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Regenwald Report 04/2017 · Indonesien

Sand-Mafia baggert Küsten und Strände weg

Bagger Sand Sandraub an Kambodschas Südwestküste – für Singapur und Taiwan (© Mother Nature)

Sand wird knapp. Für immer mehr Beton, Straßen und künstliche Inseln werden auf der ganzen Welt Flüsse und Meere ausgebaggert, Mangroven und Korallenbänke zerstört – meist illegal. Jetzt schlagen Umwelt-aktivisten auf der indonesischen Insel Sulawesi Alarm: Die Menschen wehren sich gegen den Sandraub in ihrer Heimat und bitten um unsere Unterstützung

Etal Douw steht an der Küste seiner Heimatstadt Palu und blickt über die ausgedehnte Bucht. Direkt vor ihm tut sich ein 20 Meter tiefer Sandkrater auf; unzählige weitere Gruben und Steinbrüche zernagen und zerfransen die weite Uferlandschaft der einst bewaldeten Bucht, die jetzt einem Mondkrater gleicht.

Etal Douw ist Direktor von Jatam. Das Anti-Bergbau-Netzwerk verhindert seit vielen Jahren, dass Konzerne ungestört und ungestraft Sulawesis Naturressourcen ausbeuten können. Denn der Boden dieser biologisch einzigartigen Insel zwischen Javasee und Chinesischem Meer ist reich an Mineralien und Erzen; Nickel und Gold ziehen Weltkonzerne an.

Demonstration gegen Sandraub „Rettet unser Meer, kein Sandabbau im Meer von Takalar“ forden die Demonstranten in Südsulawesi (© Wahyu Chandra)

Und im großen Stil nun auch Sand. „Diese neue Dimension der Zerstörung auf Sulawesi begann 2009“, so Etal, „mit ernsthaften Folgen für unser Leben. Waldnutzung, Fischfang und Gemüseanbau sind nicht mehr möglich. Dagegen sind wir Erdrutschen und Überschwemmungen ausgesetzt. Für die Menschen gibt es kein sauberes Trinkwasser mehr. Unsere Sandstrände sind bald nur noch Erinnerung.“

Sand und Kies werden weltweit in einem Ausmaß gefördert wie niemals zuvor. Mehr als 40 Milliarden Tonnen Sand verbraucht die Menschheit Jahr für Jahr, so die Schätzung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP im Jahr 2015. Den Löwenanteil verschlingt die Bauwirtschaft, um den explosionsartig gestiegenen Bedarf an Zement und Beton zu decken. Ausgebeutet werden vor allem Länder, in denen es kaum oder schwache Umweltgesetze gibt, Menschenrechte missachtet werden und Korruption herrscht: Kambodscha, Myanmar, Indien, Indonesien. Dort haben die Verbrecherbanden leichtes Spiel; längst liegt der Sandraub in den Händen einer weltweit agierenden Mafia.

Mangroven in Sulawesi Noch sind viele Mangroven Sulawesis intakter Lebensraum für Meerestiere (© istock.com)

Das Ausbaggern von Küsten und Meeresböden zerstört Leben. Korallenriffe mitsamt ihren farbenfrohen Welten und ihrem Fischreichtum verschwinden, auch die schützenden Mangrovenwälder müssen weichen. Doch nicht nur an den Küsten wird der Sand abgebaggert, auch entlang der Flüsse und in Waldgebieten. Die Wälder werden abgeholzt, um an den Sand zu kommen. Flüsse verschlammen, Felder vertrocknen. Ganze Berge werden abgetragen: Die Gawalise-Berge im Westen der Palu-Bucht auf Sulawesi sind heute durchlöchert wie ein Schweizer Käse.

Auf dem düster und träge fließenden Labuan schleppt ein Lastkahn nach dem anderen den Sand Richtung Hafen von Palu. Entlang des Flussufers tragen jetzt 19 Unternehmen den Sand ab. Der Fluss ist so breit und tief ausgebaggert, dass auch schwerere Schiffe bis ins Landesinnere gelangen können.

Palus Hafen Pantoloan ist nicht mehr in der Lage, die Last der vielen Kähne zu verladen. Die Sandfirmen haben den Hafen erweitert, ohne Genehmigung. Ebenso illegal haben sie eine künstliche Verladeinsel vor Pantoloan aufgeschüttet, damit in Zukunft auch große Schiffe beladen werden können.

Die Schiffe verlassen Pantoloan Richtung Borneo und in die Molukken. Von dort geht es weiter nach Papua. Mit Sand aus Sulawesi werden Straßen in den Urwäldern Borneos und Papuas gebaut, um diese besser ausbeuten zu können: Straßen für die Lastwagen der Palmölindustrie und die Container mit Kupfer, Transportwege für Tropenholz, Kohle, Erze und die vielen Ressourcen aus den Waldgebieten – während die Straßen um Palu von den Sandlastern ruiniert werden. Der Sandabbau zerstört nicht nur die Küste von Sulawesi, er ist auch die Grundlage für den Ressourcenabbau anderswo.

Mädchen bei einer Bucht in Sulawesi Sulawesis wild gezackte Form schenkt der Vulkaninsel 6.000 Kilometer Küste mit Berghängen, grünen Buchten, weißen Stränden und artenreicher Unterwasserwelt (© Christine Denck)

Ökologische und soziale Überlegungen spielen kaum eine Rolle, wenn es um Profite geht. Insgesamt 31 Sand- und Kieselunternehmen besitzen eine Abbaugenehmigung, und zwölf dieser Unternehmen verfügen über eine spezielle Hafennutzungserlaubnis. Etwa die Hälfte davon darf offiziell Sand exportieren. Das reicht, um die Flora und Fauna des Küstenstreifens zu schädigen. Etal Douw und seine Aktivisten entdeckten jedoch, dass nicht zwölf, sondern 50 Unternehmen im Hafen verladen. „Allein unsere Provinz verliert 18 Millionen Tonnen Sand und Gestein in einem einzigen Jahr. Diese beeindruckende Zahl zeigt, wie extrem die Küste abgebaggert und wie massiv in die natürliche Schutzfunktion eingegriffen wird.“

Palu ist nur ein Ort von 16 Küsten und kleinen Inseln in Indonesien, wo Sand im Großmaßstab geraubt wird. Der Profit ist immens; aus Erfahrungen mit Sandabbau für das Landgewinnungsprojekt in der Jakarta-Bucht schätzen unsere Partner von Jatam den Gewinn aus einer Schiffsladung von 3000 Tonnen Sand auf fast 20.000 Euro.

Landgewinnung ist ein weiteres lukratives Geschäft. Seit Jahrzehnten vergrößert Singapur sein Gebiet durch Aufschüttungen mit Sand aus Indonesien, Kambodscha und Myanmar. Inzwischen hat Indonesien den Sandexport verboten, doch es gibt zahlreiche Hinweise, dass die Schiffe auf See ihre Flagge austauschen und mit falschen Angaben Singapur beliefern. Wie viel Sand aus Palu aktuell in Singapur anlandet, ist unbekannt. Im Hafen von Singapur ankern immer wieder Sandschiffe mit indonesischen Mannschaften, die aber keine Auskunft geben wollen, woher ihre Ladung stammt. Landgewinnung nach dem Modell Singapurs ist seit dem Exportverbot für Sand urplötzlich in vielen Orten Indonesiens in Planung.

Korallen Korallen haben keine Chance, wenn Bagger den Meeressand aufsaugen (© istock.com)

Ein Riesenprojekt mit Luxushotels in der Jakarta-Bucht, für das Sand von kleinen Inseln im Westen Javas geraubt wird, erregt die Bewohner von Jakarta. Bei Bali soll in der Benoa-Bucht ein weiteres Luxus-Resort gebaut werden. Und im Süden von Sulawesi ist eine luxuriöse Waterfront-City geplant. Den Sand dafür soll das holländische Unternehmen Royal Boskalis von den Inseln Tanakek und Sanrobone beschaffen. Dem Widerstand Tausender Familien begegnen die Behörden mit Gewalt.

„Sand wird zur Rarität. Auf unsere Kosten und auf dem Rücken der Natur“, sagt Etal Douw von Jatam und bittet um Unterstützung der Weltgemeinschaft.

Bitte unterschreiben Sie unsere Petition unter www.regenwald.org/petitionen. Um Asiens Küsten vor Sandraub zu bewahren, brauchen unsere Partner auch finanzielle
Hilfe. Details zur Verwendung der Spenden finden Sie auf Seite 14.

Sand-Fakten

Nach Wasser ist Sand das gefragteste Rohmaterial der Welt, pro Jahr werden 47 bis 59 Milliarden Tonnen Sand und Kies abgebaut
- neun Zehntel verschlingt die Bauindustrie: Stahlbeton besteht zu zwei Dritteln aus Sand
- in einem Einfamilienhaus stecken 200 Tonnen Sand, 1 km Autobahn braucht 30.000 Tonnen
- Wüstensand eignet sich nicht für Beton in Straßen, Fundamenten und
Gebäuden; Bausand muss kantig und rau sein, so wie in Flüssen und Meeren
- 90 Prozent des Sandes werden durch Erosion aus den Gebirgen abgetragen und gelangen über Bäche und Flüsse ins Meer. Dort kommt nur die Hälfte an: Er wird vorher abgebaut oder bleibt an den weltweit 850.000 Staudämmen hängen
- die Folgen: Schwimmbagger zerstören das maritime Ökosystem, Erosion von Küsten und Flussufern, Verseuchung der Gewässer, 75 bis 90 % der Strände weltweit schrumpfen

 

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