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Blick auf das Ökosystem Paya Nie, Sumatra
Bedrohte Schönheit: das Sumpfgebiet Paya Nie (© Aceh Wetland Forum)
Ölpalmen werden entfernt
Die illegal gepflanzten Ölpalmen werden entfernt (© Aceh Wetland Forum)
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Regenwald Report 02/2025 „Indigene sind die besten Naturschützer!“

Unser Partner Yusmadi Yusuf, Direktor vom Aceh Wetland Forum auf Sumatra, schreibt über das Leben der indigenen Gemeinschaften. Er fordert, das ökologische und kulturelle Wissen der Ureinwohner, ihre Wald- und Landrechte und ihren Schutz gesetzlich zu verankern.

Der Regenwald Report ist kostenlos und erscheint vierteljährlich, er enthält aktuelle Berichte über Projekte und AktionenEine Zustellung per Post ist nur innerhalb Deutschlands möglich.

Nach nur einer Minute taucht der Kormoran wieder auf. Seine Mahlzeit hat er unter Wasser verspeist. Weiter vorn, nah am Steg, waten Reiher im Wasser. Mandarinenenten verbergen sich im Riedgras am sumpfigen Ufer.

Wir sind unterwegs im malerischen Sumpf Paya Nie, ein 300 Hektar großes Feuchtgebiet am Rande des Leuser-Ökosystems im Norden der Insel Sumatra. Said Fakhrurrazi steuert sein Boot vorsichtig um Seerosen und Lotosblumen. Der Vorsitzende der Indigenen von Paya Nie ist trotz der Naturschönheit bedrückt. Er erlebt, wie das Sumpfgebiet von Tag zu Tag kleiner wird. Leute von außerhalb zerstören die Vegetation und legen Ölpalmplantagen an. Jäger dezimieren die Vogelwelt. „In den letzten sechs Jahren ist die Anzahl der Wasservögel dramatisch zurückgegangen“, berichtet Said.

Yusmadi Yusuf im Interview
Yusmadi Yusuf, Direktor vom Aceh Wetland Forum auf Sumatra (© Aceh Wetland Forum)

Wesentliches Element für Schutz und Nutzung der Natur ist die Stärkung der indigenen Gemeinschaften.

Yusmadi Yusuf

Im Oktober, wenn der Wasserspiegel sinkt, kommen die Fische aus ihren Verstecken. Dann machen die Fischer reiche Beute: Fadenfisch oder Gurami, Schlangenkopf, Wels, Kletterfisch. Doch die Wasserwelt, darunter viele Arten, die nur in Paya Nie vorkommen, ist verarmt. Ein Drama für die Menschen im Sumpfgebiet.

Report 2-25 - Collage Aceh 1
Schonender Fischfang mit Netz - fleischfressende Kannenpflanzen - Graureiher (© Aceh Wetland Forum - gailhampshire/CC BY 2.0 - Collage RdR)

Jahrhundertelang haben sie sich vom Fischfang ernährt. Sie fischen nur zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten, so wie es ihr Adat vorschreibt. Adat bezeichnet in Indonesien die Regeln für die Lebensweise einer indigenen Gemeinschaft. Ihre schonenden Fangmethoden mit Reusen, Angeln und Netzen haben das Ökosystem nicht zerstört. Doch seit einigen Jahren hat sich Fischfang mit Gift, Strom und Bomben verbreitet. Wilderer kommen von außerhalb, Zugezogene kennen die Regeln nicht und auch mancher Einheimische fischt mit Strom. Die indigenen Regeln zum Umgang mit der Natur weichen auf.

Indigene Völker

Der Begriff „indigen“ ist nicht eindeutig definiert. Indigene verstehen sich selbst als Nachkommen der Bevölkerung, die bereits vor der Eroberung, Kolonisierung oder Staatsgründung in einem bestimmten Gebiet lebte. Sie unterscheiden sich in Kultur und Sprache von der Mehrheitsbevölkerung. Die Vereinten Nationen betrachten sie als „Verwalter der biologischen Vielfalt“. Weltweit gibt es 370 Millionen Indigene, rund vier Prozent der Weltbevölkerung, auf etwa einem Viertel der weltweiten Landflächen.

Indigene in selbst gewebten Stoffen
Stolz tragen die Moi Kelim aus Papua ihre selbst gewebten Stoffe (© Ulet Ifansasti)

Die Menschen von Paya Nie wagten nicht, gegen die Zerstörungen einzuschreiten, obwohl ihr Leben vom „Ökosystem Sumpf“ abhängt. Die Behörden blieben inaktiv, es mangelt an Geld und politischem Willen. Nicht zuletzt sind Beamte an Wilderei beteiligt.

In Paya Nie leben neun indigene Gemeinschaften. Ihr traditionelles Recht umfasst viele Aspekte des Lebens, auch den Umgang mit der Natur. Es beruht auf ökologischem Wissen und spiegelt soziale Werte wider. Dass der Sumpf bis vor Kurzem ein ökologisches Kleinod geblieben ist und die Menschen ernährt hat, ist ein Beweis dafür, dass die Indigenen die besten Hüter der Natur sind und auch im modernen Sinn Umweltschutz praktizieren.

Aktiv werden! Unterschreiben Sie unsere Petition
„Keine Ölpalmplantagen im Schutzgebiet des Tripa-Moorwaldes in Aceh!“

Das Problem: Der Staat beansprucht die Autorität über Land. Die Indigenen, die jahrhundertelang sorgsam mit Regenwäldern und Feuchtgebieten umgegangen sind, genießen keinen Schutz. Ihre bewährten Regeln haben juristisch keinen Stellenwert. Die Urteile ihrer Indigenengerichte können auf staatlicher Ebene nicht durchgesetzt werden. Auf lokaler Ebene jedoch haben sie Wirkung, denn die Täter werden mit Strafen und strengen sozialen Sanktionen belegt.

Ein Schutz-Konzept für die Sümpfe

Aufgrund der Probleme haben wir vom Aceh Wetland Forum begonnen, mit den neun Dörfern ein Konzept für eine Verordnung zum Schutz der Sümpfe zu entwickeln. Mit Erfolg! „Wir Indigene haben diese Verordnung entsprechend unseren Adat-Regeln beschlossen. Landwirtschaft und Plantagen sind nicht erlaubt“, berichtet Said Fakhrurrazi. Wilderei, Töten der Wasservögel, Fischen mit Strom, Trockenlegen der Sümpfe für Palmöl sind verboten und werden streng geahndet. Alle neun Dörfer im Paya Nie-Sumpf anerkennen dieses Konzept. Said Fakhrurrazi räumt ein, dass einige Einwohner Bedenken hatten. „Sie waren unsicher, ob sie noch Fische fangen dürfen. Erst nachdem sie verstanden haben, dass diese Vereinbarung genau dazu dient, unsere Naturressourcen zu schützen und das Erbe unserer Vorfahren zu bewahren, haben sie zugestimmt“, sagt er.

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Pelikane brüten in Kolonien auf Bäumen oder am Boden - Weiße Seerosen - Lotosblüte (© Banu R/istockphoto - Opuntia/ CC BY-SA 3.0 - JJ Harrison/ CC BY-SA 3.0 - Collage RdR)

Wir haben für unser Konzept auch Wissenschaftlerinnen der Universität und staatliche Sicherheitskräfte einbezogen. So ist es gelungen, Paya Nie de facto zu schützen.

Paya Nie ist jetzt durch die Indigenen geschützt – und die Vögel kehren zurück

Wir stellen uns immer wieder die Frage, wie und ob indigenes ökologisches Wissen und und Recht in ein staatliches System integriert werden können. Bisher werden diese ignoriert, denn Wirtschaftswachstum und staatliche Autorität über Land haben Priorität.

Wir können aber nicht warten, bis es ein staatliches „Gesetz zum Schutz der Indigenen und ihrer angestammten Gebiete“ gibt, das sie als die besten Hüter der Natur respektiert. Wir können auch nicht warten, bis sie offizielle Waldrechte bekommen. Denn innerhalb weniger Jahre ist Paya Nie ökologisch degradiert worden. Wir reißen jetzt die Ölpalmen aus und bewalden wieder. Das Wichtigste: Paya Nie ist jetzt durch die Indigenen effektiv geschützt, ihr Recht ist gestärkt, das Ökosystem erholt sich und die Vögel kommen wieder!

Internationales Recht und Schutz

Indigene Völker genießen international unzureichend Schutz. Die Erklärung der Rechte indigener Völker (Declaration on the Rights of Indigenous Peoples, UNDRIP, 2007) definiert ihre Rechte auf Kultur, Identität, Traditionen, selbstbestimmte Entwicklung u.a. Die UNDRIP ist kein rechtsverbindliches Instrument.

Das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation zum Schutz indigener Völker (ILO 169, von 1989) ist die einzige rechtlich verbindliche Norm. Es bekräftigt die Anerkennung kollektiven Landbesitzes und die freie, vorherige und informierte Zustimmung (Free, Prior and Informed Consent FPIC) bei Projekten in ihren Territorien. Deutschland hat ILO 169 und UNDRIP erst 2021 ratifiziert.

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Said Fakhrurrazi, Indigenen-Vorsitzender von Paya Nie (© Aceh Wetland Forum)

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