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Regenwald Report 02/2012

Wunderwerk Regenwald

Wer im Dschungel überleben will, muss einen raffinierten Trick beherrschen, schnell rennen oder klettern können, gut aussehen oder riechen. Am besten, man kann etwas, was sonst keiner kann – so wie Aguti, Prachtbiene und Paranuss-Baum am Amazonas. Eine Geschichte über die geniale Symbiose zwischen Tieren und Pflanzen in einem der artenreichsten Lebensräume der Erde

Neben Pflanzen und Tieren profitieren auch  die Menschen vom Wasserreichtum Amazoniens.  Er beschert ihnen zum Beispiel gute Fischgründe und ausreichend Trinkwasser Neben Pflanzen und Tieren profitieren auch die Menschen vom Wasserreichtum Ama-
zoniens. Er beschert ihnen zum Beispiel gute Fischgründe
und ausreichend Trinkwasser

Jeden Abend um sechs bricht über dem Tropenwald am südamerikanischen Äquator die Dämmerung herein, und vielstimmige Geräusche werden wach. Plötzlich übertönt ein Aufprall das laute Tierkonzert. Aus der Krone eines Paranuss-Baumes hat sich eine kokosnussgroße Frucht gelöst und ist 50 Meter tiefer auf den Urwaldboden gekracht. Auf diesen Moment hat das Aguti gewartet. Nur ein Mal im Jahr wirft der Baum dem terriergroßen Nager die Lieblingsspeise vor die spitzen Zähne. Geschickt rollt er die Kugel ins Dickicht und nagt die Frucht auf. Das ist Schwerstarbeit, schließlich wiegt die Riesenkugel beinahe so viel wie er selbst. Außerdem ist die Schale steinhart – aber genau daran hat sich das Aguti angepasst: Niemand außer ihm besitzt so ein scharfes Gebiss, um die Frucht zu öffnen. Auch die Samen im Innern knackt das Aguti mühelos; ein paar verspeist es sofort, den Rest vergräbt der Nager einzeln im ganzen Revier – und vergisst sofort diverse Verstecke.  

Dies wiederum ist die Überlebensstrategie des Paranuss-Baumes: Seine Samen werden im Regenwald verteilt und können weit weg vom Mutterbaum neue Standorte erobern. Wenn genug Licht den Waldboden erreicht, hat die eine oder andere Nuss die Chance zu keimen und zu einem neuen Baum heranzuwachsen.

Jeder Eingriff gefährdet das Gleichgewicht

Auch zum Bestäuben braucht der Baum einen tierischen Helfer – die Prachtbiene. Nur sie ist groß und stark genug, den Deckel der Paranuss-Blüte anzuheben, um hineinzutauchen. Der Nektar nährt ihre Brut und sie selbst – und beim Besuch der nächsten Blüte trägt sie den Pollen weiter. Sind die Kelche bestäubt, dauert es 15 Monate, bis die neuen Früchte reif werden und dem Aguti vor die Nase fallen. So tragen zwei kleine Tiere dazu bei, dass der Amazonas-Riese nicht ausstirbt – dafür versorgt er sie mit Nüssen und Nektar. 

Das Aguti ist Teil einer fein gesponnenen Lebensgemeinschaft – stirbt es aus, sind auch Paranuss-Baum und Prachtbiene gefährdetDas Aguti ist Teil einer fein gespon-
nenen Lebensgemeinschaft – stirbt
es aus, sind auch Paranuss-Baum
und Prachtbiene gefährdet

Der Regenwald lebt in einem großen genialen Kreislauf von sich selbst. Als immergrüner Gürtel umspannt er die Erde rund um den Äquator. Die größten zusammenhängenden Regenwaldgebiete liegen in Amazonien, im Kongobecken und in Südostasien. Intensive Sonneneinstrahlung, hohe Temperaturen und jährlich mindestens zweitausend Liter Regen pro Quadratmeter schaffen dort die Voraussetzungen für die größte Artenfülle der Erde. Bis ins 20. Jahrhundert bedeckten die Tropenwälder gut 14 Millionen Quadratkilometer, ein knappes Zehntel der gesamten irdischen Landfäche. Rund 5,4 Millionen Quadratkilometer haben wir übrig gelassen. 

Immer häufier übertönt das Dröhnen schwerer Maschinen die Laute der Natur am Amazonas: Für unseren Bedarf an billigen Rohstoffen fördern riesige Pumpen das Erdöl aus dem Urwaldboden; Bergbaufrmen durchwühlen die Fluss-sedimente nach Bodenschätzen, Bulldozer schaffen Platz für Soja- und Zuckerrohrplantagen – oder für Riesenstaudämme und Landstraßen. Der Amazonas-Regenwald wird abgeholzt – geschätzte 7.000 Quadratkilometer pro Jahr – das ist halb Schleswig-Holstein. Immerhin steht schon ein Fünftel unter staatlichem Schutz, ein weiteres Fünftel ist als Territorium der Indianervölker anerkannt. 

 

AMAZONIEN IN ZAHLEN

Im Amazonasbecken liegt das mit etwa fünf Millionen Quadratkilometern größte zusammenhängende Regenwaldgebiet der Erde. Auf 6.500 Kilometern Länge durchströmt der Amazonas eine Vielzahl verschiedener Ökosysteme. Von den Bergregenwäldern der Anden im Westen bis zu Mangrovenwäldern im Osten an seiner Mündung in den Atlantik.

Die Artenvielfalt ist gewaltig. Etwa ein Viertel der auf der Erde vorkommenden Tier- und Pflanzenarten leben im Amazonasgebiet. Cirka 1.300 Vogelarten, 430 Säugetiere und 40.000 Pflanzen wurden schon beschrieben. Die wirkliche Zahl ist wesentlich höher. Ein Großteil der Artenvielfalt ist bisher noch nicht wissenschaftlich erfasst, besonders unter den Insekten. Amazonien ist auch die Heimat von 450 verschiedenen Indigenengruppen. Etwa ein Fünftel der Regenwaldgebiete ist schon als Territorium der Indianervölker anerkannt.

Auch unter Wasser ist die Artenvielfalt mit 3.500 bekannten Fischarten enorm. Der Zitteraal jagt seine Beute mit Stromstößen, manche Arten wie den Amazonasrochen und Süßwasserhaie kennt man sonst nur aus den Ozeanen. Auch Amazonasdelfine tummeln sich im Fluss.

1,5 Millionen Badewannen voll Wasser führt der Amazonas im Durchschnitt in seinem Mündungsgebiet pro Sekunde. Mit 6.600 Kubikkilometern Wasser pro Jahr ist er der mit großem Abstand wasserreichste Fluss der Erde

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