagenen Holzes in dem afrikanischen Land selbst zu Schnittholz zu verarbeiten. Tatsächlich seien es nur rund 30 Prozent. Wird wenig Holz im Ursprungsland „veredelt“, entgehen dem Exportland wichtige Einnahmen aus der Weiterverarbeitung der geschlagenen Stämme, dem so genannten Rundholz. Schmincke sprach damals der Firma, die Stoll stets als Musterbetrieb dargestellt hatte, jede Beispielfunktion ab. Die Firmengruppe Feldmeyer sei der mit Abstand größte Rundholzexporteur in Congo, Camerun inklusive Zentralafrikanische Republik und Gabon und kaufe ständig bei anderen Einschlagsunternehmen, die, wie nachgewiesen, keinen waldschonenden Einschlag betreiben und keine Sägewerke unterhalten, meint der Forst- und Afrikaexperte.

Eine brisante Studie wird versteckt

1997 kam RdR in den Besitz einer unveröffentlichten Studie, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in Auftrag gegeben worden war. Untersucht hatten die Autoren just jene Stoll-Konzession, die dieser stets als ökologisches und soziales Musterbeispiel angepriesen hatte. Die Studie indes hatte das genau Gegenteil heraus gearbeitet. Dank RdR berichtete unter anderem DIE ZEIT über den Vorfall. Die Gutachter schrieben über die CIB, Stolls Firma im Kongo: die momentane Ernte sei nicht nachhaltig. Das Unternehmen habe „keine ausreichende Kenntnis über die Waldstruktur“ und wenig getan, „ein nachhaltiges Forstmanagement zu entwickeln.“ Es komme zu einer „Artenverschiebung als Folge des Einschlags.“ Zudem brächen „traditionelle Nutzungsrechte und Bewirtschaftungsformen in der CIB-Konzession rapide zusammen, besonders die der Pygmäen.“ Das BMZ hielt die Studie unter Verschluss statt sie wie ursprünglich geplant zu veröffentlichen. Offenbar hatten die Ergebnisse das Ministerium aufgeschreckt. Ausgerechnet Deutschlands Vorzeige-Tropenholzhändler, Hinrich Stoll, hatte durch das regierungsamtlich bestellte Gutachten seine selbstgestrickte grüne Aura verloren. Stolls Eigenwerbung, bei seinem kongolesischen Betrieb CIB handele es sich um einen Musterbetrieb der versucht, die Prinzipien einer geordneten Forstwirtschaft im Bereich der tropischen Regenwälder einzuführen“ wurde durch das Gutachten als falsch entlarvt. Unter anderem bescheinigte die Expertise Stolls Unternehmen einen negativen Einfluss auf die Fauna im Konzessionsgebiet. „Ein Großteil der Tierwelt wird stark von einer unkontrollierten Jagd beeinträchtigt.“ Opfer seien auch Waldelefanten, Schimpansen und Gorillas. Kommerzielle Jäger träfen mit LKWFahrern von CIB-Absprachen, „um ihr Buschfleisch auf CIB-Lastwagen zu transportieren.“ Früher hat Stoll seinen „nachhaltigen“ Holzeinschlag gerne mit einem positiven Gutachten der Weltbank belegt. Die internationale Finanzorganisation hatte sich darin quasi selbst ein passables Zeugnis ausgestellt. Denn über ihre Tochter International Finance Cooperation hielt die Weltbank von 1984 bis 1995 Anteile an der CIB. Eine Tatsache, die Stoll lieber verschwiegen hat, wenn er sich auf das Weltbank- Gutachten berief. Welche Geschäfte seine Firma im Kongo betrieb, konnte Greenpeace Deutschland vor zwei Jahren belegen. Feldmeyer habe nachweislich Holz von liberianischen Firmen bezogen, die die letzten Urwälder Westafrikas plündern, das Holz exportieren und nach Angaben der Vereinten Nationen mit dem Gewinn sogar Waffenhandel unterstützen. Die Verwicklung der deutschen Unternehmen in den Handel mit liberianischem Holz hat Greenpeacemit Fotos dokumentiert. Als Waldvernichter und Waffenschieber in Liberia galten danach Oriental Timber Corporation und Royal Timber Corporation. Sie wiederum lieferten Holz unter anderem an Feldmeyer. Auch zur geächteten Militärjunta von Burma (Myanmar) unterhielt Stoll laut Medienberichten Kontakte. Im März 1997 berichtete die BurmaNet News von einem Treffen zwischen Stoll und Burmas Forstminister Gen Chit Swe im Business Center der Hauptstadt Yangon.

Steuergelder für Stolls Holzgeschäfte

Die CIB besitzt im Norden der Republik Kongo rund 1,2 Millionen Hektar Konzessionen, darunter auch unberührte Regenwälder. Die Tochterfirma schlägt in der Republik Kongo-Brazzaville jährlich über 100.000 Kubikmeter Tropenhölzer ein. Die CIB hat bis heute keinen Nachweis erbracht, dass sie in der Lage ist, Tropenholz nachhaltig einzuschlagen. Im Sommer 2002 musste die Firma eine weitere Niederlage einstecken. Damals gewann Greenpeace Niederlande einen Prozess gegen die niederländische Kerhout Foundation. Die richterliche Entscheidung besagt, dass Kerhout unzulässigerweise CIB-Holz ein Ökolabel verliehen hatte, das die Verbraucher in dem Glauben ließ, CIB-Holz stamme aus nachhaltiger Produktion. Die CIB verhindert, dass RdR vor Ort recherchieren kann, ob Stolls Aussage zutrifft: „Es steht außer Zweifel, dass der unproduktive Urwald erst durch den Nutzholzeinschlag produktiv wird.“ RdR hat daher den Experten Professor Manfred Niekisch um eine Stellungnahme gebeten. Niekisch ist ein international geschätzter Regenwaldexperte und Vizepräsident beim Deutschen Naturschutzring. „Den Urwald als unproduktiv zu bezeichnen, zeugt allein schon von völligem Unwissen oder von bewusster Irreführung“, schreibt Niekisch. „Urwälder sind hochproduktive Systeme, wenngleich es kaum Netto-Holzzuwachs gibt. Die traditionelle lokale Bevölkerung nutzt den Wald in äußerst vielfältiger Weise, als Nahrungsquelle, für Heilpflanzen, Baumaterial, Kleidung, auch für Jagdtätigkeit und vieles mehr. Die holzwirtschaftliche Nutzung spielt dabei aus gutem Grund eine weit untergeordnete Rolle. Denn vor allem bei kommerzieller Nutzung wird gewöhnlich nicht eine schlafende Ressource zum Wohle der Bevölkerung geweckt, sondern die lokalen Bewohner haben eine massive Verschlechterung ihrer Lebensumstände in Kauf zu nehmen.“ Sie verlieren ihre Lebensräume, werden vertrieben. Soziale Umwälzungen sind die Folge. Es gibt ungezählte Beispiele für die Verelendung der Bevölkerung durch die holzwirtschaftliche Erschließung der Wälder, denn von den Gewinnen der Unternehmen und ihren, meist ausländischen, Inhabern, profitiert die dort lebende Bevölkerung nicht. Der Regenwald und seine Bewohner zählen zu den Verlierern.

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