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RegenwaldReport 01/2009

Was heißt hier eigentlich "nachhaltig"?

Die EU plant ein Öko-Siegel für Agrosprit und sucht nach Kriterien

Wir wollen umweltfreundlich Auto fahren und umweltfreundlich heizen – doch die heimischen Äcker reichen für den Anbau von Energiepflanzen längst nicht aus. Also bedienen wir uns in Afrika, Asien und Südamerika – ein großer Teil der nötigen Rohstoffe wird von dort importiert. Immer lauter werden die Stimmen, die von Ausbeutung sprechen und davon, dass auf den Äckern der Armen anstatt Nahrung nun Energiepflanzen für die Reichen wachsen. Die EU sah sich zum Handeln gezwungen und entschied: Die Rohstoffe für Biodiesel und Biostrom dürfen nur aus nachhaltigem Anbau auf unsere Märkte. Das bedeutet: Sie müssen im Einklang mit der Natur und den Menschen sowie wirtschaftlich sinnvoll gewonnen werden. Das bedeutet zum Beispiel: Kein Wald darf mehr für Ölpalmen oder Sojapflanzen abgeholzt werden, keine Feuchtgebiete für Plantagen trockengelegt, kein Boden mit großer biologischer Vielfalt genutzt werden. Die Menschenrechte sind streng zu beachten; die Bauern dürfen also nicht von ihrem Land vertrieben werden. Außerdem: Energiepflanzen dürfen Nahrungspflanzen nicht verdrängen; sie sind nur auf „ungenutztem Land“ und Brachen zugelassen. Wer diese und weitere Kriterien berücksichtigt, darf sich mit dem geplanten Öko-Siegel schmücken. Naturschützer und Menschenrechtler stehen auf den Barrikaden. Sie halten ein Nachhaltigkeits-Zertifikat für ein grünes Mäntelchen, das die Umweltzerstörung reinwaschen soll. Wer will die Praktiken der Palmöl- und Sojakonzerne kontrollieren in Indonesien oder Argentinien? Wer bedenkt, dass dort die Preise für Nahrungsmittel steigen, wenn das Speiseöl für die Bevölkerung knapp wird? Wo gibt es „ungenutztes Land“ auf unserer dicht besiedelten Erde? Und in Wahrheit geht jeder Anbau von Agrarpflanzen für Energiegewinnung auf Kosten der Produktion von Lebensmitteln. Ist das nachhaltige Entwicklung? Auch Wissenschaftler haben Zweifel an der Realisierung und Überprüfung eines Nachhaltigkeits-Siegels. Prof. Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie fordert deshalb ein Moratorium für den interkontinentalen Handel mit Biosprit. „Die Folgen sind unübersehbar.“ „Das kommt auf die Pflanze an“, sagt Wolfgang Sachs. „Normalerweise brauchen Monokulturen eine Behandlung, die nicht sehr naturverträglich ist.“ Nachhaltigkeit, so der Professor, bedeute aber auch Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger. Ein hoher Ertrag sei also illusorisch. Wenn Brandrodung, Trockenlegung von Mooren oder das Betreiben der Ölpressen tonnenweise CO2 ausstoßen, wenn durch die Produktion von Biosprit also mehr Schadstoffe in die Luft geblasen werden als wir mit ihm sparen, dann, so Prof. Wolfgang Sachs, „treiben wir den Teufel mit dem Beelzebub aus“

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