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RegenwaldReport 02+03/2004

Der Regenwald ist unser Markt

Interview mit Soraya Cisneros, Vizepräsidentin der indigenen Kichwa-Gemeinde Sarayacu im ecuadorianischen Amazonas

Wie ist die Situation in Sarayacu? Der argentinische Konzern CGC will seit Ende 2003 mit allen Mitteln auf unserem Stammesgebiet Öl fördern. Die Ölkonzerne versuchen immer, die indigenen Völker zu kaufen. In zwei Nachbarorten ist ihnen das gelungen. Wenn die Taktik nicht hinhaut, diskriminieren sie unsere Anführer. Und die Regierung behauptet dann, wir seien subversiv und antipatriotisch und seien von ausländischen Umweltgruppen aufgestachelt. Nur zwei Stunden Fußmarsch von uns entfernt sind Soldaten stationiert. Es kann jederzeit passieren, dass die Armee bei uns einmarschiert und den Weg für die Ölkonzerne frei macht. Wir Frauen stehen an der Spitze der Bewegung, wir leisten schon seit Monaten Widerstand, manchmal ohne zu essen und zu schlafen. Gibt es für die Indigenen eine ökologisch und ökonomisch attraktive Alternative zur Ölförderung? Wir leben von Jagd und Fischfang, vor allem aber vom Regenwald. Er ist für uns wie ein Markt, für den wir kämpfen. Wir produzieren Töpfe, Besen und andere Dinge aus natürlichen Materialien, die aus dem Wald stammen und nachwachsen. Wir nutzen außerdem viele Heilpflanzen aus dem Wald. Und wir können Naturtourismus-Projekte realisieren, für unser Volk, für unseren Urwald, für kommende Generationen. Wir wollen einfach nur unser Leben so führen, wie wir aufgewachsen sind. Mit dem Erdöl wird das alles zerstört. Wir möchten Respekt vor unserer Kultur und nicht, dass ausländische Konzerne bei uns eindringen. Was können deutsche Umweltorganisationen für die Gemeinde Sarayacu tun? Unser Büro soll von der Stadt Puyo direkt nach Sarayacu verlegt werden, damit wir enger mit der Basis agieren können. Dafür brauchen wir eine Telefonleitung für einen Internetzugang. Außerdem benötigen wir Fachleute, die uns in Computerkommunikation ausbilden und Spenden für Büroeinrichtung und den Bau neuer Gebäude. Alles, was dem Aufbau unserer Infrastruktur dient, hilft uns weiter. Aber auch, wenn Menschen in Deutschland Lobbyarbeit für uns machen. Wie geht es weiter in Sarayacu? Unser Widerstand ist wichtig für die gesamte Amazonas-Region in Ecuador. Wir haben beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht bekommen. Unser Kampf geht weiter, wir versuchen der Welt und unserem Staat klar zu machen, dass unser Leben und unsere Rechte von der Verfassung geschützt sind. Genauso wie von der Konvention 169 der Internationalen Arbeitskommission ILO, welche die Rechte von indigenen Völkern schützt. Ecuador hat die ILO-Konvention unterzeichnet, im Gegensatz zu Deutschland. Wir möchten Respekt vor unserer Kultur und unsere Zukunft selbst bestimmen. Unser Ziel ist, dass unser traditionelles Stammesgebiet zu einem Schutzgebiet für nachhaltige Entwicklung erklärt wird.

Ölnews: Während die WestLB stur bleibt, verschärft sich der Ölkampf in Ecuador.

Anders als selbst angekündigt, hat sich die WestLB bisher nicht bewegt. Auch unter ihrem neuen Chef Thomas Fischer war sie bisher nicht zu Gesprächen mit Umweltorganisationen über soziales und ökologischen Engagement bereit. Rettet den Regenwald hat daher gemeinsam mit vielen anderen NGO einen Brief an Fischer geschrieben. Darin protestieren sie gegen die Abschottung der Bank nach außen und fordern direkte Gespräche unter anderem darüber, wie die Schäden der „WestLB-Pipeline“ in Ecuador begrenzt werden können. Nach einer Mitteilung der Organisation RECOKA gab es nach einem Treffen von indigenen Organisationen, die gegen die Ölförderung kämpfen, in der Stadt Puyo Übergriffe auf indigene Vertreter. Nach dem Treffen wurden Teilnehmer verfolgt, als „Indio-Schweine“ beschimpft und einige mit Fäusten attackiert. Fredy Alvarado von der Organisation RECOKA wurde bewußtlos geschlagen und erlitt schwere Verletzungen. Die Identität der Täter ist nicht bekannt. Unterdessen hat eine internationale Kommission im Nationalpark Yasuni erhebliche Schäden durch die bestehende Ölförderung festgestellt und die Regierung aufgefordert, eine geplantes Projekt zum Ausbau der Ölförderung im Nationalparkzu stoppen.

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