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RegenwaldReport 04/1996

FSC: Wegsehen hilft nicht

Lange hat's gedauert, bis die Prinzipien und Kriterien (P&C) verabschiedet, die ersten Zertifizierer anerkannt waren und der FSC so richtig loslegen konnte. Wälder nutzen und gleichzeitig erhalten und damit auch noch der einheimischen Bevölkerung zu mehr Wohlstand verhelfen ist das Ziel. Rettet den Regenwald hat den FSC seit seiner Gründung kritisch begleitet und in Briefwechseln und Diskussionen versucht, die Initiative positiv mitzugestalten. Hier ist die - unbequeme aber ehrliche - Analyse der tatsächlichen Erfahrungen aus der Praxis.

Wie sieht's konkret aus? Die Prinzipien und Kriterien des FSC sind sehr allgemein und werden, je nach Interesse, grosszügiger oder strenger interpretiert. Nationale Arbeitsgruppen sollen anhand der P&C konkrete Standards erarbeiten, nach denen zertifiziert wird. Dadurch können ganz unterschiedlich strenge Massstäbe entstehen. Die Mitglieder solcher, „Working Groups" in tropischen Ländern sind zudem häufig massivem Druck undemokratischer Regierungen und des Holzhandels ausgesetzt. Schöner Schein Grosse Holzkonzerne lassen ein Stück ihres Waldes zertifizieren und verschaffen sich dadurch ein gutes Image. Den Rest ihrer Wälder plündern sie weiter rücksichtslos, und sie kaufen Raubbauholz von anderen Firmen. Abhängigkeit Die Zertifizierer werden von den Holzhändlern bezahlt. Neben gemeinnützigen Organisationen sind kommerzielle Zertifizierer am Werk. Sie wollen Geld verdienen und sind von ihren Auftraggebern, den Holzkonzernen abhängig. Wie das Beispiel aus Gabun zeigt, drücken sie dabei nur allzu willig beide Augen zu. Mangelnde Überwachung Es ist zwar die Aufgabe des FSC-Sekretariats, die Zertifizierer zu überwachen, aber die Praxis zeigt, dass es nicht funktioniert. Solange sich niemand beschwert, können haarsträubende Zertifikate ausgestellt werden. Umweltorganisationen vertrauen ZU UNRECHT darauf, dass ihnen der FSC die Mühen der Kontrolle abnimmt. Der ganze Unsinn wird deutlich: Überwacht wird nur, wenn die Umweltorganisationen wachsam sind. Dann könnten die Umweltgruppen eigentlich auch selber zertifizieren. Bürokratischer Prozess Beschwerden müssen an den Zertifizierer gerichtet werden. Eigentlich unlogisch. Wenn man einen Betrüger ertappt, wendet man sich ja auch an die Polizei und nicht an den Betrüger. So etwas wie eine Polizei hat der FSC aber nicht. Wenn man mit der Antwort des Zertifizierers nicht zufrieden ist, kann man sich an dessen „Zertifizierungsrat" wenden. Der ist vom Zertifizierer selbst eingesetzt. Wenn das alles nichts bringt, beschäftigt sich der FSC endlich mit einer Beschwerde. Monate vergehen, die zu Unrecht zertifizierten Holzkonzerne machen dicke Geschäfte, und besorgte Bürger und Umweltgruppen werden hingehalten. Keine Chance für die Betroffenen Die Erfahrung zeigt: Wenn sich keiner beschwert, können die skandalösesten Zertifikate ausgestellt werden. Einige Umweltgruppen, wie Rettet den Regenwald, haben zumindest begrenzte Kapazitäten, um Einzelbeispiele zu kontrollieren und sich auf die umständliche Beschwerdeprozedur des FSC einzulassen. Waldbewohner, wie zum Beispiel Pygmäen im Kongo oder auch Waldarbeiter in diktatorischen Staaten, müssen schon extrem viel Glück haben, damit ihre Probleme berücksichtigt werden. Geheimhaltung Alle Dokumente und Informationen sind geheim, die Zertifizierer müssen nur eine Zusammenfassung veröffentlichen, in der kaum Details enthalten sind. Umweltgruppen fordern, dass die vollständigen Zertifizierungsberichte zugänglich gemacht werden. Eng begrenzte Teile des Berichts, die Geschäftsgeheimnisse beinhalten, kann man dabei ausnehmen. Das wird inzwischen sogar bei der Weltbank so gemacht. Beim FSC ist das bisher nicht möglich. Wer ist Mitglied Auch die Adressen der FSC-Mitglieder sind geheim. Man kann als FSC-Mitglied nicht direkt mit allen anderen Mitgliedern kommunizieren oder sich über Mitglieder informieren, wenn man zum Beispiel wissen will, wer sich hinter einer Organisation verbirgt. Kosten Die Zertifizierung kostet sehr viel Geld. Für einen Arbeitstag berechnet die SGS über 1000 Mark plus Spesen und Reisekosten. In der Regel sind deshalb auch nur halbjährliche Kontrollbesuche vorgesehen. Ob in der Zwischenzeit betrogen und gelogen wird, geschützte Tiere gewildert, unsachgemäss gearbeitet wird, wer will das wirklich beurteilen? Hinzu kommt: Kleinere, nationale gemeinnützige Organisationen, die eng mit den betroffenen Menschen zusammenarbeiten, haben kaum eine Chance gegen die Zertifzierungsmultis. Es kostet sie Tausende von Dollar, die vom FSC verlangten Dokumente allein übersetzen zu lassen, so dass ihre Chancen, vom FSC anerkannt zu werden, gering sind. Rolle der Umweltgruppen Umweltgruppen werden im FSC in die Ecke gedrängt. Erste Anzeichen sind, dass ihre Forderungen nach mehr Transparenz, Schutz von Primärwäldern und besserer Kontrolle im Sekretariat verpuffen. Nun sind im Sommer '96 auch noch die Stimmanteile für die Wirtschaft von einem Viertel auf ein Drittel erhöht worden. Umwelt- und soziale Gruppen sind, anders als vorher, in zwei verschiedene Kammern getrennt. Für viele Gruppen ist dies eine künstliche Trennung, denn sie kümmern sich um ökologische und soziale Belange gleichermassen. Das gilt vor allem für die Tropen, wo Waldzerstörung, Armut und Menschenrechtsverletzungen Hand in Hand gehen. Schutz der Primärwälder Der FSC setzt das Verbot des Holzeinschlags in Primärwäldern (Prinzip 9) nicht durch. Wie das Beispiel Gabun zeigt, verhindert er nicht neue Erschliessung und Zerstörung von Wäldern. Sogar der Holzeinschlag in Gebieten, die für den Schutz vorgesehen sind, wird nicht ausgeschlossen. Wenn dieses Verhalten nicht korrigiert wird, gefährdet der FSC den Regenwald. FSC-Zertifizierung wird von Regierungen und Weltbank bereits als Alibi für weitere Regenwaldausbeutung benutzt. So schreibt der WeltbankVizedirektor für Afrika, Jean-Louis Sarbib: "Es stimmt, dass die Bank... die Möglichkeit für zukünftige Unterstützung nachhaltiger Abholzung in tropischen Wäldern diskutiert hat... Die Minimalbedingung wäre die Unterstützung von Umweltgruppen und Zertifizierung ... wie die vom FSC." (Brief vom 16.10.96). Damit würde der FSC zum Alibi für die Plünderung der letzten Primärwälder. Rettet den Regenwald versucht gemeinsam mit internationalen Umweltorganisationen auf den FSC einzuwirken. Ob das zum Erfolg führt, ist ungewiss.

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