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Regenwald Report 02/2019 · Landwirtschaft

Leer geräumt und tot gespritzt

Ein Kiebitz Im Jahr 2018 wurden 2,45 Millionen Hektar (21 Prozent der Ackerfläche) für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zur Erzeugung von Biomasse sowie für die Chemieindustrie verwendet (© Andreas Trepte/www.photo-natur.de)

Immer weniger Pflanzen und Tieren können auf unseren landwirtschaftlichen Flächen überleben. Die Populationen brechen ein, ganze Arten sterben aus. Es gab einmal Brachflächen. Heute gedeihen dort Monokulturen mit Energiepflanzen für Biogasanlagen

Fast 30 Jahre haben Mitglieder des entomologischen Vereins Krefeld Millionen Insekten gefangen. Wissenschaftler haben die in 68 Naturschutzgebieten in Deutschland gesammelten Daten ausgewertet – und kommen zu dramatischen Ergebnissen: Die Zahl der Insekten ist über die Jahre um 76 Prozent zurückgegangen. Und dieser Trend zeigt sich weltweit, wie Studien auch in anderen Ländern belegen.

Insekten sind manchmal lästig oder unangenehm, aber sie sind für die Natur und Menschen unersetzlich: Sie bestäuben Pflanzen, sind die „Müllabfuhr“ der Natur und verwandeln organische Reste in Nährstoffe für Pflanzen und Pilze, sie sind die Nahrungsgrundlage vieler Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere.

Und nicht nur den Insekten, fast allen Lebewesen geht es bei uns schlecht. Das konstatieren die Berichte „Die Lage der Natur in Deutschland“ des Umweltministeriums und „Der Zustand der Natur“ der Europäischen Union (EU). Drei Viertel aller Tier- und Pflanzenarten sowie Habitate befinden sich demnach in einem unzureichenden oder schlechten Zustand – sie drohen auszusterben.

Besonders betroffen sind die landwirtschaftlichen Gebiete. Wo früher Grashüpfer zirpten, Wildbienen und Hummeln summten, Schmetterlinge flatterten, Frösche quakten, Goldammern sangen und Feldlärchen trällerten, herrscht heute vielerorts Stille.

Pestizid wird versprüht Unsere Landwirtschaft setzt auf Monokulturen. Das bedeutet: Massiver Einsatz von Pestiziden, Überdüngung durch Gülle und Ausräumung der Landschaft (© Istockphoto/mikedabell)

Die flurbereinigten Monokulturen mit Futter- und Energiemais, Raps und Getreide sowie ödes Grünland bieten Pflanzen und Tieren keinen Lebensraum. So sind auch die Blüten der Wildkräuter aus den Äckern und Wiesen vielerorts verschwunden. Das vielgestaltige Mosaik von Knicks, Feldsäumen, Feuchtwiesen, Bächen, Tümpeln, Magerrasen und ungenutzten Brachflächen wurde beseitigt. Mit EU-Subventionen wurden die Flächen trockengelegt, kanalisiert, zugeschüttet, planiert, abgeholzt und mit Unmengen Gülle aus den Ställen der Massentierhaltung überdüngt.

Die Bioenergie-Politik der Bundesregierung trägt zum Artensterben bei. Auf 2,45 Millionen Hektar – fast 21 Prozent der gesamten Ackerflächen – wuchern in Deutschland nachwachsende Rohstoffe für die Erzeugung von Biogas, Biodiesel, Ethanol und Bioplastik. Was die Monotonie der EU-Landwirtschaft überlebt hat, wird mit Chemie vernichtet. 537 verschiedene Pestizide sind in der EU bereits zugelassen. Deutschland gehört zu den größten Verbrauchern mit jährlich etwa 15.000 Tonnen Herbiziden wie Glyphosat (enthalten in Roundup) und knapp 1.000 Tonnen Insektiziden, darunter Nervengifte wie Neonicotinoide.

Die Chemiekonzerne Bayer-Monsanto, BASF, Syngenta und DuPont versuchen, die Probleme mit allen Mitteln kleinzureden. Und auch die Bundesregierung findet kaum mehr als schöne Worte: „Die Landwirtschaft braucht einen intakten Insektenbestand und Insekten brauchen eine intakte Landwirtschaft“, lässt Ministerin Julia Klöckner publikumswirksam im Januar 2019 beim Runden Tisch für Insektenschutz verlauten. Wenige Tage später - ohne Kameras und hinter verschlossenen Türen - genehmigte das ihr unterstellte Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 18 weitere Pestizide.

Die Bürger wollen diese Politik nicht. In Bayern haben 1,75 Millionen Menschen mit einem Volksbegehren Artenvielfalt Gesetzesänderungen erzwungen. Sie sollen u.a. Biotopverbünde schaffen, eine nachhaltige Ausbildung, mehr Transparenz, mehr ökologische Landwirtschaft, mehr Blühwiesen sowie weniger Pestizide gewährleisten.

Flächenstilllegungen der EU

Im Jahr 1992 hat die EU die obligatorische Flächenstilllegung festgelegt. Um Direktzahlungen im Rahmen der Agrarsubventionen von der EU zu erhalten, mussten Bauern je nach Jahr bis zu 15 Prozent der Äcker aus der Nutzung nehmen. Ziel des mit Steuermilliarden teuer erkaufen Nichtstuns war allerdings nicht der Umweltschutz, sondern der Abbau der Getreideberge in der EU.

Wildblumenwiese Brachflächen, wie sie von der EU ab den 1990er-Jahren gefördert wurden, allein halten den Artenrückgang nicht auf. Es braucht eine umweltfreundliche Landwirtschaft (© CC0)

Die Eindämmung der Überproduktion hatte positive Effekte für die Natur. Ohne Düngung und Pestizideinsatz konnten sich auf den Brachflächen viele Wild-kräuter und Tiere ansiedeln. Schon damals war von den Stilllegungen der Anbau von sogenannten nachwachsenden Rohstoffen ausgenommen. Und diese erlebten infolge der Erneuerbaren Energiepolitik von Bundesregierung und EU zu Beginn des neuen Jahrtausends einen enormen Boom: 2008 fiel die gesetzliche Verpflichtung und 2009 wurde die Förderung von Brachflächen ganz abgeschafft. Innerhalb kürzester Zeit wurden die Flächen umgepflügt und in industrielle Monokulturen mit „Energiemais“ und Raps für die Produktion von Biogas und Biokraftstoff verwandelt.

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