Wenn die Abmahn-Anwältin vergeblich klingelt
Wir haben über ein CO₂-Projekt der US-Firma Wildlife Works im Amazonas-Regenwald berichtet und unterstützen den Widerstand des indigenen Rates der Ka’apor Tuxa Ta Pame. Das hat uns gleich vier Abmahnungen durch eine Anwaltskanzlei eingebracht. Das Ziel war es offenbar, uns einzuschüchtern und mundtot zu machen. Mit Hilfe eines spezialisierten Anwalts haben wir die perfide Strategie abgewehrt.
Am 7. Juli 2025 schrillte es an der Tür unseres Vereinshauses. Per Einschreiben wurde uns eine Abmahnung einer Hamburger Kanzlei zugestellt. Darin wurden wir mit Frist bis zum 9. Juli 17:00 aufgefordert, eine „beigefügte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben“. Sonst würde die Kanzlei „ihrer Mandantin die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes empfehlen“, also wohl eine Klage vor Gericht.
Noch vor Ablauf der Frist kamen drei weitere Abmahnungen und Unterlassungserklärungen der Kanzlei bei uns an, zuerst per E-mail und dann per Post. Der Einschüchterungseffekt war klar erkennbar.
In mehreren Artikeln auf unserer Internetseite hätten wir „unternehmenspersönlichkeitsrechtsverletzend” über ihre Mandantin berichtet, so der Vorwurf der Anwältin.
Sie bezog sich auf drei Artikel und eine Petition, die wir im Zeitraum von Dezember 2023 bis Juni 2025 veröffentlicht hatten. Darin berichten wir über ein geplantes sogenanntes REDD+-Projekt der US-Firma Wildlife Works im brasilianischen Amazonas-Regenwald, das unter indigenen Ka’apor zu Konflikten und Ablehnung führt.
Über REDD+ ("Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation", übersetzt “Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung”) werden Maßnahmen finanziert, die Abholzungen und damit die Freisetzung von Kohlenstoff verhindern sollen.
Das Geschäftsmodell von Wildlife Works besteht darin, geeignete Waldgebiete zu identifizieren - im vorliegenden Fall der Regenwald der Ka'apor in Brasilien, und dort REDD+-Projekte aufzusetzen. Die darüber geschaffenen Kohlenstoffzertifikate werden gewinnbringend verkauft. Firmen und auch Privatpersonen, die CO2-freisetzen, kaufen die Kohlenstoffzertifikate, um damit ihre Emissionen auszugleichen - zumindest auf dem Papier.
Doch unsere Partner vom Rat der Ka’apor Tuxa Ta Pame (Conselho de Gestão Ka’apor Tuxa Ta Pame), mit denen wir seit vier Jahren eng zusammenarbeiten, lehnen das Kohlenstoff-Projekt ab. Die Ka’apor haben den Regenwald mit ihrer traditionellen Lebensweise bis heute erhalten und aktiv gegen Eindringlinge verteidigt.
Anschein der Vorbereitung einer SLAPP-Klage
„Nach meiner Einschätzung trägt das Vorgehen mit vier umfangreichen Abmahnungen innerhalb weniger Tage gegen eine als Idealverein organisierte NGO und das dahinter erkennbare wirtschaftliche Interesse des US-Unternehmen Wildlife Works LLP alle Züge eines SLAPP-Vorgehens“, erklärt der Anwalt Prof. Dr. Roger Mann, der uns in der Angelegenheit vertritt.
Bei SLAPP ( „Strategic Lawsuit Against Public Participation“, übersetzt „Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung“), handelt es sich um rechtsmissbräuchliche Klagen, mit denen Firmen und Persönlichkeiten weltweit immer wieder Kritiker einschüchtern, um unliebsame Berichterstattung zu verhindern. Unser Anwalt Prof. Dr. Roger Mann, der uns auch gegen diese Abmahnungen unterstützt hat, ist Mitglied des Beirats der NOSLAPP Anlaufstelle. Sie berät und unterstützt Opfer solcher Abmahnungen und Gerichtsverfahren.
Wer steckt hinter den Anwaltsdrohungen
In der Vergangenheit mussten wir uns schon mehrfach gegen derartige Abmahnungen und vor Gericht verteidigen – so gegen Klagen des Bremer Tropenholzhändlers Hinrich Lüder Stoll, des Kakao-Investors Dennis Melka aus den USA und des Holz- und Palmölkonzerns Korindo aus Indonesien. Im neuen Fall trat jedoch nicht das hinter dem CO2-Projekt stehende US-Unternehmen, sondern die Indigenen-Vereinigung „Associação Kaapor Ta hury Rio Gurupi“ auf, eine weitere Vereinigung der Indigenen vor Ort.
Uns fällt es schwer zu glauben, dass uns eine solche Organisation in Brasilien über eine Hamburger Kanzlei mit Abmahnungen überhäuft. Wir haben deshalb große Zweifel an der Urheberschaft, zumal mehrere der angemahnten Vorwürfe äußerungsrechtlich nicht die Indigenen-Vereinigung, sondern die Firma Wildlife Works und deren wirtschaftliche Interessen betreffen.
Inhaltlich hat uns die Kanzlei vorgeworfen, unsere Artikel würden den Eindruck erwecken, alle Ka’apor seien gegen das CO2-Projekt der US-Firma Wildlife Works im indigenen Territorium TI Alto Turiaçu der Ka’apor. Ihre Mandantin „vertrete gemeinsam mit den 24 Häuptlingen 95% der Ka'apor”. Dabei haben wir gleich im ersten abgemahnten Artikel "Brasilien: US-Firma verursacht mit geplantem CO2-Handelsprojekt Konflikte unter indigenen Ka'apor" ausführlich darüber berichtet, dass es verschiedenen Positionen unter den Ka'apor zu dem geplanten Kohlenstoffprojekt gibt.
Was sagt der Rat der Ka’apor Tuxa Ta Pame
Mit den Zahlen versuchen die Hamburger Anwälte offensichtlich, unsere Partner vom Rat der Ka’apor Tuxa Ta Pame und deren Ablehnung des CO2-Projekts zu diskreditieren. Der Rat der Ka’apor, den wir umgehend über die Abmahnungen informiert haben, widersprach den Behauptungen vehement:
„Im Jahr 2013 haben wir in einem großen einwöchigen Treffen aller Ka’apor-Führer aus allen Gemeinden des Territoriums beschlossen, ein Organisationssystem namens Tuxa Ta Pame oder Ka'apor-Leitungsrat wieder aufzunehmen. Es handelt sich um eine traditionelle Form der kollektiven Organisation des Volkes, die auf die alten Tuxa oder Krieger zurückgeht. In diesem System gibt es keine Bevollmächtigten, Häuptlinge, Kaziken oder Macht; Entscheidungen werden nicht von einem Anführer getroffen, sondern von der Gemeinschaft, von Gruppen und Kollektiven.“
„Wir verteidigen die Natur und verscherbeln sie nicht an den Kohlenstoffmarkt, damit Firmen damit Geschäfte machen und sich einen grünen Anstrich geben können. Das muss aufhören“, sagt Itahu Ka’apor vom Rat der Ka’apor. Der Rat der Ka'apor ist aus einer Vielzahl von Gründen gegen derartige CO2-Projekte.
Brasilianisches Bundesgericht ordnet sofortige Aussetzung der Aktivitäten von Wildlife Works an
Der Rat der Ka'apor hatte im Oktober 2024 vor Gericht in Brasilien Klage gegen Wildlife Works und Behörden eingereicht. Am 30. Mai 2025 hat eine Bundesrichterin der Klage mit einer Einstweiligen Verfügung stattgegeben und angeordnet, dass Wildlife Works bis auf Weiteres unverzüglich alle Aktivitäten zur Implementierung des REDD+-Projekts in Alto Turiacu einstellen muss. Die Entscheidung wird unter anderem damit begründet, dass bisher "die Legitimität der beteiligten indigenen Vertretungen und die Ordnungsgemäßheit des durchgeführten Konsultationsverfahrens" nicht ausreichend geklärt sei.
Die Begründung der Richterin widerspricht den Vorwürfen der Hamburger Anwälte und ihrer Mandantin, die dem Rat der Ka'apor Tuxa Ta Pame quasi jegliche Legitimität und Vertretungsrecht absprechen. Das Verfahren geht jetzt zur weiteren Verhandlung in Brasilien vor ein Gericht in der Hauptstadt.
Auf die Erwiderungsschreiben unseres Anwalts hat die Kanzlei nicht reagiert. Die vier Abmahnungen und Unterlassungserklärungen wurden damit zunächst erfolgreich zurückgewiesen.
Gewaltdrohungen gegen den Rat der Ka'apor Tuxa Ta Pame
Das von Wildlife Works angestrebte CO2-Offset-Projekt hat bereits jetzt gravierende Konsequenzen für die Mitglieder des Rates der Ka'apor Tuxa Ta Pame. Befürworter des CO2-Projekts haben ihnen mehrfach Gewalt angedroht. So wurden dem Führer Itahu Ka’apor “Konsequenzen” angedroht, wenn er die von Tuxa Ta Pame gegen Wildlife Works eingereichte Klage nicht zurückzieht. 18 Ka'apor wurden in den letzten zehn Jahren ermordet, mutmaßlich im Zusammenhang mit ihrem Widerstands gegen Holzeinschlag, Rinderzucht und Bergbauprojekte. Die Täter wurden von den Behörden nie ermittelt.
Der Rat der Ka’apor hat die Gewaltdrohungen vor Ort bei den zuständigen Behörden angezeigt. Weil diese allerdings weitgehend untätig sind, hat er die Drohungen auch persönlich bei den Sonderberichterstattern zu Menschenrechtsverteidigern der Vereinten Nationen in Genf vorgetragen. Diese haben Sicherheitsmaßnahmen zu deren Schutz eröffnet und dazu Anfang Juli ausführliche Stellungnahmen aller Beteiligten veröffentlicht.
Wir unterstützen weiterhin den Rat der Ka'apor Tuxa Ta Pame dabei, die Rechte der Indigenen, deren angestammte Lebensweise und Kultur zu schützen und deren 5.300 km2 großes Regenwaldgebiet Alto Turiaçu zu erhalten.
Welche Rolle spielt Wildlife Works?
Am 10. Juni 2025 hat Wildlife Works auf der Firmen-Webseite in einem Artikel Kritik an unserer Veröffentlichungen geäußert, die denen in den Abmahnungen auffällig ähneln. Gegen Ende des Monats wurde der Artikel wieder gelöscht. Er ist aber weiterhin im Internet-Archiv WayBackMaschine gespeichert. Dort steht unter anderem zu lesen:
„Wildlife Works wurde kürzlich auf eine Petition der in Deutschland ansässigen Nichtregierungsorganisation Rettet den Regenwald aufmerksam gemacht, in der fälschlicherweise behauptet wird, dass der TUXA TA PAME Managementrat das Volk der Ka’apor vertritt und dass die Ka’apor das REDD+-Projekt ablehnen, sowie weitere falsche Informationen enthalten sind. Wie oben dargelegt, sind diese Behauptungen falsch.
Die in der Petition vorgebrachten Behauptungen sind falsch, untergraben die legitime Stimme und Handlungsfähigkeit der Ka’apor-Mehrheit und schüren interne Konflikte innerhalb ihrer Gemeinschaft. Dies gefährdet ihren Zugang zu dringend benötigten Klimafinanzierungen, auf die die Ka’apor angewiesen sind, um Waldbrände zu bekämpfen, ihr Territorium zu verteidigen und ihr Leben vor illegalen Übergriffen zu schützen.“
Anti-SLAPP-Richtlinie der EU
Die EU hat 2024 eine Anti-SLAPP-Richtlinie beschlossen, mit der Journalisten, Umweltschützer und Menschenrechtsverteidiger besser vor missbräuchlichen Klagen geschützt werden sollen.
Die deutsche Bundesregierung arbeitet an einer Umsetzung der EU-Richtlinie und hat dazu einen Gesetzentwurf zum besseren Schutz vor Einschüchterungsklagen veröffentlicht. Doch dieser hat Lücken, denn der außergerichtliche Bereich - anwaltliche Abmahnungen, Unterlassungserklärungen und Klageandrohungen, ist darin nicht enthalten. Hier finden Sie den Gesetzentwurf und Stellungnahmen, unter anderem unseres Anwalts Prof. Dr. Roger Mann und des Anti-SLAPP-Bündnisses, dessen Mitglied wir sind:
Was können Sie tun
Wir haben zu dem Gesetzentwurf eine Petition gestartet und fordern die Bundesregierung und Parlament auf, auch den außergerichtlichen Bereich abzudecken. Hier können Sie die Petition unterzeichnen:
Petition "Einschüchtern, drohen, klagen – so wird Kritik erstickt"
1. Rettet den Regenwald e.V., 20.12.2023. Brasilien: US-Firma verursacht mit geplantem CO2-Handelsprojekt Konflikte unter indigenen Ka'apor
2. Rettet den Regenwald e.V., 2. 20.2.2024. Indigene Ka'apor beklagen Übergriffe durch Händler von Emissionsgutschriften in ihrem Regenwald
3. Rettet den Regenwald e.V., 5.6.2024. Gericht stoppt CO₂-Projekt im Amazonasregenwald von Brasilien
Projekt NOSLAPP Anlaufstelle: https://www.noslapp.de
Justiça Federal da 1ª Região, 3ª Vara Federal Cível da SJMA, 2/6/2025. DECISÃO: https://www.regenwald.org/files/de/10880859220244013700_2189535512_Decis%C3%A3o.pdf
Rettet den Regenwald e.V., 2.6.2022. Beendete Petition - Brasilien: Die Ka'apor brauchen unsere Hilfe: https://www.regenwald.org/petitionen/1253/brasilien-die-kaapor-brauchen-unsere-hilfe
Statements der UN Special Rapporteur on Human Rights Defenders vom 8 Juli 2025. Brazil: threats and intimidation of indigenous Ka’apor human rights defenders in the state of Maranhão (joint communication): https://srdefenders.org/brazil-threats-and-intimidation-of-indigenous-kaapor-human-rights-defenders-in-the-state-of-maranhao-joint-communication/
Internet Archive WayBackMachine, 24.6.2025. Facts relating to the Ka’apor Community’s proposed REDD+ project in the Alto Turiaçú territory in Brazil: https://web.archive.org/web/20250624231737/https://www.wildlifeworks.com/post/facts-kaapor-redd
EU-Ministerrat, 19.3.2024. Anti-SLAPP-Richtlinie: Endgültiges grünes Licht für EU-Gesetz zum Schutz von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern: https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2024/03/19/anti-slapp-final-green-light-for-eu-law-protecting-journalists-and-human-rights-defenders/
Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, 26.6.2025. Besserer Schutz vor Einschüchterungsklagen: Gesetzentwurf zur Umsetzung von EU-Richtlinie veröffentlicht: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/0620_Anti_SLAPP.html

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