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RegenwaldReport 03/1995

Nur Verluste für den Kongo

Als der Holzlaster auf dem Marktplatz zum stehen kommt, ist er sofort von einer Menschenmenge umringt. Etwa 50 Tierkadaver hängen an den Seiten, Antilopen, Wildschweine, verschiedene Affenarten. Zwischen Bündeln von Tierleibern sehe ich plötzlich den Körper eines riesigen Gorillas ohne Kopf". So beschreibt Garry Richardson eine Szene, die im Norden des Kongo längst zum Alltag geworden ist. Gemeinsam mit dem Journalisten Karl Ammann hat Richardson von der World Society for the Protection of Animals (WSPA) den brutalen Wildhandel auf den Holzfällerstrassen und in den Städten des Kongo dokumentiert. „Bushmeat" heisst das, was auf den Holzlastern in die Arbeitercamps und die Städte kommt. Dieses Fleisch aus dem Wald ist die traditionelle Nahrung von Pygmäen und einzelnen Dorfgemeinschaften in den Regenwäldern Afrikas. Mit Netzen und Speeren haben sie seit Jahrtausenden gejagt und die Tierarten haben die Jagd überlebt. Aber mit dem Holzgeschäft sind jetzt ganz andere Werkzeuge in den Wald gekommen. Gewaltige Bulldozer planieren Strassen für den Abtransport der tonnenschweren Sapelli und Sipo-Bäume, Hunderte Arbeiter werden in Holz-Camps zusammengebracht und die LKWs ermöglichen den Transport von Fleisch auch über längere Strecken. Zum Beispiel nach Ouesso, der Provinzhauptstadt mit 11000 Einwohnern. 5700 Kilo „Bushmeat" werden hier jede Woche verspeist. Das sind im Durchschnitt 390 Ducker, kleine Waldantilopen. 8 verschiedene Affenarten werden auf dem Markt angeboten, darunter Gorillas, aber auch zahlreiche andere Waldtiere. In kleine Teile geschnitten wird das Fleisch auf dem Markt verkauft, für einen Dollar bekommt man ein etwa faustgrosses Stück Fleisch. Elefantenfleisch ist besonders beliebt und entsprechend teurer. Das Ausmaß der Katastrophe ist wohl bekannt, im fernen Bonn ebenso wie in Washington. Für die Weltbank und die staatliche deutsche Entwicklungshilfeorganisation „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit" (GTZ) fertigte ein Experte einen detaillierten Bericht über die Jagd an. „In der Woche bevor die Untersuchung begann, wurden zwei Elefanten etwa 12 Kilometer weiter in Kamerun geschossen... das fanden wir eines Nachmittags in Djembe heraus, als einer der Fallensteller die Haut eines sehr grossen Elefantenfusses präparierte, den er von einem der beiden Elefanten abgeschnitten hatte. Er zeigte ihn uns ganz offen, und bot ihn uns für 50.000 CFA zum Kauf an." Einige Dutzend Elefantenjäger sind in der Studie mit Namen aufgeführt. Es wurde sogar eine Liste von Personen erstellt, die einen Grosskaliber 458 besitzen. Wer im Nordkongo ein solches Gewehr besitzt, gehört schon zu den „grösseren Geschäftsmännern". Für die Drecksarbeit werden Pygmäen angestellt, die, längst vom traditionellen Waldleben entfremdet, gegen geringe Bezahlung im Wald auf die Jagd gehen. Die Jagd auf Elefanten, Gorillas und Schimpansen ist im Kongo verboten, doch in der Praxis hat das keine Konsequenzen. „Die Tatsache, dass das Gesetz offen missachtet wird, verdeutlicht der Polizeichef von Kabo, der aktiv in den Wildhandel verwickelt ist." Der Autor der Studie sah mit eigenen Augen, wie sich der Beamte frisches Gorillafleisch vor seinem Haus anliefern liess. Wer jedoch die wahren Verursacher sind, geht aus der Untersuchung eindeutig hervor: Das Management der Holzfirma in Kabo ist „verantwortlich für beträchtliche illegale Jagd". Und weiter: „Es ist die Regel, dass Forstfahrzeuge Jäger und Arbeiter täglich in den Wald bringen und Wildfleisch zurück nach Kabo transportieren". Besonders tragische Opfer der illegalen Jagd sind die „Überlebenden", die Babies der erlegten Affen. Sie werden, am Körper der toten Mutter hängend, gefangen und als Haustiere gehalten oder weiterverkauft. Solange sie klein sind, sind die. Affen beliebt als Spielzeug für Kinder oder zur Unterhaltung der Gäste in Hotels. Sind sie dem „Säuglingsalter" entwachsen und nicht mehr zu kontrollieren, werden sie von ihren Besitzern abgeschoben oder einfach am nächsten Baum festgekettet. Im Gegensatz zu Schimpansen überleben Gorillas diese Tortur in der Regel nicht. Besorgnis erregend ist die zunehmende Erschliessung der Waldgebiete durch die ausländischen Holzkonzessionäre. Um den Transport der bis zu 900 Jahre alten Bäume zu ermöglichen, werden neue Strassen gebaut, vor allem über die Grenze nach Kamerun. Dadurch wird auch der verbotene Handel mit Wildfleisch internationalisiert. Ein Beispiel konnte der Tierfilmer Karl Ammann mit der Kamera festhalten. Am 22. August 1994 filmte der Journalist an einer Strasse bei Moloundou (an der Grenze Kamerun/Kongo) zwei riesige LKWs, beladen mit Baumstämmen der Konzession CIB des Bremer Holzhändlers Hinrich Lüder Stoll (Firma Feldmeyer). Unter der Motorhaube des Transporters holen zwei Männer bereitwillig einen Sack hervor. Sie bringen fünf geröstete Schimpansenarme zum Vorschein und breiten sie vor der Kamera aus. Die Männer haben keine Scheu. Von Polizei und Regierung haben sie nichts zu befürchten. Mit der Invasion der Holzhändler ist die illegale Jagd im Nordkongo dramatisch angestiegen. Die WSPA dokumentierte, dass allein an der neuen Straße, die von der Stoll-Firma CIB nach Kamerun gebaut wurde, acht neue Wilderer-Camps entstanden sind. Ursprünglich jagten die Menschen ausschließlich zur Ernährung der eigenen Familien. Heute ist daraus ein bedeutendes Geschäft geworden, vor allem für die Versorgung der Holzarbeiter, die einen wesentlich höheren Fleischkonsum haben. Selbst die weit entfernten grossen Städte wie Brazzaville und Yaounde werden heute mit dem Bushmeat versorgt. Dreh- und Angelpunkt des Geschäfts mit Affen und Elefanten: Der Holzhandel. Die Herren der Säge sind sich keiner Schuld bewusst. Im Gegenteil. „Erzeugnisse aus Tropenholz sind ein Beitrag zur Erhaltung des tropischen Regenwaldes", proklamiert der Bundesverband Deutscher Holzhandel. Tatsächlich wird der Kongo durch den Holzexport nicht reicher, verliert dabei nur lebenswichtige Ressourcen. Experten sprechen von einer „alarmierenden Situation in der kongolesischen Forstwirtschaft". Ein grundlegendes Problem ist nach Meinung internationaler Forstexperten das mangelnde Wissen über die Verjüngung der Baumarten. Man weiss nicht wie viele Jahrzehnte oder Jahrhunderte die einzelnen Baumarten brauchen um meterdicke Stämme zu entwickeln und erntereif zu werden. Die erlaubte Einschlagsmenge ist daher ohne wissenschaftliche Grundlage. Das gesamte Holzgeschäft teilen sich 5-10 private Unternehmen - allesamt ausländisch. Die anderen Firmen im Kongo sind hoffnungslos heruntergewirtschaftet. Die geringen Steuereinnahmen aus dem Holzexport decken nicht einmal die Kosten für staatliche Forstverwaltung und Management. Den satten Gewinn teilen sich die überwiegend europäischen Konzessionäre, allen voran Dr. Stoll, der mit seiner Firma CIB 80 Prozent des Holzes im Nordkongo produziert. Ein Teil des Holzes wird im eigenen Sägewerk vor Ort verarbeitet, das schreibt das Gesetz vor. Die hohen Transportkosten machen gesägtes Holz jedoch unrentabel. Bei Stolls Firma in Kongo weiss man sich zu helfen: „70 Prozent des zur Verarbeitung be-stimmten Holzes werden einfach verbrannt", sagen die Experten der GTZ. Mit der kongolesischen Wirtschaft geht es derweil kontinuierlich bergab. Bei den Bürgerkriegsunruhen 1994 wurden die Gehälter der Forstbeamten für 14 Monate ausgesetzt - der Kongo war schlicht pleite. Folge: die staatlichen Aufseher werden schliesslich von denen bezahlt, die sie kontrollieren sollen: den Holzfirmen. Susanne Breitkopf

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