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RegenwaldReport 03/2005

Landraub für Tempo

Holzplantagen-Opfer in Brasilien wehren sich gegen Zellstoff-Konzern, der auch nach Deutschland liefert

Grün ragen die Bäume in den Himmel. Grüne Monotonie so weit das Auge reicht. Wütend hacken die Tupinikim und Guarani Indianer das Grün um. Eine breite Schneise zieht sich schon durch die Eukalyptusplantage der Firma Aracruz im brasilianischen Bundesstaat Espirito Santo. Dort nehmen Menschen das Recht in ihre eigene Hand, weil es ihnen seit Jahren verweigert wird. Wo heute die Einheitsbäume der Eukalyptusplantage in den Tropenhimmel ragen, stand früher der Mata Atlantica, ein besonderer Typ von Regenwald an der Küste des südamerikanischen Landes. Typisch für ihn sind mannshohe Baumfarne und Urwaldriesen, auf denen Bromelien, Lianen, Moose, Flechten und Orchideen wachsen, von denen es hier hunderte verschiedene Arten gibt. In Höhen bis 1.500 Meter gelegen, oft Wolken verhangen, unterscheidet sich seine Tier- und Pflanzenwelt deutlich vom flachen Amazonas. Heute existieren nur noch weniger als zehn Prozent der ursprünglichen „Mata Atlantica“.

Allein der Zellstoffproduzent Aracruz besitzt nach eigenen Angaben rund 380.000 Hektar Eukalyptusplantagen, davon 107.000 in Espirito Santo. Vor allem in den 70er Jahren hat Aracruz Küstenregenwälder gerodet, um genug Land für Monokulturen zu bekommen. Von dem Umweltfrevel profitiert der Konzern Procter&Gamble, dessen bekanntestes Produkt Tempo-Taschentücher sind. Zusammen mit dem Unternehmen Kimberly Clarke, das Artikel wie Haakle und Kleenex vermarktet, kauft Procter&Gamble 45 Prozent der Jahresproduktion von Aracruz Cellulose auf, dem weltweit größten Hersteller von gebleichtem Eukalyptus- Zellstoff.

Die Umwandlung der Küstenregenwälder in Eukalyptusplantagen von Aracruz führte in Brasilien zu gewaltigen Umweltzerstörungen und sozialen Konflikten. Indigene wurden aus ihren Dörfern vertrieben, außerdem hat Aracruz massiv in den Wasserhaushalt in Espirito Santo eingegriffen, um den hohen Wasserbedarf für ein Zellstoffwerk zu decken. Der Grundwasserspiegel wurde gesenkt, Flüsse und Felder trockneten aus, die Umwelt wurde mit giftigen Abwässern verschmutzt.

Seit Jahresbeginn spitzen sich wieder Landrechtskonflikte mit der indigenen Bevölkerung der Tupiniquim und Guarani in Espirito Santo zu, weil sich Aracruz weigert, ein unrechtmäßig angeeignetes Gebiet von 11.000 Hektar an die Ureinwohner zurückzugeben. „Früher waren wir frei, unabhängig und lebten von den Früchten unseres Landes. Mit der Ankunft von Aracruz Cellulose verloren wir unser Land, unsere Wälder und unsere Flüsse. Wir verarmten und wurden Gefangene von Aracruz und seinen Eukalyptusplantagen“, so die Klage eines Tupiniquim-Häuptlings. Etwa 2.200 Tupiniquim und Guarani in sieben Dörfern sind unmittelbar von dem Zellstoffkonzern betroffen.

Im Februar 2005 hatten die Indianer in einer gemeinsamen Resolution erklärt, dass sich ihr Lebensstandard zunehmend verschlechtere. Gleichzeitig kündigten sie Aktionen zur Wiedererlangung ihrer Territorien an. Im Sommer folgte die Selbstdemarkierung ihrer Ländereien. 500 Indianer, darunter Kinder und Alte, schlugen binnen zwei Tagen 15.000 Eukalyptusbäume und demarkierten ihren Besitz mit einer 15 Kilometer langen Schneise. Bewaffnete Wächter der Tupinikim und Guarani sorgten für die Sicherheit der Aktivisten.

Später marschierten die Indianer protestierend durch die Innenstadt der Provinzhauptstadt Vítoria. Sie ermahnten die Regierung Lula, die Zukunft der indigenen Völker sei wichtiger als der Export von Zellstoff. Aracruz reagierte auf die Aktionen, indem es erfolglos die Gerichte anrief und eine Medienkampagne gegen den Indianerprotest startete.

Konkret geht es um 11.000 ha Land, das derzeit von Aracruz Celulose besetzt gehalten wird, obwohl nach Studien der staatlichen Indianerbehoerde FUNAI die dort beheimateten Tupinikim und Guarani die rechtmäßigen Besitzer des Landes sind. Trotzdem weigert sich der Zellstoffkonzern bisher rigoros, das Land an die Indianer zurück zu geben.

„Auch in Taschentüchern und Toilettenpapier, die auf dem deutschen Markt verkauft werden, steckt Zellstoff von Aracruz. Die deutschen Verbraucher aber wollen keine Produkte kaufen, für die Indianer von ihrem Land vertrieben wurden. Deshalb müssen sich wichtige Kunden von Aracruz wie der Konzern Procter&Gamble dafür einsetzen, dass der Landrechtskonflikt friedlich gelöst wird“, fordert Peter Gerhardt von der Umweltorganisation Robin Wood.

Rettet den Regenwald hat Kimberly Clarke und Procter&Gamble aufgefordert, schon beim Einkauf sicher zu stellen, dass für ihre Produkte keine Rohstoffe verwendet werden, die mit Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Brasilien verbunden sind. Procter&Gamble hat sich nach eigenen Angaben der Nachhaltigkeit verpflichtet. „Das Prinzip der Nachhaltigkeit wird bei uns überall dort mit Leben und Wert gefüllt, wo wir die Möglichkeit sehen, mit Innovationen in den Bereichen Gesundheit, Hygiene, Umwelt, Ernährung und Erziehung einen Beitrag für die Lebensqualität unserer heutigen und zukünftigen Kunden zu leisten“, so der Konzern.

Für die in Washington herausgegebene Zeitschrift „Multinational Monitor“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den multinationalen Konzernen genauer auf die Finger zu sehen, gehört Procter&Gamble nicht zu den vorbildlichen Konzernen. Im Gegenteil. Der „Multinational Monitor“ hat den Konzern bereits mehrmals auf seine jährlich neu erstellte Liste der zehn miesesten Unternehmen weltweit gesetzt.

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