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RegenwaldReport 01/2002

Indonesien: Fette Beute

Sie brauchen unsere Hilfe. Dringend. Deutsches Geld hilft kräftig mit, die Regenwälder für Papier und Palmöl zu vernichten

Wenn Feri Irawan sein Telefon abnimmt, hat er ein ungutes Gefühl. Seit Monaten wird er regelmäßig mit Morddrohungen traktiert. Feri Irawan arbeitet auf der indonesischen Insel Sumatra für die Umweltorganisation Walhi in der Region Jambi, in der es noch große Regenwaldgebiete gibt. In Jambi liegen drei Nationalparks und ein Reservat, das die Kubu, ein indigenes Volk, dem Staat abgetrotzt haben. Walhi Jambi recherchiert dort schon seit Jahren und bietet Bauern und Ureinwohnern Hilfe an, die sich verzweifelt gegen illegale Abholzungen in ihren Wäldern wehren. Bisher richtete sich der Kampf vor allem gegen die Papier- und Zellstoffproduktion, durch die die Böden und das Trinkwasser der ländlichen Bevölkerung vergiftet und die Regenwälder auf der Suche nach billigem Holz geplündert werden. Inzwischen müssen sich die Menschen auf Sumatra auch gegen die Machenschaften der Palmöl-Produzenten wehren. Welche katastrophalen Schäden diese anrichten, hat die Hamburger Filmemacherin Inge Altemeier in den vergangenen Monaten vor Ort dokumentiert: „Brandrodung auf Sumatra: Die Regenwälder Indonesiens werden in Palmölplantagen umgewandelt. Monokulturen soweit das Auge reicht. Aus den Früchten der Ölpalmen kommt das Pflanzenfett für unsere Margarine. Palmschrot liefert zudem Futter für europäisches Vieh.“ Seit Mitte der neunziger Jahre haben internationale Investoren die Palmölproduktion in Indonesien massiv ausgedehnt. Heute ist der Inselstaat nach Malaysia der zweitgrößte Produzent. Die Wälder der Ureinwohner Sumatras müssen den Plantagen weichen. Traditionell leben die Nomaden vom Volk der Suku Anak Dalam aus der Provinz Jambi im und vom Wald. Dessen Früchte sind ihre Nahrung. Seit der Wald sie nicht mehr ernähren kann, müssen sie Körbe aus wildem Rattan flechten und gegen Lebensmittel und andere Güter tauschen. Der Nationalpark Bukit 12 ist einer der letzten Zufluchtsorte der Suku Anak Dalam. In zähem Ringen haben sie dem Staat dieses letzte Stückchen abgetrotzt. Sie nennen sich die Kinder des Urwaldes, er ist Vater und Mutter für sie, und niemals würden sie es wagen , einen mächtigen Baum zu fällen, „denn wer die Natur zerstört wird die Rache der Geister erleben“, erzählen sie. „Es gibt nur noch einen kleinen Wald im Nationalpark rund um die Berggipfel“ sagt ein Vertreter vom Volk der Suku Anak Dalam. „Wo können wir noch genug Früchte und Tiere finden, um uns zu ernähren? Das ist der einzige Platz, wo wir noch Nahrung suchen können. Überall im Flachland sind schon Plantagen. Was sollen wir essen?“ Immer tiefer werden sie in die Wälder vertrieben, aber selbst hier, weit entfernt von Straßen und Dörfern, verfolgt sie das Geräusch der Sägen. Wasser, Luft und Böden sind vergiftet. Die Abfälle aus der Palmölproduktion werden direkt vor den Fabriktoren verbrannt. Beim Pressen der Früchte entstehen flüssige Giftstoffe, die einfach in die Natur abgelassen werden und in die Flüsse sickern. In den Kloaken kann kein Fisch mehr leben. Der Sauerstoffgehalt des Wassers ist durch den organischen Müll zu niedrig. „Von Kopf bis Fuß saugen sie uns das Blut aus dem Körper“, erzählt ein Vertreter der Suku Anak Dalam. „Ich bin verzweifelt und bereit, für dieses Land zu sterben. Es ist unser Heiligtum, aber die Palmölfirmen kommen zu unseren Hütten und bedrohen uns. Wenn du nicht auf der Plantage arbeiten willst, verschwinde doch in den Wald, sagen sie. Wir wollen unser Land nicht hergeben, aber die Konzerne kümmert es nicht.” Täglich kommen Menschen in das Büro von „Walhi Jambi“, die ihr Land verloren haben und um Rechtshilfe bitten. Rettet den Regenwald hat der indonesischen Umweltorganisation inzwischen 5000 Euro zur Verfügung gestellt und wird „Walhi Jambi“ auch in Zukunft finanziell unterstützen. Seitdem kann Feri Irawan es sich leisten, häufiger in die bedrohten Dörfer zu fahren und in den Nationalparks zu dokumentieren, dass dort illegal abgeholzt wird. „Alle Leute hier kennen Feri inzwischen und wollen seine Rechtsberatung“, erzählt ein Bauer aus dem Banko Distrikt. Auch die Regenwaldplünderer kennen Feri und fürchten seine Arbeit. „Wenn Walhi Jambi nicht aufhört, gegen den Plan des Gouverneurs zu protestieren, (eine Million Hektar Palmöl anzubauen), werde man ihm ganz persönlich die Kehle durchschneiden“, wurde Feri per Telefon angedroht. Der größte Produzent von indonesischem Palmöl ist der Konzern Sinar Mas mit Firmensitz in Singapur und Anteilseignern aus aller Welt. Da von den Exportkreditagenturen mit horrenden Versicherungen und Krediten bedacht, galt der Konzern als seriös und interessantes Investitionsobjekt. So konnte er einerseits den Palmölbereich ausbauen, andererseits problemlos den Anschluss an den internationalen Markt finden. Vom Hafen in Jambi geht die fettige Fracht nach Rotterdam. Über 90 Prozent des Palmöls ist für den europäischen Markt bestimmt. Zum Beispiel für Kleve am Niederrhein. Hier wird Palmöl für eine der ältesten Margarinefabriken Europas angeliefert. Heute produziert sie für den internationalen Konzern Unilever. Der verbraucht rund 1.5 Millionen Tonnen Palmöl jährlich. Das rohe, in Indonesien gepresste Fett, wird erst in Deutschland raffiniert. Sinar Mas hat unterdessen ein neues lukratives Geschäft entdeckt, denn nicht nur das Öl der Palmölfrüchte lässt sich verkaufen, sondern auch die Schalen und der Palmkuchen. Eigentlich ein Abfallprodukt, ist es bestens geeignet als billiges Futter in der Massentierhaltung. Die gesamte Produktion von Sinar Mas wird nach Europa verschifft. Wo Sinar Mas und Co. sich ausbreiten, gibt es heftige Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung. In Sarolangun im Distrikt Jambi hat die Firma Kresna Duta Agrikindo den Dörflern 10.000 Hektar Land gestohlen. Seit Jahren dehnt sich die Produktion immer weiter aus – man braucht Nachschub für die 16 Palmölpressen. Meist stehen Militär und Polizei bei lästigen Konflikten mit Bauern, die ihr Land nicht hergeben wollen, auf der Seite der Palmölindustrie. Selbst vor dem Gebrauch von Schusswaffen schreckt die uniformierte Staatsmacht nicht zurück. „Wir kamen an das Plantagentor, um mit der Fabrik zu verhandeln, weil Sinar Mas unser Land gestohlen hat. Alle Bauern wollten zum Büro gehen, um eine Lösung zu finden. 50 Meter vor dem Eingang haben sie auf uns geschossen“, berichtet ein Augenzeuge. Immer noch sitzen Bauern im Gefängnis. Ihr einziges Vergehen: sie haben gegen die Fabrik Sinar Mas protestiert. Auch Folter gehört zum Alltag. „Als sie auf mich schießen wollten, rannte ich davon, ich habe versucht auf mein Fahrrad zu steigen, dann verfolgten sie mich und ich fiel hin”, erzählt ein Mann. „Sie haben von hinten auf mich eingeprügelt. Ich lag auf dem Bauch. Ich war blutüberströmt und schon halb bewusstlos.” Weil viele Menschen auf Sumatra ums Überleben kämpfen, sind sie gezwungen, auf den Palmölplantagen zu schuften. Die billigsten Arbeitskräfte sind den Betreibern gerade recht. Die meisten kommen aus weit entfernten Dörfern oder sind Umsiedler von der indonesischen Zentralinsel Java. Sie kamen einst im Zuge eines Transmigrationsprogramms nach Sumatra, das durch deutsche Entwicklungshilfegelder und die Weltbank finanziert wurde. Das Land, was man ihnen gab, kann sie nicht ernähren. Jetzt sind sie Tagelöhner. Und da das Geld nicht ausreicht, ihre Kinder zur Schule zu schicken, hacken die Jungen und Mädchen Unkraut, statt die Schulbank zu drücken. Für die Menschen zählt inzwischen jeder Tag, denn es geht um ihre nackte Existenz. „Wir brauchen dringend Hilfe“, sagt eine Frau. „wir haben kaum noch Reis, weil wir keine Felder und keinen Wald mehr haben. Die Situation in unseren Häusern ist furchtbar, weil unsere Männer im Gefängnis sitzen. Wir sind zu Bettlern geworden.“ Es steht schlecht um Indonesiens Regenwälder. Wissenschaftler haben in verschiedenen Studien nachgewiesen, dass die einst riesigen Urwaldflächen in fünf Jahren fast vollständig verschwunden sein werden – hält der derzeitige Trend an. Hauptgrund ist die explosionsartige Ausbreitung der häufig kriminell arbeitenden Papier- und Palmölindustrie. Eine Spur führt direkt nach Berlin, Köln und in die Bankenmetropole Frankfurt. Die beiden indonesischen Boombranchen werden mit Millionen schweren Krediten auch von deutschen Geldinstituten finanziert. Und selbst die rot-grüne Bundesregierung fördert die Entwicklung mit so genannten Hermes-Bürgschaften für die Konzerne Raja Garuda Mas und Sinar Mas. Recherchen von Walhi Jambi belegen, dass die Papier- und Zellstoffbranche inzwischen eine eigene Palmölproduktion aufgebaut hat. Dabei handelt es sich um teilweise illegale Geschäfte, bei denen Unternehmen auch die deutsche Hermes-Versicherung austricksen. Dies führt zur Zerstörung einmaliger Ökosysteme und zur Vernichtungder Lebensräume indigener Völker, zum Beispiel in der Region von Tanjung Jambumg Timur, wo ein nur noch selten vorkommendes Regenwaldgebiet auf Torfland existiert. Sinar Mas Zellstoffabrik APP, mit Bürgschaften aus aller Welt aufgebaut, hat über die konzerneigene Bank BII eine Milliarde Dollar in den Palmölbereich verschoben, berichtet Walhi Jambi. Geht der Papierbereich deswegen pleite, muss unter anderem der deutsche Steuerzahler über die Hermes-Bürgschaft einspringen. Auch die Deutsche Investitionsund Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine staatliche Einrichtung mit Sitz in Köln, gab Kredite über Millionen Euro für ein Palmölprojekt der Sinar Mas-Gruppe. Sobald öffentliche Banken oder Exportkredit-Agenturen bestimmte Unternehmen und Investitionen für förderungswürdig halten, folgen die privaten Geldgeber. So vergaben beispielsweise die Deutsche Bank und die Commerzbank große Kredite an Sinar Mas. Dabei sind die verheerenden Folgen besonders der Palmölproduktion auch in Kreisen der Banker und Hilfsagenturen sehr wohl bekannt. Die bundeseigene Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) stoppte kürzlich ihr komplettes Engagement im Palmölsektor – aus sozialen und ökologischen Gründen. Weil in Indonesien Land und Arbeitskräfte billig zu haben sind und ein korrupter Machtapparat den illegalen Machenschaften tatenlos zuschaut oder sogar darin verwickelt ist, kann das Land sein Palmöl günstiger anbieten als die malaysische Konkurrenz. In wenigen Jahren wird Indonesien vermutlich zum größten Produzenten der Welt aufsteigen. Die Anbaufläche der Palmölplantagen wuchs von 600.000 Hektar (1985) auf drei Millionen Hektar (1999). Anträge für rund 20 Millionen weitere sind gestellt – eine Fläche etwa so groß wie die verbliebenen Wälder Indonesiens. Der Großteil des Palmöls wandert in den Export. Deutsche Konzerne und der Verband Deutscher Ölmühlen e.V. importieren pro Jahr rund 600.000 Tonnen Palmöl allein aus Indonesien. Weltweit ist Deutschland der fünftgrößte Importeur und hinter den Niederlanden der größte Abnehmer in der Europäischen Union. In jüngster Zeit wird Palmöl bei uns verstärkt als Futter in der Massentierhaltung eingesetzt – Schweineschnitzel aus dem Dschungel, die einen unsichtbaren DEG-Stempel tragen. Große Importeure wie die Firma Alfred C. Töpfer in Hamburg versorgen Europa mit dem Palmölschrot aus Indonesien. Als Zusatz für Futtermittel ist es ein äußerst günstiges Produkt. Nicht einmal siebzig Dollar kostet die Tonne – eine harte Konkurrenz für europäisches Pflanzenfutter. Erst Recht in BSE-Zeiten und seit dem Verbot, Tiermehl dem Kraftfutter beizumischen. Daneben steckt Palmöl auch in Fertigsuppen, Backwaren, Schokolade, Kartoffelchips, Eiscreme und Margarine sowie in Waschmitteln und Kosmetika. Doch es gibt für alle Verbraucher die Möglichkeit, sich mit ihrem Konsumverhalten gegen Palmölprodukte aus Raubbau zu entscheiden. Viele Naturkostläden bieten Lebensmittel an, die Bio-Palmöl enthalten, das aus kontrolliertem Anbau stammt, der Mensch und Umwelt schont. Verbraucher sollten von den Händlern solcher Produkte einen lückenlosen und nachvollziehbarenNachweis über die Herkunft der Öle verlangen. Gleiches gilt für Reinigungmittel, die ebenfalls als Ökovariante auf dem Markt sind und zum Beispiel Sonnenblumen- und Rapsöl aus einheimischem, kontrolliert biologischem Anbau enthalten. Rettet den Regenwald fordert von der Bundesregierung schon lange, dass DEG-Gelder und Hermes-Bürgschaften ausschließlich in nachhaltige Projekte fließen, mit denen der Waldschutz gestärkt wird. Die DEG, die zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Ländern gehört, fördert nicht nur in Indonesien fragwürdige Projekte. Im vergangenen Jahr hat sie beispielsweise der brasilianischen Unternehmensgruppe Maggi ein Darlehen zum weiteren Ausbau der Sojaproduktion zur Verfügung gestellt. Die Maggi-Gruppe gehört zu den größten Sojaproduzenten weltweit. Sie bildet die Speerspitze beim Vordringen der Sojafront in den Amazonas. Für Indonesien fordert Rettet den Regenwald von der Bundesregierung, sich über den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank, wo sie jeweils eine gewichtige Stimme hat, für eine Umkehr in Indonesiens Palmölproduktion einsetzen. Beide Geldinstitute haben bisher die Branche gepusht mit dem Ziel, Indonesien bis 2008 zum größten Palmölexporteur der Welt zu machen. Protestieren Sie bei der Bundesregierung und deutschen Kreditgebern gegen die Darlehen und Bürgschaften für die indonesische Palmölproduktion! Herrn Bundeskanzler Schröder Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 11044 Berlin Fax: 0 18 88 - 272 - 1365 E-Mail: InternetPost@bundesregierung.de Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft 11055 Berlin Fax: 030 - 20 06 - 42 62 E-Mail: internet@bmvel.bund.de Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Stresemannstraße 92 10963 Berlin Fax: 0 18 88 535 - 35 00 E-Mail: poststelle@bmz.bund.de

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