Brasilien: US-Firma verursacht mit geplantem CO2-Handelsprojekt Konflikte unter indigenen Ka'apor

Eine Gruppe von Indigenen protestiert mit Bannern vor einer mit Palmenwedeln überdachten Hütte Protest der Ka'apor gegen die Kohlenstoffhändler in ihrem Territorium. Aufschrift auf dem Banner: Forest Trends. Der Regenwald steht nicht zum Verkauf. Respektiert die Autonomie des Ka'apor-Volkes! (© TUXA TA PAME) Eine Gruppe von Indigenen protestiert mit Bannern vor einer mit Palmenwedeln überdachten Hütte Protest der Ka'apor gegen die Kohlenstoffhändler in ihrem Territorium. Aufschrift auf dem Banner: Wildlife Works raus aus dem Ka'apor-Territorium! Der Kohlenstoffmarkt ist eine falsche Umweltlösung! (© TUXA TA PAME) Eine Journalistin und Journalist im Vordergrund nehmen mit einer Kamera auf Stativ ein Interview mit einem indigenen Führer (im Hintergrund) auf Die Journalisten von The Intercept bei einem Videointerview mit einem Mitglied des Rates der Ka'apor (© RdR/ Klaus Schenck) Von Wildlife Works benutztes Plakat, das die Arbeit der Organisation erklärt Von Wildlife Works benutztes Plakat, das die Arbeit der Organisation erklären soll (© TUXA TA PAME) Hinweisschild des Rates der Kaapor am Rande des indigenen Territoriums Alto Turiacu Hinweisschild des Rates der Ka'apor am Rande des indigenen Territoriums Alto Turiaçu. Aufschrift unten: Betreten nur mit Genehmigung des Rates der Ka'apor erlaubt (© RdR/ Klaus Schenck)

20.12.2023

Eine US-Firma plant, den Regenwald der indigenen Ka’apor in Brasilien als Geldquelle zu nutzen. Die Geschäftsleute wollen im Territorium der Ka’apor CO2-Gutschriften generieren, um sie gewinnbringend an Unternehmen zu verkaufen, die das Klima verschmutzen. Unsere Partner vom Rat der Ka'apor sind gegen die Kommerzialisierung ihrer Natur und beklagen von den Klimahändlern verursachte Konflikte.

Die Indigenen Ka'apor in Brasilien berichten gegenüber der Nachrichtenseite The Intercept Brasil, dass ein Unternehmen und eine NGO aus den USA sie in ihrem Territorium im Amazonasgebiet bedrängen würden. Diese würden ihnen ein Geschäft für den Handel mit Kohlenstoff vorschlagen, das schon jetzt interne Konflikte verursache.

Es handele sich um die Firma Wildlife Works und die Organisation Forest Trends. Beide seien in das indigene Territorium (TI) Alto Turiaçú im Nordwesten des Bundesstaats Maranhão eingedrungen und hätten dort Treffen mit einer Ka'apor-Gruppe abgehalten, die nur einen Teil der Einwohner des Gebiets repräsentiere. Dabei seien Vereinbarungen getroffen worden, die gegen die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) verstießen. Das bei Indigenen vorgeschriebene Recht auf einen freien, vorherigen und informierten Zustimmungsprozess sei nicht eingehalten worden.

Unsere Partner vom Rat der Ka'apor – genannt Tuxa Ta Pame – haben uns schon seit dem vergangenen Frühjahr von den Übergriffen der Kohlenstoffhändler berichtet. Sie lehnen deren Handeln ab und haben uns Fotos geschickt, auf denen sie mit Bannern Wildlife Works und Forest Trends klar auffordern, die „Automomie des Ka’apor-Volkes zu respektieren“ und ihr „Territorium zu verlassen“, denn „der Regenwald stehe nicht zum Verkauf“.

Nach Angaben des Rates der Ka’apor haben sich Wildlife Works und Forest Trends seit Anfang des Jahres mit Vertretern der Ka'apor-Vereinigung Associação Ka'apor Ta Hury do Rio Gurupi getroffen, die das Projekt befürworten würde. Die Treffen fänden im Sitz der Vereinigung im Ort Zé Doca statt. Laut dem Rat der Ka’apor hätten die Firma oder die NGO den Rat der Ka'apor nie zu den Treffen eingeladen.

Wildlife Works und Forest Trends würden behaupten, dass die Indigenen mit dem Geld, das aus dem Verkauf von CO2-Gutschriften erzielt werden soll, besser in ihrem Territorium leben würden. Firmen, die mit ihren Emissionen das Klima verschmutzen, würden dafür zahlen. Details zu dem Projekt wären den Führern vom indigenen Rat jedoch nie vorgestellt worden.

Laut dem am 27. November veröffentlichten Bericht von Intercept Brasil haben Wildlife Works bereits eine Erklärung mit der Vereinigung Ta Hury do Rio Gurupi unterzeichnet. Es handele sich um"eine Art Absichtserklärung über die Grundlagen des Geschäfts". Laut dem Artikel sei Wildlife Works in Brasilien nicht registriert und dürfe nach brasilianischem Recht nicht im Land arbeiten.

Der Präsident der Vereinigung Ta Hury do Rio Gurupi, Iracadju Ka'apor, berichtet gegenüber The Intercept, dass der Vertrag mit Wildlife Works mindestens zehn Jahre dauern solle und eine erste Spende von umgerechnet etwa 75.000 Euro "für die Überwachung und den Schutz des Territoriums durch die Ureinwohner geplant sei". Der Indigene spricht auch von einem Umsatz aus dem Verkauf von Kohlenstoff-Gutschriften von umgerechnet fast 400.000 Euro pro Monat, die für Gesundheitsvorsorge, Bildung, Kultur und den Schutz des Territoriums verwendet werden sollen. Weder die Vereinigung noch Wildlife Works oder Forest Trends hätten The Intercept konkrete Details des Projekts zur Verfügung gestellt.

Kommerzialisierung der Natur

 

Bei einem Besuch des Territoriums der Ka’apor durch zwei Mitarbeiter von Rettet den Regenwald im August hat Itahu Ka'apor, Mitglied des indigenen Rates Tuxa Ta Pame, bereits über die Probleme berichtet, die Projekte zur Kommerzialisierung der Natur bei den Ka'apor erzeugen. Geldgeschäfte seien nicht die Grundlage für die Beziehungen zwischen den indigenen Einwohnern. Ihnen gehe es vielmehr um Gemeinschaft, Abstammung, Autonomie – und um die Wechselbeziehungen zwischen den Menschen und anderen Lebewesen in ihrem Territorium. Dazu gehören die Wälder, Tiere, Wasser und Geister, die die Wälder bewachen.

Gegenüber The Intercept erklärt Itahu Ka’apor, wie Beamte der Nationalen Bundesbehörde für Indigene (FUNAI) sie zwischen 2006 und 2013 überzeugt haben, Tropenholz aus dem Territorium zu verkaufen: „Wir wurden vom Staat selbst, von der Funai, von der Bundesregierung getäuscht“, erklärt er. „Deren Reden warensehr gut: Wir werden das Holz abgestorbener Bäume verkaufen. Und wir sind in diese Versuchung geraten. Diese Erfahrung hat viel Leid und sogar Mord gebracht. Bis jetzt sterben Indigene dadurch. Wir akzeptieren das Projekt zum Kohlenstoffhandel nicht, weil es interne Konflikte und unsere Spaltung verschärfen wird. Und das wollen wir nicht mehr“, sagt Itahu Ka'apor in dem Artikel.

Lider Sucre, Vizepräsident für Lateinamerika von Wildlife Works, erkennt in dem Artikel an, dass das Geld, das mit dieser Art von Projekten in das Territorium gelangen würde, zu Gewalt und Tod unter den Ureinwohnern führen könne. Er nutzt dieses Argument, um keine Angaben zu den möglichen Profiten aus dem Verkauf von Kohlenstoffgutschriften aus dem Territorium Alto Turiaçú der Ka’apor zu machen:

Wenn ich Ihnen heute einen Prozentsatz des Projekts gebe und die Verkäufe des Projekts später stattfinden, kann jemand nachrechnen, wie viel die Indigenen erhalten haben. Auf der ganzen Welt und in Lateinamerika leben wir in einer Umgebung, in der viele indigene Führer und Umweltschützer wegen Themen sterben, die mit Geld zu tun haben“, so Lider Sucre.

Exekutive erkennt Problem an

Obwohl der Firmenmanager das bestehende Gewaltpotential anerkenne, das das Unternehmen mit dem Kohlenstoffprojekt in das Territorium der Indigenen bringe, scheine es ihm gleichgültig zu sein und er schöbe den Ka’apor die Verantwortung zu, ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten, resümiert The Intercept. „Dies sei ein Thema, das die Indigenen-Vereinigung selbst mit genügend Zeit und auf verantwortungsvolle Weise mitihren Ressourcen angehen würde. Es sei ein Prozess, der ein gewisses Maß an Planung und Reife erfordere“, so Sucre.

Die Website REDD-Monitor, eine internationale kritische Beobachtungsstelle für REDD-Projekte, hat den Artikel von The Intercept aufgegriffen. Bereits Anfang November veröffentlichte die britische Zeitung The Guardian eine weitere Beschwerde über die Aktivitäten von Wildlife Works. Demnach werden Mitarbeiter von Wildlife Works seit mehr als einem Jahrzehnt im Rahmen eines in Kenia umgesetzten Kohlenstoffprojekts massiver sexueller Belästigung und des sexuellen Missbrauchs beschuldigt.

Weitere Beschwerden über Belästigung

 

Unsere Partner vom Rat der Ka’apor Tuxa Ta Pame haben uns zudem berichtet, dass Vertreter von Wildlife Works in eines der Ka'apor-Dörfer eingedrungen seien – begleitet von einer Gruppe von indigenen Tembé aus dem angrenzenden Bundesstaat Pará. Sie hätten sich dort mit den Einwohnern getroffen, die kaum Portugiesisch sprächen. Die Firmenvertreter sollen erklärt haben, dass die Ka'por Vorteile haben könnten, wenn sie das Sitzungsprotokoll unterzeichnen würden.

Der brasilianische Anwalt Diogo Cabral, der den Rat der Ka’apor berät, hat deren Beschwerde auf seinem Instagram-Kanal mit einem Foto eines bei diesem Treffen vorgestellten Informationspanels des Unternehmens veröffentlicht.

Rettet den Regenwald verlangt von den zuständigen brasilianischen Behörden, einschließlich der Bundesanwaltschaft (MPF), dass die Aktivitäten des Unternehmens Wildlife Works und der NGO Forest Trends zur Umsetzung eines geplanten Kohlenstoff-Handelsprojekts innerhalb des indigenen Territoriums Alto Turiaçú anhand der Beschwerden des Ka’apor-Rates Tuxa Ta Pame untersucht werden. Besonderes Augenmerk verdient das beklagte Fehlen einer vorherigen, freien und informierten Zustimmung, wie in der ILO-Konvention 169 festgelegt.


  1. aufgegriffen REDD-Monitor 1/12/2023. How a proposed REDD project by Wildlife Works and Forest Trends in Maranhão, Brazil is fuelling Indigenous conflict: https://reddmonitor.substack.com/p/how-a-proposed-redd-project-by-wildlife

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