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RegenwaldReport 01/2002

Der Fluch des schwarzen Goldes

Interview mit dem TV-Filmer Michael Enger über Ölförderung in Ecuador

Zwei Schwerpunkte des freien Fernsehjournalisten Michael Enger sind Menschenrechte und Umweltschutz. Mit seinem Kollegen Justus Fenner hat er in Ecuador den Film „Der Fluch des schwarzen Goldes“ gedreht. Der Regenwald Report sprach mit Michael Enger. RR: Sie haben im Dorf San Carlos gefilmt, wo eine Ölpipeline mitten durch den Regenwald verläuft. Welche Auswirkungen hat sie auf die Menschen dort? Enger: Neben dieser großen Pipeline gibt es eine Vielzahl meist kleinerer Ölleitungen, die durch das Dorf verlegt sind. Diese sind zum Teil in einem maroden Zustand. Daher kommt es immer wieder zu Rohrbrüchen, mit verheerenden Folgen für die Umwelt und die Menschen. In den wenigen Tagen, in denen wir in dem Dorf waren, haben die Bewohner drei neue Rohrbrüche entdeckt. Tagelang war Öl ausgetreten. Es hat den Regenwald in einem weitem Umkreis verseucht und ist auch über einen Bach in einen Fluss gelangt. Das erschreckende Ausmaß dieser Rohrbrüche sieht man in unserem Film sehr deutlich. Solche Leckagen gehören für die Menschen in San Carlos seit Jahren zum traurigen Alltag, und die Ölgesellschaften – im diesem Fall Petroecuador – unternehmen kaum etwas, um weitere Verseuchungen zu verhindern. Durch das schleichende Gift erkranken viele Menschen. Ein Arzt hat das in einer langen Studie vor Ort wissenschaftlich bewiesen. Die Wahrscheinlichkeit, in San Carlos an Krebs zu sterben, ist fast dreimal so hoch wie an anderen Orten des Landes. Das ist eine wichtige, neue Erkenntnis, mit der die Bewohner sich nun gegen die Erdölgesellschaften und untätige, oft auch korrupte Behörden wehren können. Aber die betroffenen Menschen brauchen Unterstützung, gerade auch aus dem Ausland. Denn darauf reagieren Politiker und Ölfirmen in Ecuador offensichtlich am sensibelsten. RR: Welche Auswirkungen hat die Ölproduktion in Ecuador auf den Regenwald, auf Tiere und Pflanzen? Enger: Zahlreiche kleine und größere Pipelines sind oft kreuz und quer durch den Regenwald und das Dorf verlegt worden. Die häufigen Rohrbrüche haben die Umwelt systematisch vergiftet. Ein weiterer Grund für die Verseuchung sind die vielen Ölbecken, in die die Ölgesellschaften giftigen Ölschlamm vom Anstich der Bohrlöcher fließen lassen. 70 Becken gibt es allein in und um San Carlos. Einige sind halb so groß wie ein Fußballplatz und mehrere Meter tief. Sie haben keinerlei Abdichtung zum Erdreich. Viele bestehen dort schon unverändert seit fast 30 Jahren. Sie wurden von Texaco angelegt. Und als Texaco dann aus Ecuador verschwand, hat man sie einfach zurückgelassen. Für die Menschen, aber auch für die Tiere sind sie eine große Gefahr. Viele Tiere werden durch die Salze im Ölschlamm angezogen und wollen daran lecken. Einige fallen hinein, andere erkranken und erleiden später Fehlgeburten – wie man bei Haustieren festgestellt hat. Oft liegen diese tödlichen Ölbecken neben den Häusern. Durch die tropischen Regengüsse werden die Ölrückstände immer weiter gespült. Alle Brunnen, Bäche und Flüsse, aus denen die Menschen in San Carlos ihr Trinkwasser nehmen müssen, sind mittlerweile verseucht. RR: Als die Pipeline vor 30 Jahren gebaut wurde, hat Texaco den Menschen Wohlstand versprochen. Geht es ihnen heute besser oder schlechter? Enger: Von dem versprochenen Wohlstand ist nicht viel zu bemerken. Den Menschen in San Carlos geht es viel schlechter. Ihr wichtigstes Gut, ihr Leben, ihre Gesundheit und ihre Umwelt sind ruiniert. Das Öl hat viele Krankheiten, ja Todesfälle verursacht und die Umwelt vergiftet. Die meisten Bewohner waren damals gesund. Nun sind viele erkrankt. Sie erzählen, dass sie früher sauberes Wasser zum Trinken hatten. Alle Wasserquellen im Ort sind heute vergiftet, wie Untersuchungen ergeben haben. Die Menschen haben keine Wahl, sie müssen das verseuchte Wasser trinken. Und wegziehen können sie auch nicht, da sie zu arm sind. Selbst das Regenwasser, das viele zum Trinken auffangen, ist durch die Schadstoffe in der Luft verseucht. Denn die Ölfirmen brennen Gase, die bei der Erdölförderung entstehen, einfach ab und die Rückstände vergiften die Luft. Viele Pflanzen in angrenzenden Plantagen sterben ab. RR: Was ist aufgrund der Erfahrungen mit dem Öl in Ecuador von der geplanten WestLB-Pipeline und einer Steigerung der Erdölförderung zu erwarten? Enger: Die betroffenen Menschen müssen mit neuen Katastrophen rechnen und befürchten, dass die gewaltigen Umweltverseuchungen und die vielen Krankheiten, die wir im Kleinen exemplarisch in San Carlos erlebt haben, bald in großem Maßstab an anderen Stellen auftreten. Gängige Umweltstandards werden bei der Planung und beim Bau der neuen Pipeline nicht eingehalten. Aufgrund der Erfahrungen in San Carlos wie auch in den anderen Erdölzonen Ecuadors ist auch weiterhin nicht damit zu rechnen, dass sie eingehalten werden – trotz aller anders lautenden, vollmundigen Bekenntnisse der Erdölgesellschaften und der Banken.

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